Einleitung
Die vorliegende Arbeit behandelt einen eng umgrenzten
Aspekt der Hochrenaissance. Wir wollen beschreiben, auf
welche Weise die Künstler damals die antike Architektur
untersucht und aufgemessen haben, und wollen darstel-
len, in welchen Etappen sich diese Studien entwickelten.
Das Studium der Antike, weniger deren Rezeption in der
Renaissancearchitektur, steht also im Mittelpunkt dieser
Arbeit. Wir konzentrieren uns auf Zeichnungen. Die
theoretischen Schriften und die Bauten der Zeit kommen
nur ergänzend zur Sprache.
Aus der Hochrenaissance sind zahlreiche Zeichnungen
antiker Architektur erhalten. Die reiche Fülle des Be-
standes ist an sich eine günstige Voraussetzung für unsere
Arbeit, aber sie schafft auch Probleme. Deshalb haben
wir uns noch weiter beschränkt als der Titel ausdrücklich
angibt: Die Arbeit strebt keineswegs an, die erhaltenen
Zeichnungen vollständig zu erfassen. Sie konzentriert
sich mehr auf solche Zeichnungen, die eine besondere
Stellung in der Entwicklung der Antikenstudien einneh-
men. Veduten und phantastische Darstellungen berühren
wir nur dann, wenn sie aus der sachlichen Auseinanderset-
zung mit antiker Architektur hervorgegangen sind. Die
Arbeit konzentriert sich auf die beiden ersten Zentren der
Hochrenaissance, Rom und Florenz. Aus Norditalien sind
zu wenig Architekturzeichnungen erhalten, um auch nur
einigermaßen zusammenhängend an ihnen verfolgen zu
können, in welchen Bahnen das Studium der Antike in
Mailand, Mantua, Venedig oder im Veneto verlaufen ist.
Hier sei auf die Literatur zu Mantegna, Sanmicheli, den
jungen Palladio und vor allem auf G. Schweikharts Arbei-
ten zu Falconetto verwiesen.
Zu verschiedenen Aspekten unseres Gebietes liegt um-
fangreiche Literatur vor. Am Ende des vorigen und zu
Anfang dieses Jahrhunderts sind zahlreiche Zeichnungen
antiker Architektur aus der Hochrenaissance katalogisiert
und veröffentlicht worden. Welche Bedeutung ihnen bei-
gemessen wurde, zeigen die intensiven Forschungen von
T. Ashby, A. Bartoli, H. Egger oder C. Huelsen, aber
auch der Aufwand, mit dem die Publikationen von Giu-
liano da Sangallos Barberinischem Skizzenbuch oder der
Uffizienzeichnungen ausgestattet sind. Eine neue Ausein-
andersetzung mit dem Gebiet hat W. Lötz mit seiner
Studie über das Raumbild in der Architekturzeichnung
der Renaissance eingeleitet. Lötz, B. Degenhart, G.
Schweikhart, H. Burns und andere, besonders auch T.
Buddensieg und neuerdings A. Nesselrath, haben ver-
schiedene Aspekte des Antikenstudiums in den Architek-
turzeichnungen der Renaissance untersucht. Das Studium
der Antike hat natürlich auch die Humanismusforschung
beschäftigt. Obgleich sie sich mehr den literarischen
Aspekten zuwendet, berührt sie mehrfach unser Thema.
R. Weiss hat aus der literarischen Perspektive einen höchst
nützlichen Überblick über „The Renaissance discovery of
classical antiquity" gegeben. Dennoch stehen die Huma-
nismusforscher vor vielen offenen Problemen. Vor allem
fehlt bisher eine hinlängliche Bearbeitung der Romführer
von Biondo bis Marliano. <-
Trotz der vielen vorliegenden Arbeiten und Ergebnisse
zu einzelnen Aspekten unseres Themas bleibt es immer
noch schwer, sich einen gewissen Uberblick über die
Zeichnungen antiker Architektur aus der Renaissance zu
verschaffen und nachzuvollziehen, in welchen Bahnen
die Studien liefen, deren Ergebnisse sie darstellen. Die
Schwierigkeit liegt einerseits darin, daß bisher nur ein
Teil des erhaltenen Bestandes publiziert und befriedigend
gesichtet ist; andererseits liegt sie wohl auch in der Mate-
rie selbst begründet, vor allem in der gegenüber der Figu-
renzeichnung größeren Abstraktheit der architektoni-
schen Aufnahme. Dadurch stellen sich besondere
Probleme.
Die Architekturzeichnungen lassen sich schwerer als
Figurenzeichnungen einer stilistischen Entwicklung un-
terordnen. Lötz hat zwar das Aufkommen neuer Projek-
tionsmethoden fixieren können1, aber frühere Arten der
Darstellung sind über lange Zeiträume beibehalten wor-
den. Noch Labacco oder Palladio zeichneten neben der
Orthogonalprojektion auch perspektivische Ansichten in
der Art des frühen 16. Jahrhunderts. Datierungen von
Architekturzeichnungen aus „stilistischen" Gründen
ohne andere Anhaltspunkte sind sehr unsicher. Hier wird
versucht, möglichst ohne sie auszukommen.
Selten lassen sich Architekturzeichnungen allein auf
Grund des Stils oder der Strichführung zuschreiben. Ei-
nen festen Anhalt liefern zumeist nur die Schriftzüge von
Notizen oder Kotierungen, manchmal auch andere Be-
sonderheiten. Auch die Schriftzüge bieten nicht immer
1 Lötz 1956.
Die vorliegende Arbeit behandelt einen eng umgrenzten
Aspekt der Hochrenaissance. Wir wollen beschreiben, auf
welche Weise die Künstler damals die antike Architektur
untersucht und aufgemessen haben, und wollen darstel-
len, in welchen Etappen sich diese Studien entwickelten.
Das Studium der Antike, weniger deren Rezeption in der
Renaissancearchitektur, steht also im Mittelpunkt dieser
Arbeit. Wir konzentrieren uns auf Zeichnungen. Die
theoretischen Schriften und die Bauten der Zeit kommen
nur ergänzend zur Sprache.
Aus der Hochrenaissance sind zahlreiche Zeichnungen
antiker Architektur erhalten. Die reiche Fülle des Be-
standes ist an sich eine günstige Voraussetzung für unsere
Arbeit, aber sie schafft auch Probleme. Deshalb haben
wir uns noch weiter beschränkt als der Titel ausdrücklich
angibt: Die Arbeit strebt keineswegs an, die erhaltenen
Zeichnungen vollständig zu erfassen. Sie konzentriert
sich mehr auf solche Zeichnungen, die eine besondere
Stellung in der Entwicklung der Antikenstudien einneh-
men. Veduten und phantastische Darstellungen berühren
wir nur dann, wenn sie aus der sachlichen Auseinanderset-
zung mit antiker Architektur hervorgegangen sind. Die
Arbeit konzentriert sich auf die beiden ersten Zentren der
Hochrenaissance, Rom und Florenz. Aus Norditalien sind
zu wenig Architekturzeichnungen erhalten, um auch nur
einigermaßen zusammenhängend an ihnen verfolgen zu
können, in welchen Bahnen das Studium der Antike in
Mailand, Mantua, Venedig oder im Veneto verlaufen ist.
Hier sei auf die Literatur zu Mantegna, Sanmicheli, den
jungen Palladio und vor allem auf G. Schweikharts Arbei-
ten zu Falconetto verwiesen.
Zu verschiedenen Aspekten unseres Gebietes liegt um-
fangreiche Literatur vor. Am Ende des vorigen und zu
Anfang dieses Jahrhunderts sind zahlreiche Zeichnungen
antiker Architektur aus der Hochrenaissance katalogisiert
und veröffentlicht worden. Welche Bedeutung ihnen bei-
gemessen wurde, zeigen die intensiven Forschungen von
T. Ashby, A. Bartoli, H. Egger oder C. Huelsen, aber
auch der Aufwand, mit dem die Publikationen von Giu-
liano da Sangallos Barberinischem Skizzenbuch oder der
Uffizienzeichnungen ausgestattet sind. Eine neue Ausein-
andersetzung mit dem Gebiet hat W. Lötz mit seiner
Studie über das Raumbild in der Architekturzeichnung
der Renaissance eingeleitet. Lötz, B. Degenhart, G.
Schweikhart, H. Burns und andere, besonders auch T.
Buddensieg und neuerdings A. Nesselrath, haben ver-
schiedene Aspekte des Antikenstudiums in den Architek-
turzeichnungen der Renaissance untersucht. Das Studium
der Antike hat natürlich auch die Humanismusforschung
beschäftigt. Obgleich sie sich mehr den literarischen
Aspekten zuwendet, berührt sie mehrfach unser Thema.
R. Weiss hat aus der literarischen Perspektive einen höchst
nützlichen Überblick über „The Renaissance discovery of
classical antiquity" gegeben. Dennoch stehen die Huma-
nismusforscher vor vielen offenen Problemen. Vor allem
fehlt bisher eine hinlängliche Bearbeitung der Romführer
von Biondo bis Marliano. <-
Trotz der vielen vorliegenden Arbeiten und Ergebnisse
zu einzelnen Aspekten unseres Themas bleibt es immer
noch schwer, sich einen gewissen Uberblick über die
Zeichnungen antiker Architektur aus der Renaissance zu
verschaffen und nachzuvollziehen, in welchen Bahnen
die Studien liefen, deren Ergebnisse sie darstellen. Die
Schwierigkeit liegt einerseits darin, daß bisher nur ein
Teil des erhaltenen Bestandes publiziert und befriedigend
gesichtet ist; andererseits liegt sie wohl auch in der Mate-
rie selbst begründet, vor allem in der gegenüber der Figu-
renzeichnung größeren Abstraktheit der architektoni-
schen Aufnahme. Dadurch stellen sich besondere
Probleme.
Die Architekturzeichnungen lassen sich schwerer als
Figurenzeichnungen einer stilistischen Entwicklung un-
terordnen. Lötz hat zwar das Aufkommen neuer Projek-
tionsmethoden fixieren können1, aber frühere Arten der
Darstellung sind über lange Zeiträume beibehalten wor-
den. Noch Labacco oder Palladio zeichneten neben der
Orthogonalprojektion auch perspektivische Ansichten in
der Art des frühen 16. Jahrhunderts. Datierungen von
Architekturzeichnungen aus „stilistischen" Gründen
ohne andere Anhaltspunkte sind sehr unsicher. Hier wird
versucht, möglichst ohne sie auszukommen.
Selten lassen sich Architekturzeichnungen allein auf
Grund des Stils oder der Strichführung zuschreiben. Ei-
nen festen Anhalt liefern zumeist nur die Schriftzüge von
Notizen oder Kotierungen, manchmal auch andere Be-
sonderheiten. Auch die Schriftzüge bieten nicht immer
1 Lötz 1956.