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Grimm, Herman; Grimm, Herman [Editor]
Fragmente (Band 1,2) — Berlin, Stuttgart: Spemann, 1900

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https://doi.org/10.11588/diglit.47242#0201

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525

Böcklin nun schon seit Jahren. Eine Zeitlang schien das
vermittelnde Wort gefunden: er sei verrückt. Damit war
ein gewisser Grad von Anerkennung verträglich: ein Ver-
rückter kann ja, eben weil er es ist, ganz wunderbare Sachen
hervorbringen. Als nun aber eine gewisse Methode dieser
Verrücktheit sich herausstellte und für feine Gemälde immer
höhere Preise bezahlt wurden, so mußte Böcklin ernsthafter
construirt werden. Es ergab sich, daß er, was die Land-
schaft anlangt, feinen Darstellungen, meist italienischen Lebens,
den Anflug einer historisch-dichterischen, wehmuthvollen Stim-
mung so wahr und ergreifend zu verleihen im Stande sei
wie kein Anderer. Es stand ferner fest, daß die Einblicke,
die er in antikes Leben gewährte, die Wirklichkeit dieser ver-
gangenen Welt mit viel intimerer, überzeugenderer Treue
Wiedergaben als selbst die Werke Alma Tadema's, der die
Gefühlsarmuth der von ihm ins Leben zurückgezauberten
antiken Existenz leider ebenso kahl darstellt, als sie wohl vor-
handen war, und seinen Werken den unergründlichen Zauber
einer dichterisch schaffenden Individualität ebenso wenig zu
geben vermag, als irgend welcher chemische Neberzug ihn den
Photographien verleihen könnte. Es ergab sich weiter, daß
eine gewisse tolle Laune heidnischer Naturpersonification gleich-
falls der Besitz Böcklin's sei, der uns in den mythologischen
Fabelkreis bald abschreckender, bald lieblicher Ungeheuer so
sicher hineinversetzt, als wären diese Wunderwesen polizeilich
sestzustellende und irgendwo sicher anzutreffende Geschöpfe.
Zu Wasser und zu Lande sieht er sie; wohin er die Blicke
richtet, malt er sie ab und versetzt uns in ihre Mitte.
Neben diesen Fähigkeiten, die mehr oder weniger Böcklin
als den Meister im Reiche des Seltsamen zeigen, besitzt er
Herman Grimm, Fragments II. 1b
 
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