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Grimm, Herman; Grimm, Herman [Editor]
Fragmente (Band 1,2) — Berlin, Stuttgart: Spemann, 1900

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https://doi.org/10.11588/diglit.47242#0133

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sogar mit sorgfältig hergestellten Bewohnern bevölkern können
(wie man dergleichen in Panoptiken hat). Das Puppenhafte
des Anblickes würde zum Verständniß des Phänomens bei-
tragen. Die Eingeschnürtheit der Bewohner der Rokokoepoche
macht zuweilen den Eindruck, als hätten eher Puppen als
Menschen damals gelebt, die als wohlgeregelte Kunstwerke
feinster Art ihren Lebensweg vollbrachten. Der Mangel an
innerer Selbstbestimmung bringt diesen Anschein hervor. So-
gar die Leidenschaften standen unter dem Banne wohlgeregelter
Künstlichkeit.
Goethe's Wertster zeigt den Untergang eines Menschen,
der sich der stagnireuden Tyrannei dieses Lebens nicht zu ent-
ziehen vermochte. Rousseau's revolutionirendes Auftreten war
dagegen gerichtet. Die Sturm- uud Draugperiode erfüllte
eiue wilde Begier nach frischer Luft. Alle diese Versuche
Einzelner, die Formen des Rokoko zu durchbrechen, hatten,
wenn diese Einzelnen auch in großer Zahl zu finden waren,
keinen Erfolg, weil ihnen die Leitung fehlte. Die Nothwen-
digkeit der französischen Revolution zeigt sich der Starrheit
des Rokoko gegenüber: das alte Wesen brach zusammen wie
umgestürzte Porzellanfiguren. Die Erschütterungen mußten
kommen, nach denen ganz andre Menschen aufwuchsen.
Unsere Ausstellung gewährt zur Repräsentation des Rokoko-
menschen eine Reihe von Portraits, unter denen die Pesne's
die erste Stelle einnehmen. Pesne's Thätigkeit fällt in Fried-
richs II. frühere Jahre, gleich der Knobelsdorff's. Diesen
Bildnissen gegenüber überschleicht uns das Gefühl, als habe
die herrschende Gesellschaft damals eine nie abbrechende Mas-
kerade gespielt. Die Hände bei Männern und Frauen bestehen
aus zartem Fleische mit rosigen Fingerspitzen. Alan meint,
 
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