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Grimm, Herman; Grimm, Herman [Hrsg.]
Fragmente (Band 1,2) — Berlin, Stuttgart: Spemann, 1900

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https://doi.org/10.11588/diglit.47242#0196

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mer enthält einen Vortrag des Professors Eugen Guglia über
Goethe und die Kaiserin Ludowika von Oesterreich, in Form
und Inhalt zum Anmuthigsten gehörend, was in letzter Zeit
aus dem Kreise des Goethe'schen Daseins dargeboten worden
ist. Uns heute, die wir ja (wie die österreichische Politik
Metternichs und seiner Schule zumeist mitverschuldet hat) jetzt
unter dem eingebrochenen Uebermaße der von Politik erfüllten
Atmosphäre kaum noch Äthern holen, wird immer wieder nur
aus einzelnen Einblicken klar, welch ein Schatz deutschen
Wesens in Oesterreich liegt. Oesterreich und das „Reich"
waren einander fremd geworden. Für den Literarhistoriker
bildeten Grillparzer und Lenau und Anastasius Grün und,
wenn wir nach Italien blicken, soweit dort österreichischer Ein-
fluß einst waltete: Silvio Pellico und Leopardi einen Chor,
dessen leises Lied in eine Klage über Druck und Unterdrückung
ausklang. Heute aber ist das ausgelitteu und hat seine Zeit
gehabt. Wo ich Oesterreichern begegne, ergreift mich die ein-
gewurzelte Liebe zum Boden des besonderen Vaterlandes und
der Drang, sich in geistiger Gemeinschaft mit allen Deutschen
emporzuhalten. Sei nur eines dieser Männer diesmal ge-
dacht, Ignaz Zingerle's, in seinem alten Gufsidaun hausend.
Seinem unablässigen stillen Wirken verdankt die Waltherstatue
Natter's ihr Dasein. Den Männern unserer früheren Jahr-
hunderte glich er darin, daß er außerhalb des Bezirkes seiner
engsten Heimath kaum denkbar war. Eine Gestalt in ein-
fachen Umrissen aus Treue und Ehrlichkeit, wie aus Fels-
blöckeu aufgebaut. Eiu Tiroler, als ob seine Berge der
Nabel der Erde seien, ein Oesterreicher durch uud durch und
zugleich einer der besten und edelsten Deutschen. Und so ist
auch Natter ein guter Deutscher, Oesterreicher und Tiroler,
 
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