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Grimm, Herman; Grimm, Herman [Hrsg.]
Fragmente (Band 1,2) — Berlin, Stuttgart: Spemann, 1900

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https://doi.org/10.11588/diglit.47242#0141

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nisse mehr ständen. Er verlangte heroische Gewandung und
entblößtes Haupt. Zu Friedrich's Lebzeiten hätte man den
König in einer Statuette so darstellen können, wie er tag-
täglich ausritt: eine große Reiterstatue, die für Jahrhunderte
bestimmt war, hätte man auch da in ideale Gewänder gehüllt.
Auch für die Bildhauer gilt, was für die Maler des
vorigen Jahrhunderts gilt: daß sie an den besten Mustern
lernten. Bei der Herstellung colossaler Statuen besaßen sie
die Kunst, die großen Licht- und Schattenmassen zur Geltung
zu bringen. Das, was in Hinsicht auf Licht und Schatten
auch bei den Compositionen der Maler zur Vollendung eines
Kunstwerkes gefordert werden müßte, übersieht der rohe Plein-
airismus der herrschenden neuesten Kunst. Man studire auf
Menzel's Rokoko dagegen seine Kunst, mit Licht und Schatten
umzugehen, und erkenne, wie der bleibende Eindruck darauf
beruht, den seine Compositionen hervorbringen.
Auch das moderne Rokoko hat seine Zeit gehabt. In
der Literatur und auf der Bühne verschwand es zuerst wieder.
Mademoiselle de Belleisle, Ein Glas Wasser und Adrienne
Lecouvreur fesselten in meiner Jugend das Theaterpublicnm.
Diese Stücke finden kaum noch Darsteller. In Aufzählung
verschwundener Effectstücke dieser Art könnte ein langes Ka-
pitel geschrieben werden. Niemand heilte sieht im 18. Jahr-
hundert mehr die gute alte Zeit. Sie liegt für uns nicht
mehr in der Vergangenheit. Es ist die gute neue Zeit, die
wir erwarten. Nicht mehr aber auch diese im Sinne der
Ruhe, Bequemlichkeit, Behaglichkeit.
Die heute uns bewegenden Probleme haben mit dem
Rokoko, auch als bloßem Maskenkostüme, nichts mehr zu thun.
Das alte und das neue Rokoko sind abgenutzte Decorationen.
 
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