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alles gewesen. Im vorigen Jahre stand ich vor seiner Statue
und umging das Denkmal langsam, um es von allen Seiten
zu betrachten. Ein schönes Vorrecht freistehender Figuren,
daß man sie aus der Nähe und Ferne rund herum immer
von neuen Seiten kennen lernt. Keine bessere Luft ist denk-
bar als die Tirols für Marmorwerke. Sie bleiben rein, als
seien sie eben aufgestellt. Dann trat ich in ein Cafö am
Platze, nahm eine Zeitung in die Hand und las, daß Natter
plötzlich gestorben sei. Das Werk, das mir vor Augen stand,
war das eines Mannes, dessen kräftige Hand den Meißel nicht
mehr führen würde. Im letzten Herbste, als seine Hoferstalne
in Innsbruck feierlich enthüllt wurde, wurde das Fest zugleich
zu einer Erinnerungsfeier an ihn.
Von seiner Hoferstatue handelt die erste der kleinen Auf-
zeichnungen, die aus Natter's Nachlasse jetzt von seinem Freunde
Speidel herausgegeben worden sind*). Die anderen Stücke sind
Märchen nut Nutzanwendung, wie ein Vater sie für feine
Kinder erfindet, ungemein lebhaft erzählte, phantastisch anschau-
liche Geschichten, die, in ächtem romantischen Tone gehalten,
den Leser in kindlicher Neugier erhalten, welchen Ausgang
das Abenteuer nehmen werde. Jenes erste dagegen erzählt,
wie Natter, auf der Suche nach fruchtbarem Materiale für
Hofer's Denkmal, im Gebirge einen uralten Mann findet, der
als halbes Kind Hofer noch sah, dem er Briefe zu besorgen
hatte. Diesen fragt Natter aus nach Hofer's Statur, entdeckt
im Dorfe auch noch einige alte ächte Kleider des Sandwirths
von Passeier und in einem der Knechte, mit denen er zu Tische
*) Heinrich Natter, Kleine Schriften. Mit einem Vorworte
von Ludwig Speidel und einem Porträt Heinrich Natter's. Innsbruck,
Edlinger, 1893.
alles gewesen. Im vorigen Jahre stand ich vor seiner Statue
und umging das Denkmal langsam, um es von allen Seiten
zu betrachten. Ein schönes Vorrecht freistehender Figuren,
daß man sie aus der Nähe und Ferne rund herum immer
von neuen Seiten kennen lernt. Keine bessere Luft ist denk-
bar als die Tirols für Marmorwerke. Sie bleiben rein, als
seien sie eben aufgestellt. Dann trat ich in ein Cafö am
Platze, nahm eine Zeitung in die Hand und las, daß Natter
plötzlich gestorben sei. Das Werk, das mir vor Augen stand,
war das eines Mannes, dessen kräftige Hand den Meißel nicht
mehr führen würde. Im letzten Herbste, als seine Hoferstalne
in Innsbruck feierlich enthüllt wurde, wurde das Fest zugleich
zu einer Erinnerungsfeier an ihn.
Von seiner Hoferstatue handelt die erste der kleinen Auf-
zeichnungen, die aus Natter's Nachlasse jetzt von seinem Freunde
Speidel herausgegeben worden sind*). Die anderen Stücke sind
Märchen nut Nutzanwendung, wie ein Vater sie für feine
Kinder erfindet, ungemein lebhaft erzählte, phantastisch anschau-
liche Geschichten, die, in ächtem romantischen Tone gehalten,
den Leser in kindlicher Neugier erhalten, welchen Ausgang
das Abenteuer nehmen werde. Jenes erste dagegen erzählt,
wie Natter, auf der Suche nach fruchtbarem Materiale für
Hofer's Denkmal, im Gebirge einen uralten Mann findet, der
als halbes Kind Hofer noch sah, dem er Briefe zu besorgen
hatte. Diesen fragt Natter aus nach Hofer's Statur, entdeckt
im Dorfe auch noch einige alte ächte Kleider des Sandwirths
von Passeier und in einem der Knechte, mit denen er zu Tische
*) Heinrich Natter, Kleine Schriften. Mit einem Vorworte
von Ludwig Speidel und einem Porträt Heinrich Natter's. Innsbruck,
Edlinger, 1893.