wir Deutsche dahin kommen, Kunstwerke hervorzu-
bringen, in welchen man uns selbst sähe“. („Über einige
in den Propyläen abgedruckte Sätze Goethes, die Aus-
übung der Kunst in Berlin betreffend.“ Vgl. Julius Fried-
länder: Gottfried Schadow, Aufsätze und Briefe, S. 44 f.,
und Hans Mackowsky: Goethe und Schadow, in Zeit-
schrift für Kunstwissenschaft 1949, Seite 33 ff.)
DIE BÜSTE DER KRONPRINZESSIN
Nach der Prinzessin Friederike sitzt die Kronprinzes-
sin dem Bildhauer. Wie das Porträt der Schwester
modelliert Schadow die Büste in Ton. Das Original ist
nicht mehr nachzuweisen; nur frühe Abgüsse in Gips
haben die Zeitläufte überdauert (Abb. 3), sowie einige
Ausformungen in Pappmache, die — grau-rötlich ge-
tönt — auf den ersten Blick den Eindruck von Terra-
kotten machen (im Märkischen Museum, Berlin, und
beim Landgrafen von Hessen aus dem Besitz der Kai-
serin Friedrich).
Von den Büstenarbeiten der beiden Schwestern pflegt
das Bildnis der Kronprinzessin die Bewunderung der
Betrachter um einige Grade weniger zu erregen. Man
spricht davon, daß Luisens zurückhaltendere Natur die
künstlerischen Impulse Schadows weniger zur Entfal-
tung habe bringen können als die lieblichere Friederike.
Bisweilen auch sucht man Erklärung und Schuld in den
ablenkenden Begleitumständen, daß nämlich die Sitzun-
gen im Beisein des Gemahls und während der Audienzen
der kronprinzlichen Herrschaften stattgefunden haben
(Text S. 27). Man vergißt dabei, daß es gerade die Ab-
lenkungen sind, die ein Künstler meist sich erwünscht,
pflegt doch bei der Porträtsitzung in aufgelockertcr Um-
gebung das Modell freier und unbefangener sich zu ge-
ben als im konzentrierten Gegenüber mit dem beob-
achtend Schaffenden. Der erste Einwand aber geht, so
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bringen, in welchen man uns selbst sähe“. („Über einige
in den Propyläen abgedruckte Sätze Goethes, die Aus-
übung der Kunst in Berlin betreffend.“ Vgl. Julius Fried-
länder: Gottfried Schadow, Aufsätze und Briefe, S. 44 f.,
und Hans Mackowsky: Goethe und Schadow, in Zeit-
schrift für Kunstwissenschaft 1949, Seite 33 ff.)
DIE BÜSTE DER KRONPRINZESSIN
Nach der Prinzessin Friederike sitzt die Kronprinzes-
sin dem Bildhauer. Wie das Porträt der Schwester
modelliert Schadow die Büste in Ton. Das Original ist
nicht mehr nachzuweisen; nur frühe Abgüsse in Gips
haben die Zeitläufte überdauert (Abb. 3), sowie einige
Ausformungen in Pappmache, die — grau-rötlich ge-
tönt — auf den ersten Blick den Eindruck von Terra-
kotten machen (im Märkischen Museum, Berlin, und
beim Landgrafen von Hessen aus dem Besitz der Kai-
serin Friedrich).
Von den Büstenarbeiten der beiden Schwestern pflegt
das Bildnis der Kronprinzessin die Bewunderung der
Betrachter um einige Grade weniger zu erregen. Man
spricht davon, daß Luisens zurückhaltendere Natur die
künstlerischen Impulse Schadows weniger zur Entfal-
tung habe bringen können als die lieblichere Friederike.
Bisweilen auch sucht man Erklärung und Schuld in den
ablenkenden Begleitumständen, daß nämlich die Sitzun-
gen im Beisein des Gemahls und während der Audienzen
der kronprinzlichen Herrschaften stattgefunden haben
(Text S. 27). Man vergißt dabei, daß es gerade die Ab-
lenkungen sind, die ein Künstler meist sich erwünscht,
pflegt doch bei der Porträtsitzung in aufgelockertcr Um-
gebung das Modell freier und unbefangener sich zu ge-
ben als im konzentrierten Gegenüber mit dem beob-
achtend Schaffenden. Der erste Einwand aber geht, so
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