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Johanna's Leben von ihrer Jugendzeit bis zum neuesten Tage
haben wir vor Augen: in ihren Versen liegt ein Ersatz für
die bösesten Erfahrungen. Es sind Formeln, die Kohlen in
Gold verkehren. Wer möchte diese arme Bäuerin in ihrer
uns kaum begreiflichen Dürftigkeit arm nennen? Wir sind
die Armen, und sie beschenkt uns. Die Wunden, aus denen
ihr Blut floß, werden, wie Shakespeare sagt, zu Lippen, die
lieblichen Trost ihr zuflüstern. Lesen wir die Verse auf den
Tod eines gestorbenen Kindes, dem sie die Puppe und das
Büchelchen, die es am meisten liebte, mit in den Sarg legt;
so vollendet in ihrer Einfachheit, daß das Dichten selber sie
beruhigen mußte. So die Gedichte an ihre Tochter und den
Sohn, aus denen fast übermüthiges Glück quillt. Die Saiteu
des menschlichen Herzens schlägt die arbeitsharte Hand dieser
Frau an, daß es ist, als ob Feeenhände hineingriffen. Und
wie erklärt sich diese fast unbegreifliche literarische Besonnen-
heit? Lauter ausgewachsene, formvollendete Früchte, die sie
uns darreicht.
Versäumtes Glück.
Mir zog das Glück vorüber
Mit seiner vollen Fracht,
Ich sah sie weithin schimmern,
Die märchenhafte Pracht.
Der Fuhrmann wollte halten.
Mein Herze klopfte schwer.
Schon reckt' ich aus die Hände,
Da war die Stelle leer.
Ich sah ihn in der Ferns
Hinjagen wie der Wind; —
Nun sitze ich am Wege
Und weine mich fast blind.
Johanna's Leben von ihrer Jugendzeit bis zum neuesten Tage
haben wir vor Augen: in ihren Versen liegt ein Ersatz für
die bösesten Erfahrungen. Es sind Formeln, die Kohlen in
Gold verkehren. Wer möchte diese arme Bäuerin in ihrer
uns kaum begreiflichen Dürftigkeit arm nennen? Wir sind
die Armen, und sie beschenkt uns. Die Wunden, aus denen
ihr Blut floß, werden, wie Shakespeare sagt, zu Lippen, die
lieblichen Trost ihr zuflüstern. Lesen wir die Verse auf den
Tod eines gestorbenen Kindes, dem sie die Puppe und das
Büchelchen, die es am meisten liebte, mit in den Sarg legt;
so vollendet in ihrer Einfachheit, daß das Dichten selber sie
beruhigen mußte. So die Gedichte an ihre Tochter und den
Sohn, aus denen fast übermüthiges Glück quillt. Die Saiteu
des menschlichen Herzens schlägt die arbeitsharte Hand dieser
Frau an, daß es ist, als ob Feeenhände hineingriffen. Und
wie erklärt sich diese fast unbegreifliche literarische Besonnen-
heit? Lauter ausgewachsene, formvollendete Früchte, die sie
uns darreicht.
Versäumtes Glück.
Mir zog das Glück vorüber
Mit seiner vollen Fracht,
Ich sah sie weithin schimmern,
Die märchenhafte Pracht.
Der Fuhrmann wollte halten.
Mein Herze klopfte schwer.
Schon reckt' ich aus die Hände,
Da war die Stelle leer.
Ich sah ihn in der Ferns
Hinjagen wie der Wind; —
Nun sitze ich am Wege
Und weine mich fast blind.