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Gramberg, Werner; Schadow, Gottfried [Ill.]
Johann Gottfried Schadow, die Gruppe der Prinzessinnen: Einführung — Werkmonographien zur bildenden Kunst in Reclams Universal-Bibliothek, Band 71: Stuttgart: Reclam, 1961

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https://doi.org/10.11588/diglit.63637#0013
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scheint uns, am Entscheidenden vorbei. Warum sollte
auch Schadows überall auf das Charakteristische gerich-
teter Kunstsinn und seine überall als bedeutend sich er-
weisende Begabung nicht in das mehr verschlossene We-
sen der Prinzeß Luise einzudringen vermögen? In Wahr-
heit erweist sich das, was man bemängelt, als das vom
Künstler Gewollte und nachdrücklich Betonte.
Die eine Büste ist ohne die andere nicht zu denken.
Läßt man zwischen den beiden Skulpturen den Blick
vergleidiend hinüber und herüber schweifen, so tritt
recht sehr ins Bewußtsein, wie andersartig die Büste der
Kronprinzessin konzipiert ist als das Bildnis der Jünge-
ren. Im künstlerischen Gegenspiel zum seitwärts ge-
neigten Kopf der Prinzessin Friederike ist die Kompo-
sition des Porträts der Kronprinzessin auf klare Front-
ansicht angelegt. Die Haltung des erhobenen Hauptes
wird betont durch die Vertikalachse, die vom Haar-
scheitel über den Nasenrücken bis in den steil herab-
hängenden Gewandzipfel läuft. Dieses strenge Gerüst
wird unterstützt und gleichzeitig gemildert durch die
symmetrisch die Vertikale umspielenden Bögen des
über die Stirn fallenden Haares, durch die auf die Schul-
tern ausschwingende Locke links und das fransengezierte
Shawlende rechts, sowie durch die beiden horizontal
geführten Faltenbogen des Gewandes, die die Kompo-
sition unten abschließend begrenzen. Der ein wenig zur
Seite gerichtete Blick Luisens und das schmale, von der
linken Schulter über die Brust gelegte Band verschleiern
dieses kunstvoll erdachte Schema, lassen es kaum ins
Bewußtsein des Betrachters gelangen und nehmen ihm so
jede theoretische Härte. Der fein gefältelte, unter dem
Kinn durchgezogene Shawl, der die Aufgabe hat, „eine
Schwellung zu decken, die am Halse entstanden war,
nachmals aber wieder verschwand“, ist ein Requisit,
dessen Notwendigkeit das Hoheitsvoll-Königliche, das
diesem Kunstwerk eignet, nicht zu mindern vermag;
vielmehr trägt es dazu bei, die würdevolle Haltung sei-
ner Trägerin noch zu steigern. Der Betrachter sieht sich
einer Frauengestalt gegenübergestellt, die sich voller
Ernst ihrer kommenden Aufgaben als Königin und Lan-

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