Die ganze Partie ist auf der hinteren Seite, die nach
meinem Plane zu sehen sein sollte; die Gruppe ist aber
an eine Wand gestellt worden und gerade gegenüber
zwei tiefherabgehenden Fenstern, folglich sehr schlecht
beleuchtet. Sie konnte an eine Seitenwand in guter Be-
leuchtung gestellt werden, es geschah aber nicht, um für
ein paar Kouverts an der Tafel Platz zu lassen.
S. 64
Weibliche Büsten sind eine der schwersten Aufgaben in
der Kunst; diese zu lösen, habe ich mir immer unglaub-
liche Mühe gegeben. Aehnlichkeit mit Anmut zu ver-
einigen, in einem Moment den Reiz zusammen zu fas-
sen, der im Leben durch das beseelte Bewegte, Mannich-
faltige unendlich vieler Momente liegt, erfordert ein
zartes Kunstgefühl und einen, möchte ich fast sagen, an
List grenzenden Beobachtungsgeist.
ZWEI BRIEFE DER MUTTER SCHADOWS
Nach Julius Friedländer: Gottfried Schadow, Aufsätze und
Briefe. 2. Aufl., Stuttgart 1890, S. 13 ff.
a) an Gottfried in Rom
Liebe Kinder, wie viel Freude mir Euer Briff gemacht, wie
sprachlos stum wir uns anstaunten und mit einem wiederhol-
ten: ach Gott ist das möglich, Gottfried eine Goldene Medallgc
[Preismedaille des Concorso di Balcstra der Accademia di San
Luca] — das hättet ihr sehen müssen, beschreiben kann ich es
nicht. Kurtz, wir feierten diesen Tag recht festlich und unsere
Freunde gingen [erst] nach Mitternacht zu Hause. Die Freude
lis mir nicht schlaffen, der Gedanclce diese Nachricht zu Dei-
nem baldigen Vortheil an gehörigen Ort anzubringen war mein
Hauptzweck. Vor das algemeine lis ich Selwino und Boy sor-
gen, ich ging den andern Tag zu H. Meil, ich wis ihm Deinen
Briff, versicherte Ihm das er der erste wäre dem ich diese Nach-
richt brächte, sein Stolz fand sich so geschmeichelt, und er war
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meinem Plane zu sehen sein sollte; die Gruppe ist aber
an eine Wand gestellt worden und gerade gegenüber
zwei tiefherabgehenden Fenstern, folglich sehr schlecht
beleuchtet. Sie konnte an eine Seitenwand in guter Be-
leuchtung gestellt werden, es geschah aber nicht, um für
ein paar Kouverts an der Tafel Platz zu lassen.
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Weibliche Büsten sind eine der schwersten Aufgaben in
der Kunst; diese zu lösen, habe ich mir immer unglaub-
liche Mühe gegeben. Aehnlichkeit mit Anmut zu ver-
einigen, in einem Moment den Reiz zusammen zu fas-
sen, der im Leben durch das beseelte Bewegte, Mannich-
faltige unendlich vieler Momente liegt, erfordert ein
zartes Kunstgefühl und einen, möchte ich fast sagen, an
List grenzenden Beobachtungsgeist.
ZWEI BRIEFE DER MUTTER SCHADOWS
Nach Julius Friedländer: Gottfried Schadow, Aufsätze und
Briefe. 2. Aufl., Stuttgart 1890, S. 13 ff.
a) an Gottfried in Rom
Liebe Kinder, wie viel Freude mir Euer Briff gemacht, wie
sprachlos stum wir uns anstaunten und mit einem wiederhol-
ten: ach Gott ist das möglich, Gottfried eine Goldene Medallgc
[Preismedaille des Concorso di Balcstra der Accademia di San
Luca] — das hättet ihr sehen müssen, beschreiben kann ich es
nicht. Kurtz, wir feierten diesen Tag recht festlich und unsere
Freunde gingen [erst] nach Mitternacht zu Hause. Die Freude
lis mir nicht schlaffen, der Gedanclce diese Nachricht zu Dei-
nem baldigen Vortheil an gehörigen Ort anzubringen war mein
Hauptzweck. Vor das algemeine lis ich Selwino und Boy sor-
gen, ich ging den andern Tag zu H. Meil, ich wis ihm Deinen
Briff, versicherte Ihm das er der erste wäre dem ich diese Nach-
richt brächte, sein Stolz fand sich so geschmeichelt, und er war
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