Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Grimm, Herman; Grimm, Herman [Hrsg.]
Fragmente (Band 1,2) — Berlin, Stuttgart: Spemann, 1900

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.47242#0132

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
456

Zeit eine besondere Rolle gespielt, noch haben die erhalten
gebliebenen Ueberbleibsel besondere Bedeutung. Man war ost
auf Ankäufe im Auslande oder auf Herbeiziehung fremder
Arbeit angewiesen. Unser Rokoko aber ist die Mode gewesen,
innerhalb deren Formen das äußerliche Dasein Friedrich des
Großen besangen war. Die Ausstellung in der Academie
liefert keine Neuigkeiten, die unsere Kenntniß des Phänomens
im Allgemeinen vergrößerten, aber er erinnert unausgesetzt an
die Tage Friedrich's. Der Besuch der Potsdamer Schlösser
hat das Publicum mit diesen Dingen längst vertraut gemacht.
Manche Kirchen, Häuser und Schlösser im Lande haben ihre
Rokokoornamentik unberührt beibehalten.
Gerade solche Besuche an Ort und Stelle werden etwas
aber gewähren, über das die Ausstellung in der Academie
uns hinwegbringt: das Gefühl, daß die Welt des Rokoko
vorüber und vergangen sei. Die unberührt gebliebenen Rokoko-
schlösser, Häuser und Kirchen erwecken auf die Länge ein selt-
sames Gefühl von Verstorbenheit und Abgethanheit in uns,
daß man die Fenster öffnen möchte, weil man Luft zu athmen
meint, die Gespenster vorgeathmet hätten. Denn in Aus-
stellungen sind wir die Herren: in der Umgebung so mächtigen
alten Hausrathes scheint dieser selbst mächtiger zu sein als
wir. Einzelne Rokokosachen lassen wir uns als zierliche histo-
rische Erinnerungszeichen gefallen, allerlei exquisite Stücke
Möbel, Porzellan, Schmuck oder Silberzeug: als herrschendes
Element bedrängt uns das Rokoko. Erschrecken würden wir,
wenn die Menschen wieder erschienen, für deren tägliche Exi-
stenz diese Dinge das Gehäuse bildeten. Man hätte, uni den
Effect unserer Ausstellung zu vervollständigen nicht nur ein
komplettes Zimmer rokokomäßig einrichten, sondern es vielleicht
 
Annotationen