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Goldschmidt, Adolph; Weitzmann, Kurt; Goldschmidt, Adolph [Editor]; Weitzmann, Kurt [Editor]
Die byzantinischen Elfenbeinskulpturen des X. - XIII. Jahrhunderts (Band 1): Kästen — Berlin: Bruno Cassirer, 1930

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https://doi.org/10.11588/diglit.53146#0033
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BYZANTINISCHE ELFENBEINSKULPTUREN

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gelassen dastehenden Joseph, der die Rechte um den Hals des
Vaters gelegt hat. Beide sind in lange Gewänder gehüllt. Auf der
anderen Platte sitzt eine langgewandete Figur auf einem felsartig
gebildeten Terrain vor einem Thymiaterion, in dessen obere Schalt,
sie einen Stab eintaucht. Ihre Linke hält eine AA eihrauchbüchsc.
A ermutlich handelt es sich um die Monatsdarstellung des Januai,
die in der Kopie einer spätantiken Kalenderillustration ebcnfalls
durch eine-allerdings stehende-Weihrauch opfernde Gestalt
wiedergegeben ist. (Vgl. Strzygowski: Die Kalenderbilder des Chro-
nographen vom Jahre 354, 1888, laf. XVIII.) A on den dtei 1 Litten
der Rückseite (b) stellt die linke einen Feldherrn dar in Rüstung
und Mäntelchen. Die Rechte ist auf den Schildrand gelegt und um-
faßt zugleich den Speer, die Linke ist in gebieterischer Geste aus-
gestreckt, ganz in der Art eines befehlenden Josua, der seine Krieger
in den Kampf schickt gegen die Gabaoniter (II Rotulo, Taf. X). Um
aber dem aus dem Zusammenhang gelösten jetzt unverständlichen
Gestus einen neuen Sinn zu geben, hat der Schnitzer zu Füßen
des Feldherrn einen anspringenden Löwen hinzugefügt. Die Mittel-
platte enthält ebenfalls einen solchen Feldherrn, der sich auf seine
Lanze stützt und in der Linken ein Schwert hält. Wahrscheinlich
handelt es sich auch hier um einen Josua, obgleich in dem lücken-
haften Vatikanischen Rotulus ein solcher sich nicht nachweisen
läßt. Rechts schließt sich eine Platte an mit einem Krieger in
Ausfallstellung mit Schwert und Schild bewaffnet, der einem an-
tiken Kampffries entlehnt zu sein scheint (vgl. Sarkophag, Monu-
inenti Vol VIII, Taf. 1 8). Unantik ist der Hüftschurz, bei welchem
es sich wahrscheinlich um das Rudiment einer an den Seiten ge-
schlitzten Tunika handelt. Von den Kurzseiten zeigt die rechte (c)
einen antiken Jäger, der mit einer waagerecht gehaltenen Lanze
zustößt (vgl. Jagdsarkophag, Robert III, 2 Taf. 79). Der Krieger der
linken Kurzseite (d) stürmt in den Kampf nut Lanze und hoch-
gehobenem Schild, ebenfalls eine antike Kampfstellung (vgl. Sar-
kophag, Archäolog. Zeitg. i8j5, Taf. 3o). Die um die Platte sich
herumziehenden Ornamentstreifen sind üppig ausgebildet. Das ein-
fache Eckblatt in den Zwickeln der Rosetten ist gesprengt durch
ein herzförmiges Gebilde, das eine kleine Rlattpalmette einschließt.
Zu beiden Seiten der Streifen ziehen sich fein gearbeitete Astragale
hin. Besonders reich ist das kleine Stück zwischen den Deckel-
platten (a),in dessen Kreisen Nachbildungen von Köpfen des Jupiter
Ammon enthalten sind. Esistdas einzige Beispiel, auf dem bestimmte
antike Münzvorbilder für die Medaillonköpfe sich nachweisenlassen.
Von den anderen mit Rosetten sich abwechselnden Köpfen sind je
zwei einander zugekehrt und zeigen einen einheitlichen I yp,nui vei-
einzelt ist auf ihnen ein Amnionshorn angebracht. Jener erhaltene
Rest des durchbrochen gearbeiteten Rundstabs (a) zeigt ein von Bal-
dachinsäulen byzantinischer Elfenbeinplatten her bekanntes Muster
(vgl. die Münchener Koimesisplatte, GoldschmidtBd.il, Abb. 25).
Im organischen Körperbau sind die Figuren dieses Kastens die
besten,’ die die Plastik der Rosettenkästen aufzuweisen hat. Doch
treten bei den antiken Figuren schon Mißverständnisse in der
Kleidung auf, die nicht an eine unmittelbare Entlehnung aus der
Antike denken lassen, sondern an schon etwas abgeschhffene Werk-
stattvorlagen. In den schlank durchgebildeten Körpern zeigt sich
ein starkes Gefühl für plastische Einzel formen.
Literatur: Salazzaro, Studi sui monumenti dell’Italia meridionale dal IV. al
XIII. saec., Napoli 1871, Vol. I, S. 39, Vol. II, Taf. 3. Westwood, Fictile Ivories
1876, S. 369. Schneider, Serta Harteliana 1896, Nr. 6. Graeven im Osten-, Jahrb.
Bd. XX, 1899, S. 25, Nr. 6.
7- LEISTE EINES KASTENS. TAFEL 11
Halbfiguren von 6 Heiligen.
K. Jahrhundert.
Bologna, Museo Givico (Nr. 160).
Höhe 4,5 cm, Breite 24 cm. Die Leiste, jetzt auf ein Holzstück montiert, besteht
aus zwei Stücken und diente wohl als Ornamentstreifen eines Kastens. An der
linken oberen Ecke ist ein Stück abgebrochen, durch die seitlichen Bohrlöcher
sind einige Sprünge entstanden.

Die Heiligen sind durch Inschriften gekennzeichnet: (A) BACIA6I0C,
® IQ 0 XPVCOCTto/zo?), @ NIKOAAOC, (A) TPHEPIo/ 0 QeOAO/fyo?); (A)
KOCMAC, ® AAMHANOC. Die ersten vier in bischöflicher Kleidung
hallen in der verdeckten Linken ein Ruch,
während die beiden Ärzte eine Arznei-
büchse und ein chirurgisches Instrument
in den Händen halten. Die Kreise zeigen
in den Zwickeln Palmettenbildungen der-
selben Art wie die Rosettenstreifen des
Kastens aus La Cava (Nr. 6) Die runden
Köpfe zeichnen sich durch eine rundliche
Behandlung der Einzelformen aus und
schließen sich weniger denen des La-
Cava-Kastens als vielmehr denen der Ber-


liner Vierzig-Märtyrer-Platte an, die zu
einer anderen hier nicht behandelten

Abb. 7. Anschnitt aus der Berliner
Vierzig-Märtyrer-Platte.

Gruppe byzantinischer
(Abb. 7).

Elfenbeine gehört (Volbach, Katal. Nr. 574)

Literatur: Westwood, Fictile Ivories, 1876, S. 362 Nr. 3. Graeven, Elfenbein-
werke aus Sammlungen in Italien 1900, Nr. 86. P. Ducati, Avori del Museo Civico
di Bologna, in: Bolletino d’Arte 1923, S. 497-

8 a-d. KASTENFRAGMENTE. TAFEL III
K r i e g e r f i g 11 r e n.
X. Jahrhundert.
Mailand, Museo del Castello.
a) Höhe 11,6 cm, Breite 17,4 cm, b) Höhe 11,6 cm, Breite 16,6 cm, c und d)
Höhe 11,6 cm, Breite 40,8 ein. Die Kastenreste, die jetzt auf einer großen Tafel
zusammengestellt sind, gehören alle zu einem Kasten mit Ausnahme einer Adam-
Platte ( = Nr. 74), die zwischen a und b montiert ist. c und d geben in voll-
ständiger Erhaltung die beiden Langseiten des Kastens wieder, der aller Wahr-
scheinlichkeit nach eine Form gehabt hat ähnlich den Kästen Nr. 10 und 12. aund
b sind aus den teilweise sehr beschädigten Resten der übrigen Seiten zusammen-
gestellt. Aus der Sammlung Possenti. 1888 erworben von Achille Cantoni.
Die meisten der dargestellten Figuren gehen auf Typen der Josua-
geschichte zurück. Eine Figur, die sich dreimal wiederholt (a2, c5, d5),
stellt jenen Krieger dar, der dem Josua Kunde bringt von dem Sieg
über die Amoriter-Könige (vgl. Nr. j-)- Die letzte dieser drei Platten
mit dem in Panzer und Helm gekleideten Krieger steht dem Minia-
tu rvorbild am nächsten, während die beiden anderen Platten den Typ
dahin abwandeln, daß der Panzer durch die Tunika ersetzt und ein
vom Rücken flatterndes Mäntelchen hinzugefügt wird. Der Krie-
ger, der sich auf seinen Speer stützt und einen Schild trägt (b), läßt
sich ebenfalls auf einen gepanzerten Josuakrieger zurückführen
(vgl. Nr. t 1), doch läßt sich die Szene, aus der er stammt, nicht
mehr mit Sicherheit feststellen*. Josua selbst (c) ist dargestellt, wie
er der Sonne Stillstand gebietet (Josua X, Vers 12). Die linke Hand
ist gegen die Sonne erhoben, die Bewegung der rechten ist nicht
mehr verständlich, da die zugehörige Lanze fortgefallen ist. Aus
dem Panzer ist eine Exomis geworden (vgl. II Rotulo, Taf. XIII).
Die beiden in der Stellung leicht variierenden Krieger, die mit der
Rechten weit ausholen zum Schlage (c), und der nach links vor-
stürmende Krieger (d) gehen wahrscheinlich auch auf Kampfdar-
stellungen der Josuageschichte zurück. Sie alle zeigen die auf die
Übernahme aus einer Miniatur weisende Andeutung des Schuh-
werks durch ein doppeltes Paar geritzter Linien. Der letzte dieser
drei Krieger läßt sich in ähnlicher Schwerthaltung auf einer Kampf-
szehe des Rotulus nachweisen (II Rotulo, Taf. VIII). Bei den anderen
spricht für eine Ableitung aus einer Josuaszene die Typenver-
wandtschaft mit den zuvor genannten Kriegern, doch könnten sie
ihrer Kampfhaltung nach ebensogut aus der Antike genommen
* Graeven glaubte in seinem Aufsatz über den Xantener Kasten im Bonner
Jahrb. 1902, S. 261 diesen Typ in der Szene des Kampfes am Wasser Meron
in den Oktateuchen gefunden zu haben. Ein Vergleich mit der gemeinten Figur
dieser Szene im cod. Vat. grec. 746 (II Rotulo, Taf. F, 5) zeigt keine direkte Über-
einstimmung in der Bewegung der Typen, so daß doch wohl eine andere heute
nicht mehr sicher nachweisbare Josuafigur das Vorbild gewesen ist.
 
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