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Grimm, Herman; Grimm, Herman [Editor]
Fragmente (Band 1,2) — Berlin, Stuttgart: Spemann, 1900

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https://doi.org/10.11588/diglit.47242#0111

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junges Holz, das der Frühling eben wieder bekleidete; von
flachem, klarem Wasser bespülte Ufer; ferne, fanfte Berge.
Dieses Buch scheiut in jeder Familie heimisch werden zu
wollen. Es liegt etwas Gütiges in flhm. Man glaubt es
als Kind schon gesehen zu haben und freut sich, ihm wieder
zu begegnen. Der darin wie leises Geläute waltende Märchen-
ton hat seinen Ursprung in Clemens Brentano's leidenschaft-
licher Erinnerung an die eigene Kinderzeit. In allen späteren
Jahren bleibt sie ihm treu. Wie in Beethoven's glänzenden
Orchesterströmen manchmal gleichsam Stille entsteht und ein
paar einfache Stimmen laut werden, die wie einsamer Flöten-
klang tönen, so dringt die Kinderstimme oder die der sorgenden
Mutter in Clemens Brentano's Phantasie hinein und fordert
ihre Noten. Dies Kindliche wußte Steinle anmuthig genug
zum Ausdruck zu bringen, Steinhaufen aber ist noch glück-
licher und unbefangener darin. Der Unterschied der beiden
Meister liegt darin, daß Steinle doch erst durch Clemens
Brentano zu den Anschauungen gelangte, die seine reiche, aus-
giebige, ja unerschöpfliche malerische Dichterkraft mit der des
Dichters, stets doch immer in dienender Stellung, verband;
während Steinhaufen, beeinflußt freilich, aber zugleich durch-
aus selbständig, in einem freieren Verhältnisse zum Dichter
steht. So auch hält er sich dem Lucasevangelium gegenüber,
bei jener offenen Tafel, zumeist an die eigene Phantasie. Zu
solcher Freiheit künstlerischer Exegese weder des Evangeliums
noch des deutschen Dichters, würde Steinle sich kaum hinauf-
gewagt haben. Steinle stand zu sehr innerhalb einer Partei,
und die anerkennende Kritik seiner Merke kam zu sehr von
dieser einen Seite. Bewunderungswürdig war freilich, wie
er innerhalb der von ihm selbst gezogenen Grenzen als er-
 
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