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selbst die Pferde müßten damals mit dem vergoldeten Hafer
des Caligula gefüttert worden sein. Wir betrachten mit zwei-
felndem Wohlgefallen die sanft gepolsterten Wangen der alten
und jungen Herren und Damen, die Lippen mit süßnach-
schlürfender Beweglichkeit, die feuchten Blicke. Real und bei-
nahe trocken wirken dagegen die Portraits von der Hand Graff's,
der ein Deutscher war. Es hätten ihrer mehr sein müssen.
Mir scheint, auch von Chodowiecki's Rothsteinköpfen hätten
eine ganze Reihe ausgestellt sein sollen.
Fassen wir Pesne's, Graff's und Chodowiecki's vorzüg-
liche Portraits aber näher ins Auge: worin unterscheiden sie
sich von den besten Werken des 17. Jahrhunderts und unserer
eignen Zeit? Sie zeichnen und malen mit vollendeter Richtig-
keit. Sie wissen den Gestalten die leichten Neigungen der
Natur zu verleihen. Was haben sie mit der gezierten, por-
zellanenen Grazie der Dinge zu thun, mit denen zugleich ihre
Malereien hier aufgestellt sind?
Hier muß betont werden, daß das Rokoko, nach welchem
die Epoche kunsthistorisch getauft worden ist, in die die Thä-
tigkeit dieser Meister fällt, nur eine Mode -war, von der un-
beirrt die Arbeit ächter Künstler sich vollzog, die, hier und da
zuweilen genöthigt, dem Dienste des Rokoko sich anzubequemen,
doch an den Werken der besten Meister früherer Zeit sich ge-
bildet hatten. Ihre Arbeit und die des Rokoko bekämpften
sich nicht, sondern liefen neben einander her. In Deutschland,
Frankreich und Italien begegnen wir dieser Theilung des Ge-
schmackes. Boucher, ko psintro äos äölioos, beherrscht mit
seiner colossalen Produktivität das Pariser Publicum, anders
gesinnte Künstler aber erheben zu gleicher Zeit sich in Malerei,
Bildhauerei und Architektur zu reinen Formen, so daß der
selbst die Pferde müßten damals mit dem vergoldeten Hafer
des Caligula gefüttert worden sein. Wir betrachten mit zwei-
felndem Wohlgefallen die sanft gepolsterten Wangen der alten
und jungen Herren und Damen, die Lippen mit süßnach-
schlürfender Beweglichkeit, die feuchten Blicke. Real und bei-
nahe trocken wirken dagegen die Portraits von der Hand Graff's,
der ein Deutscher war. Es hätten ihrer mehr sein müssen.
Mir scheint, auch von Chodowiecki's Rothsteinköpfen hätten
eine ganze Reihe ausgestellt sein sollen.
Fassen wir Pesne's, Graff's und Chodowiecki's vorzüg-
liche Portraits aber näher ins Auge: worin unterscheiden sie
sich von den besten Werken des 17. Jahrhunderts und unserer
eignen Zeit? Sie zeichnen und malen mit vollendeter Richtig-
keit. Sie wissen den Gestalten die leichten Neigungen der
Natur zu verleihen. Was haben sie mit der gezierten, por-
zellanenen Grazie der Dinge zu thun, mit denen zugleich ihre
Malereien hier aufgestellt sind?
Hier muß betont werden, daß das Rokoko, nach welchem
die Epoche kunsthistorisch getauft worden ist, in die die Thä-
tigkeit dieser Meister fällt, nur eine Mode -war, von der un-
beirrt die Arbeit ächter Künstler sich vollzog, die, hier und da
zuweilen genöthigt, dem Dienste des Rokoko sich anzubequemen,
doch an den Werken der besten Meister früherer Zeit sich ge-
bildet hatten. Ihre Arbeit und die des Rokoko bekämpften
sich nicht, sondern liefen neben einander her. In Deutschland,
Frankreich und Italien begegnen wir dieser Theilung des Ge-
schmackes. Boucher, ko psintro äos äölioos, beherrscht mit
seiner colossalen Produktivität das Pariser Publicum, anders
gesinnte Künstler aber erheben zu gleicher Zeit sich in Malerei,
Bildhauerei und Architektur zu reinen Formen, so daß der