BYZANTINISCHE ELFENBEINSKULPTUREN
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sondern auch in den mehr volkstümlichen und handwerksmäßigen
der Triptychon-Gruppe und der sich abschwächenden Nikephoros-
Gruppe, die schließlich in die Rahmengruppe des 11. Jahrhunderts
hineinmündet.
Alle diese Gruppen haben ihre Entstehung offenbar in der Haupt-
stadt Byzanz gehabt, was in erster Linie durch die mit dem Kaiser
in Verbindung stehenden Stücke begründet ist, ferner aber durch
die große Einheitlichkeit und Geschlossenheit des Stils und der
Motive. Auf die Herstellung der malerischen Reliefgruppe in der
Hauptstadt weist auch der Umstand, daß sie mit den antikisierenden
Kästen, deren Merkmale auf Konstantinopel weisen, in denselben
Werkstätten entstanden ist.
Dem widerspricht nicht, daß dennoch dort auch andere Stilgruppen
vorhanden sind. Man hat sich dies so vorzustellen, daß nebenein-
ander verschiedene Werkstattgruppen existierten, vielleicht in ver-
schiedenen Stadtteilen, oder in Angliederung an bestimmte be-
deutende Klöster oder kaiserliche Institutionen. Der in ihnen
herrschende Stil wird je durch eine bedeutendere Künstler-Persön-
lichkeit eingeleitet worden sein, von der der weitere Werkstatt-
betrieb durch Jahrzehnte hindurch in gleicher Tradition abhängig
blieb, da die Bevölkerung in ihrem konservativen religiösen Be-
dürfnis fortlaufend das Gleiche forderte.
Auf andere Herstellungsorte als die Hauptstadt möchte man haupt-
sächlich solche Stücke zurückführen, die nicht nur in der Ausfüh-
rung schwächer sind, sondern ein Gemisch von Einflüssen aus
Werken der verschiedenen Gruppen zur Schau tragen, wie sie der
Zufall ihnen als Vorbild brachte. Manche Orte mögen auch eine
gewisse Selbständigkeit entwickelt haben, aber um dies festzustellen,
ist das Material zu spärlich und die Herkunft zu unsicher. Am
ersten kommen die Gegenden östlich vom Schwarzen Meer in
Betracht, besonders Georgien, das auch bei einigen Stücken im
kritischen Verzeichnis als mutmaßliches Entstehungsland angeführt
ist (Nr. y3, 152, ip5).
Für die Verwendung der Elfenbeinplatten kommen verschiedene
Zwecke in Betracht. Die häufigste Form scheint das Triptychon
zu sein, das gleich den erheblich selteneren Diptychen der Andacht
diente, besonders auch in der eigenen Häuslichkeit. Dazu kamen
die Ikonen, die in einem einzelnen Elfenbeinrelief bestanden, das
in einen mehr oder minder reichgeschmückten Bahmen gefaßt
war, entsprechend den gemalten oder in anderem Material ausge-
führten Bildtafeln zum Aufhängen als Schmuck oder Aufstellen als
Kußtafel (Abb. 1). Endlich verwandte man Elfenbeinplatten zum
Schmuck von Buchdeckeln, allerdings bei weitem nicht in dem Um-
fang, wie dies im Abendland geschah. Bestimmtere Vermutungen
darüber knüpfen sich an Nr. 34 und 62, die sich auf byzantinischen
Evangeliaren befanden und darauf hindeuten, daß die kaiserlichen
Krönungsreliefs wie Nr. 34 (BomanosII), Nr. 35 (Konstantinos Por-
phyrogennetos) und Nr. 85 (Otto II) Bücher dieser Fürsten schmück-
ten und Ghristusfiguren wie Nr. 62 für Handschriften der Evan-
gelien hergestellt wurden (vgl. auch Nr. 102). Im allgemeinen bevor-
zugte man bei Prachteinbänden offenbar die Beschränkung auf
Goldschmiedearbeit und Email.
Da nun fast alle Stücke aus ihrem ursprünglichen Zusammenhang
herausgerissen und entfernt sind, ist es oft schwer, zu entschei-
den, zu welcher Kategorie sie gehörten, besonders da ihre Ver-
wendung und Wiederverwendung häufig im Laufe der Zeit wech-
selte. Vielfach Aufschluß gebend sind die verschiedenartigen, zur
Befestigung angebrachten Bohrlöcher, die Scharnierspuren und
die Art der Reliefränder.
Die Verbindung von Mittelteil und Flügeln der Triptychen geschah
in einer Weise, die von Architekturtüren übernommen war und
sicherlich schon aus antiker Zeit stammte. Auf dem oberen und
unteren Rahmen des Mittelteils wurde eine Leiste aufgenagelt, unter
deren Enden spitze Zapfen eingefügt waren, in welche die Flügel
eingehängt wurden, so daß sie beim Schließen die Fläche zwischen
oberer und unterer Leiste ausfüllten, also der Mittelplatte gegen-
über ein um die Breite der Leisten geringeres Höhenmaß haben
mußten. Diese letzteren waren stets mit einem Ornament bedeckt
und durch große Bohrlöcher mittels Elfenbeinstiften, die sich auf
ihrer Oberfläche dem Ornament anpaßten, auf dem glatten Relief-
rahmen befestigt (vgl. Taf. LIV, Nr. 155). Zum Zweck der leichte-
ren Drehung waren die Flügel meist auf der Innenkante abge-
rundet. Man erkennt also einen Flügel an dieser Kante und an
den Löchern, die von oben und unten hineingebohrt sind, um
den Zapfen der Leisten aufzunehmen, oder um selbst den Zap-
fen in sich zu befestigen, wenn sich die Aufnahmelöcher in den
Leisten befanden. Natürlich mußten die Flügel eingehängt werden,
nachdem eine der Mittelleisten befestigt war. Die zwei großen
Bohrlöcher dieser Leisten, die symmetrisch nahe den Enden
oder vermehrt durch ein drittes Mittelloch in die Rahmen der
Abb. 1. Baltimore, Smlg. Walters. Elfenbein-Ikone (Rahmen ursprünglich bemalt).
Platte darunter eindringen, kennzeichnen diese nach der Auflösung
des Zusammenhanges meist noch als Mittelteil eines Triptychons.
Bei späterer Verwendung wurden sie dann eventuell wieder benutzt
zur Befestigung einerUnterlage, doch sind diejenigen Löcher, die das
Elfenbein von Anfang an mit einer Holzplatte oder einer Metall-
fassung verbinden sollten, meist kleiner, da sie für Metallstifte be-
rechnet waren, und erstrecken sich auch über die seitlichen Rahmen
und die Grundfläche des Reliefs. Zuweilen fehlen alle Löcher. In
diesem Fall muß man mit der Fassung in einen übergreifenden
Metallrand der Ikone oder des Buchdeckels rechnen. Ob eine
solche Fassung auf die ursprüngliche Verwendung als Ikone oder
Buchdeckel hinweist, ist kaum zu entscheiden, es sei denn, daß der
Gegenstand des Beliefs das eine oder andere wahrscheinlicher
macht. Besonders kompliziert wird die Bestimmung in der Rahmen-
gruppe, wo das Elfenbein selbst schon ein Randornament enthält,
das die Verbindung mit anderen Stücken erschwert. Häufig ist in
späterer Zeit die Verbindung der Teile durch Einzapfung in
solche durch Scharniere umgeändert. Bei manchen Triptychen
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sondern auch in den mehr volkstümlichen und handwerksmäßigen
der Triptychon-Gruppe und der sich abschwächenden Nikephoros-
Gruppe, die schließlich in die Rahmengruppe des 11. Jahrhunderts
hineinmündet.
Alle diese Gruppen haben ihre Entstehung offenbar in der Haupt-
stadt Byzanz gehabt, was in erster Linie durch die mit dem Kaiser
in Verbindung stehenden Stücke begründet ist, ferner aber durch
die große Einheitlichkeit und Geschlossenheit des Stils und der
Motive. Auf die Herstellung der malerischen Reliefgruppe in der
Hauptstadt weist auch der Umstand, daß sie mit den antikisierenden
Kästen, deren Merkmale auf Konstantinopel weisen, in denselben
Werkstätten entstanden ist.
Dem widerspricht nicht, daß dennoch dort auch andere Stilgruppen
vorhanden sind. Man hat sich dies so vorzustellen, daß nebenein-
ander verschiedene Werkstattgruppen existierten, vielleicht in ver-
schiedenen Stadtteilen, oder in Angliederung an bestimmte be-
deutende Klöster oder kaiserliche Institutionen. Der in ihnen
herrschende Stil wird je durch eine bedeutendere Künstler-Persön-
lichkeit eingeleitet worden sein, von der der weitere Werkstatt-
betrieb durch Jahrzehnte hindurch in gleicher Tradition abhängig
blieb, da die Bevölkerung in ihrem konservativen religiösen Be-
dürfnis fortlaufend das Gleiche forderte.
Auf andere Herstellungsorte als die Hauptstadt möchte man haupt-
sächlich solche Stücke zurückführen, die nicht nur in der Ausfüh-
rung schwächer sind, sondern ein Gemisch von Einflüssen aus
Werken der verschiedenen Gruppen zur Schau tragen, wie sie der
Zufall ihnen als Vorbild brachte. Manche Orte mögen auch eine
gewisse Selbständigkeit entwickelt haben, aber um dies festzustellen,
ist das Material zu spärlich und die Herkunft zu unsicher. Am
ersten kommen die Gegenden östlich vom Schwarzen Meer in
Betracht, besonders Georgien, das auch bei einigen Stücken im
kritischen Verzeichnis als mutmaßliches Entstehungsland angeführt
ist (Nr. y3, 152, ip5).
Für die Verwendung der Elfenbeinplatten kommen verschiedene
Zwecke in Betracht. Die häufigste Form scheint das Triptychon
zu sein, das gleich den erheblich selteneren Diptychen der Andacht
diente, besonders auch in der eigenen Häuslichkeit. Dazu kamen
die Ikonen, die in einem einzelnen Elfenbeinrelief bestanden, das
in einen mehr oder minder reichgeschmückten Bahmen gefaßt
war, entsprechend den gemalten oder in anderem Material ausge-
führten Bildtafeln zum Aufhängen als Schmuck oder Aufstellen als
Kußtafel (Abb. 1). Endlich verwandte man Elfenbeinplatten zum
Schmuck von Buchdeckeln, allerdings bei weitem nicht in dem Um-
fang, wie dies im Abendland geschah. Bestimmtere Vermutungen
darüber knüpfen sich an Nr. 34 und 62, die sich auf byzantinischen
Evangeliaren befanden und darauf hindeuten, daß die kaiserlichen
Krönungsreliefs wie Nr. 34 (BomanosII), Nr. 35 (Konstantinos Por-
phyrogennetos) und Nr. 85 (Otto II) Bücher dieser Fürsten schmück-
ten und Ghristusfiguren wie Nr. 62 für Handschriften der Evan-
gelien hergestellt wurden (vgl. auch Nr. 102). Im allgemeinen bevor-
zugte man bei Prachteinbänden offenbar die Beschränkung auf
Goldschmiedearbeit und Email.
Da nun fast alle Stücke aus ihrem ursprünglichen Zusammenhang
herausgerissen und entfernt sind, ist es oft schwer, zu entschei-
den, zu welcher Kategorie sie gehörten, besonders da ihre Ver-
wendung und Wiederverwendung häufig im Laufe der Zeit wech-
selte. Vielfach Aufschluß gebend sind die verschiedenartigen, zur
Befestigung angebrachten Bohrlöcher, die Scharnierspuren und
die Art der Reliefränder.
Die Verbindung von Mittelteil und Flügeln der Triptychen geschah
in einer Weise, die von Architekturtüren übernommen war und
sicherlich schon aus antiker Zeit stammte. Auf dem oberen und
unteren Rahmen des Mittelteils wurde eine Leiste aufgenagelt, unter
deren Enden spitze Zapfen eingefügt waren, in welche die Flügel
eingehängt wurden, so daß sie beim Schließen die Fläche zwischen
oberer und unterer Leiste ausfüllten, also der Mittelplatte gegen-
über ein um die Breite der Leisten geringeres Höhenmaß haben
mußten. Diese letzteren waren stets mit einem Ornament bedeckt
und durch große Bohrlöcher mittels Elfenbeinstiften, die sich auf
ihrer Oberfläche dem Ornament anpaßten, auf dem glatten Relief-
rahmen befestigt (vgl. Taf. LIV, Nr. 155). Zum Zweck der leichte-
ren Drehung waren die Flügel meist auf der Innenkante abge-
rundet. Man erkennt also einen Flügel an dieser Kante und an
den Löchern, die von oben und unten hineingebohrt sind, um
den Zapfen der Leisten aufzunehmen, oder um selbst den Zap-
fen in sich zu befestigen, wenn sich die Aufnahmelöcher in den
Leisten befanden. Natürlich mußten die Flügel eingehängt werden,
nachdem eine der Mittelleisten befestigt war. Die zwei großen
Bohrlöcher dieser Leisten, die symmetrisch nahe den Enden
oder vermehrt durch ein drittes Mittelloch in die Rahmen der
Abb. 1. Baltimore, Smlg. Walters. Elfenbein-Ikone (Rahmen ursprünglich bemalt).
Platte darunter eindringen, kennzeichnen diese nach der Auflösung
des Zusammenhanges meist noch als Mittelteil eines Triptychons.
Bei späterer Verwendung wurden sie dann eventuell wieder benutzt
zur Befestigung einerUnterlage, doch sind diejenigen Löcher, die das
Elfenbein von Anfang an mit einer Holzplatte oder einer Metall-
fassung verbinden sollten, meist kleiner, da sie für Metallstifte be-
rechnet waren, und erstrecken sich auch über die seitlichen Rahmen
und die Grundfläche des Reliefs. Zuweilen fehlen alle Löcher. In
diesem Fall muß man mit der Fassung in einen übergreifenden
Metallrand der Ikone oder des Buchdeckels rechnen. Ob eine
solche Fassung auf die ursprüngliche Verwendung als Ikone oder
Buchdeckel hinweist, ist kaum zu entscheiden, es sei denn, daß der
Gegenstand des Beliefs das eine oder andere wahrscheinlicher
macht. Besonders kompliziert wird die Bestimmung in der Rahmen-
gruppe, wo das Elfenbein selbst schon ein Randornament enthält,
das die Verbindung mit anderen Stücken erschwert. Häufig ist in
späterer Zeit die Verbindung der Teile durch Einzapfung in
solche durch Scharniere umgeändert. Bei manchen Triptychen