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Goldschmidt, Adolph; Weitzmann, Kurt; Goldschmidt, Adolph [Hrsg.]; Weitzmann, Kurt [Hrsg.]
Die byzantinischen Elfenbeinskulpturen des X. - XIII. Jahrhunderts (Band 1): Kästen — Berlin: Bruno Cassirer, 1930

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https://doi.org/10.11588/diglit.53146#0064
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56

GOLDSCHMIDT

Die Figur am rechten Rande stellt wiederum einen einbalsamierenden
Arzt dar aus der Szene des Todes Josephs (vgl. Kesseling, Nr. i5i).
Gehört mit Nr. 91—97 zu einem Kasten. Über den Stil vgl. Nr. 94.
Literatur: Dalton, Catalogue of the ivory Carvings 190g, Nr. 21.
98 a-e. KASTEN MIT PYRAMIDENSTUMPFDECKEL. TA-
FEL LVI, LV1I
Pteiter und Fußsoldaten.
XII. Jahrhundert.
Lening rad, E r em it age (Nr. 60).
Höhe 19,5 cm, Länge 32,2 ein, Breite 18,8 cm. Aus der Sammlung Basilewsky (5o).
Der Kasten in seiner jetzigen Gestalt ist im wesentlichen eine Neu-
schöpfung eines Fälschers, der aber scheinbar einige echte Platten
mitverwendet und nach diesen die anderen gefälscht hat. Da die
Fälschung sehr geschickt ist, so ist nach der Photographie nicht
bei allen Platten mit Sicherheit festzustellen, welche echt und
welche falsch sind. Auszugehen ist zunächst von den Platten, die sich
stilistisch an die übrigen gesicherten Elfenbeine anschließen lassen,
und die somit das größte Anrecht auf eine Echtheitserklärung be-
sitzen. Es sind dies die mittlere Platte der Vorderseite (b), in die
ein modernes Schlüsselloch eingeschnitten ist, und die Reiterplatte
der Seite e. Die Figuren auf ihnen zeigen jenen runden Kopf mit
haubenartiger Haarbehandlung, den die Köpfe der Figuren auf
den Josephs-Darstellungen (Nr. 94—97) besitzen. Es handelt sich
bei diesen als echt anzusprechenden Kriegern um Typen, die zum
Hauptbestande der profanen Kastengruppe gehören. Vergleiche
zu den Reitern Nr. 12a, zum linken Speerwerfer Nr. 120 und zum
rechten vorwärts stürmenden Krieger mit Schwert und Schild
Nr. 8d. An diese zwei Platten schließen sich zunächst einige Krie-
gerfiguren an, bei denen die Echtheitsfrage zweifelhaft ist, da sie
wie die zwei Kämpfer der seitlichen Deckelschrägen ganz wört-
liche Wiederholungen der Mittelplatte von b sind oder nur eine
ganz geringe Abwandlung der echten Typen darstellen, wie der
mit einem Speer werfende Krieger rechts neben der Mittelplatte
von b. Diese Einzelkrieger zeigen eine entsprechende Kopfbildung,
doch sind die Falten zwischen den Oberschenkeln nicht so ener-
gisch in der Linienführung. Zweifelhaft ist auch die Reiterplalte
der Seite d, auf der besonders das vordere Pferd mit den langaus-
gezogenen Hinterbeinen einen unproportionierten hölzernen Ein-
druck macht gegenüber den Pferden der echten Reiterplatte e.
Reim hinteren Reiter wirken jener vom Rücken flatternde Shawl
und das starr zur Seite blickende Auge modern. Alle anderen Platten
zeigen stilistische Merkmale, die mit ziemlicher Sicherheit auf eine
Fälschungschließen lassen.DaseklatantesteReispielist jener kniende
Krieger der Vorderseite (b), der durchaus die Haltung eines moder-
nen Kriegerdenkmals einnimmt. Beim Kopf, der stets die meisten
Anhalte zur stilistischen Beurteilung einer Fälschung gibt, fällt
das spitze vorgeschobene Kinn auf. Am Kopf verrät sich auch
der Krieger links der Mittelplatte (b) mit dem langgezogenen Ge-
sicht, ebenso der nackte Mann mit der Traube, ein zwar bekannter
Typ vgl. Nr. 8a), aber mit einem Kopf versehen, der den Medail-
lonköpfen der Rosettenbänder nachgebildet ist. Die Platten der
Rückseite c scheinen alle modern zu sein. Die Gestalten fallen wie-
der durch ihre unbyzantinische Gesichtsbildung auf, zwei der un-
teren durch die flatternden Shawls, und der linke von ihnen be-
sonders durch eine ganz ungewöhnliche Kopfbedeckung. Bei den
zwei Pferden hat der Fälscher das Zaumzeug vergessen. Sodann fallen
die unproportionierten Reiter auf, von denen der linke eine Über-
tragung eines speerwerfenden Fußsoldaten auf ein Pferd ist. Trotz-
dem die Pferde auf effektvolle Bewegung angelegt sind, sind sie
im Grunde unlebendig und hölzern. Bei den Ornamentstreifen läßt
sich eine Scheidung in echte und unechte noch weniger genau durch-
führen, doch ist sicherlich auch hier ein großer Teil gefälscht, wie
vor allem der Deckelstreifen (a) und die Medaillonköpfe der Seite
d zeigen. Der Stil der beiden als echt angenommenen Platten zeigt,

worauf schon hingewiesen worden ist, Beziehungen zu den Platten
Nr. 94—97. Sie scheinen aber früher als diese, da die Figuren noch
sehr viel lebendiger und die Gewänder schmiegsamer sind.
Literatur: Darcel, Catalogue raisonnee de la Collection Basilewsky 1874, S. 89,
Nr. 5o. Westwood, Fictile 1 vories 1876, S. 406. Gonse, L’art ancien ä l’exposition de
1878, Paris 1879, S. 198. Labarte, Exposition de l’histoire du travail Nr. 1655. Ern.
Rose, Dictionnaire de l’art 1883, S. 4°6> Fig. 4?5- Bayet, L’art byzantine 1883,
S. 197. Schneider, Serta Harteliana 1896, Nr. 35. Graeven im Österr. Jahrb.
Bd. XX, 1899, Nr. 28. L’art pour tous, 5meannee, Nr. 1486.

99 a-e. KASTEN MIT SCHIEBEDECKEL. TAFEL LVIII, LIX
Achtzehn Heiligenfiguren.
XII. Jahrhundert.

Florenz, Museo N a z i o n a 1 e.

Höhe 12 cm, Länge 49 cm, Breite i5,2cm. Der Kastenbelag ist auf einen neuen
Holzkern montiert worden, wobei der Irrtum entstand, daß auf der Vorder-
seite (b) rechts zwei Rosettenstreifen nebeneinander zu sitzen kamen, während
links ein abschließender Streifen fehlt. An verschiedenen Stellen fehlen Stöcke der
Rosettenstreifen und die vorhandenen zeigen an einigen Stellen Absplitterungen.
Auf d fehlt das Schloß, dessen Haken auf dem rechten Deckelrand (a) Zerstörungs-
spuren hinterlassen hat. In technischer Hinsicht ist bemerkenswert, daß je zwei
Deckelplatten mit einem dazwischen liegenden Rosettenstreifen aus einem Stück
gearbeitet sind. Auf der Rückseite (c) sind zwei Platten mit einem angrenzenden
Streifen aus einem Stück. Mehrere Platten zeigen Sprünge. Spuren von roter
Farbe in den meisten Schriftzeichen und auf einigen Figuren, vor allem dem
Thomas. Aus der Sammlung Medici 1879 ins Museum gelangt.

Deckel und Seiten enthalten Heilige in Halbfigur, alle durch In-
schriften bezeichnet. Auf dem Deckel (a) sind dargestellt (A) IQ
0 nPOAP/fo^o?), ®IQ XPVCOCTOM0/, M-P 0V, IC XC. Die Platten sind
sicherlich bei der Neumontierung vertauscht worden, denn Chris-
tus hat — nach dem Schema der Deesis — sicherlich zwischen
Maria und Johannes demTäufer sich befunden. Es folgen auf der Vor-
derseite (b): ® 0QMAC, ® OIAITTTTOC, ® C\N\Q(v) 0 ZHAQT^J, ®
iAKQBOC TOV ZGBE^OV, ® ANAPEAC. Auf der Rückseite (c) die vier
Evangelisten ® IQ 0 ©EOAOr®, ® MAT0AIOC, ® AOVKAC,® MAPKOC,
und als fünfter ® BAP0OAOMAIOC. Auf der linken Kurzseite sind
die Apostelfürsten ® TTETPOC und TTAVAOC dargestellt, jener durch
die gedrückte Stirn, dieser durch den
langen Kopf mit freier Stirn charak-
terisiert. Die Attribute der anderen
Apostel sind gleichförmig: Rollen
oder Bücher. Die rechte Kurzseite (b)
enthält: ® CEPriOC und ® BAKXOC
mit Märtyrerringen um den Hals und
einem Kreuz in der Hand, im übri-
gen aber tragen sie keine Märtyrer-
kleidung, sondern die Chlamys. Alle
Figuren sind unter Arkaden gestellt,
deren flacher mit einem Palmetten-
fries verzierter Bogen auf gedrehten
Säulen ruht (vgl. Nr. 86—87). Die
Seilenfelder werden von gewöhn-
lichen Rosettenstreifen umrahmt,
die Deckelfelder von reicheren Füllrosetten (vgl. Nr. 67) und von
einem sehr fein gearbeiteten Palmettenfries am Deckelrand.
Das Relief ist flach, nur Kopf, Hände und Archivolten heben sich in
stärkerer Reliefhöhe heraus. Der Stil der Figuren mit den reich dra-
pierten Gewändern, unter denen der Körper fast verschwindet, mit
den gebrochenen und gebogenen Unterarmen, den asketisch hageren
Gesichtszügen weisen ins 12. Jahrhundert und haben ihre Parallele in
den Typen der Mosaiken von Monreale. Man vergleiche den Christus-
kopf mit dem des Christus aus der Krönung Wilhelms II (Abb. 27).

Abb. 27. Christuskopf aus der Krönung
Wilhelms II. Monreale.


Literatur: Westwood, Fictile Ivories 1876, S. 877. Schlumberger, L’epopee
byzantine, 1896, S. 69, Fig. 78, 77, 828. Graeven in der L’Arte II, 1899, S. 3o5
und Elfenbein werke aus Sammlungen in Italien 1900, Nr. 55. Strzygowski, Orient
oder Rom 1901, S. 19.5. Venturi, Storia dell’Arte II, 1902, S. 592, Fig. 418—21.
Peirce and Tyler, Byzantine Al t 1926, Taf. g5.
 
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