Untertanen klar erkennt und es ausnutzen will. Bei sei-
nem sicheren Blick für künstlerische Potenz ist es fast
selbstverständlich, daß er für ein Skulpturwerk sogleich
an den jetzt dreißigjährigen Schadow denkt. Der Bild-
hauer soll „etwas der nächsten Ausstellung in der Aka-
demie Würdiges darbringen“. Vermutlich bereits im
Frühjahr 1794 erwirkt der Minister von den hohen
Herrschaften für seinen Modelleur die Erlaubnis zu den
erforderlichen Sitzungen, die dann auch sehr bald im
kronprinzlichen Palais (heute Prinzessinnen-Palais) statt-
finden.
DIE BÜSTE DER PRINZESSIN FRIEDERIKE
Als erstes unternimmt es Schadow, ein Büstenporträt
der Prinzessin Friederike zu schaffen. Er modelliert
sie in Ton (Abb. 2). Ihm steht „dem ersten Entwürfe nach
ein Ideal-Kopf“ vor Augen, d. h. ein zum Antikischen
hin idealisiertes Bildnis der Prinzessin. Aber schon „nach
dem ersten Visieren“ läßt Schadow die vorgefaßte Ab-
sicht fallen. In dem vielschichtigen und geheimnisvollen
Werdeprozeß eines Kunstwerkes kommt jetzt, im leib-
lichen Gegenüber, dem Bildhauer „ein courageuser Mo-
ment“. Jenes Fluidum vom Modell zum Künstler (und
vom Künstler zum Modell) kommt zum Schwingen, für
das die schaffende Tätigkeit des Auges und der Hand
nur die vom Bewußtsein diktierten Aktionen sind.
Schadows Auge registriert, daß die Prinzessin nicht die
vom antiken Schönheitsideal vorgeschriebene Profillinie
besitzt, und seine Hand gibt ihrer Kontur „mit einem
Zuge, durch Wegnahme eines Stücks Thon, die Profili-
rung der Natur“ (Text S. 27). Eine geringe Änderung,
gewiß! Doch wird an ihr deutlich, wie unbestechlich
Schadows künstlerisches Ingenium am Werke ist, und
warum das vollendete Bildnis — entgegen dem bewuß-
ten Vorhaben des Bildhauers — kein „Ideal-Kopf“ von
erwünscht antikischer Prägung wird. Das leicht zur Seite
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nem sicheren Blick für künstlerische Potenz ist es fast
selbstverständlich, daß er für ein Skulpturwerk sogleich
an den jetzt dreißigjährigen Schadow denkt. Der Bild-
hauer soll „etwas der nächsten Ausstellung in der Aka-
demie Würdiges darbringen“. Vermutlich bereits im
Frühjahr 1794 erwirkt der Minister von den hohen
Herrschaften für seinen Modelleur die Erlaubnis zu den
erforderlichen Sitzungen, die dann auch sehr bald im
kronprinzlichen Palais (heute Prinzessinnen-Palais) statt-
finden.
DIE BÜSTE DER PRINZESSIN FRIEDERIKE
Als erstes unternimmt es Schadow, ein Büstenporträt
der Prinzessin Friederike zu schaffen. Er modelliert
sie in Ton (Abb. 2). Ihm steht „dem ersten Entwürfe nach
ein Ideal-Kopf“ vor Augen, d. h. ein zum Antikischen
hin idealisiertes Bildnis der Prinzessin. Aber schon „nach
dem ersten Visieren“ läßt Schadow die vorgefaßte Ab-
sicht fallen. In dem vielschichtigen und geheimnisvollen
Werdeprozeß eines Kunstwerkes kommt jetzt, im leib-
lichen Gegenüber, dem Bildhauer „ein courageuser Mo-
ment“. Jenes Fluidum vom Modell zum Künstler (und
vom Künstler zum Modell) kommt zum Schwingen, für
das die schaffende Tätigkeit des Auges und der Hand
nur die vom Bewußtsein diktierten Aktionen sind.
Schadows Auge registriert, daß die Prinzessin nicht die
vom antiken Schönheitsideal vorgeschriebene Profillinie
besitzt, und seine Hand gibt ihrer Kontur „mit einem
Zuge, durch Wegnahme eines Stücks Thon, die Profili-
rung der Natur“ (Text S. 27). Eine geringe Änderung,
gewiß! Doch wird an ihr deutlich, wie unbestechlich
Schadows künstlerisches Ingenium am Werke ist, und
warum das vollendete Bildnis — entgegen dem bewuß-
ten Vorhaben des Bildhauers — kein „Ideal-Kopf“ von
erwünscht antikischer Prägung wird. Das leicht zur Seite
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