alberti
23
traktat konzipierte76, stellte sich den idealen Architekten
als den Uomo universale vor, der er selbst war. Es ist aus
der damaligen Situation in Florenz zu verstehen, wo das
Interesse an der Antike alle Kräfte zusammenführte, wenn
er die Forderung aufstellt: „Der Architekt soll bei seinen
Studien so vorgehen wie der Literat"77.
Wie der Literat alle Schriften seines Faches kennt und
verarbeitet, fordert Alberti, so soll sich der Architekt die
bestehenden Bauten zu eigen machen. Allerdings braucht
er nicht wie der Literat alle, sogar die schlechten Quellen
zu berücksichtigen, sondern wird auf die allgemein aner-
kannten verwiesen, also wohl antike und manche zeitge-
nössische Bauten, aber nicht gotische Kathedralen. Die
exemplarischen Werke, will Alberti, „wird er genau anse-
hen, ihre Gestalt und Maße festhalten und danach Zeich-
nungen anfertigen, die er für sich behält. Auf diese Weise
erkennt er die Anordnung, Verteilung, Arten und Maße
der einzelnen Glieder und prägt sie sich ein"78.
Alberti berichtet an anderer Stelle im Traktat von sich
selbst, daß er alle namhaften antiken Werke erforscht,
vermessen und in Zeichnungen gesammelt habe, um sie
zu verstehen und sich anzueignen79. Schon 1428 schreibt
er, wie schön es sei, sich überall Architektur anzusehen80.
Damals hatte er vielleicht noch nicht vorrangig daran
gedacht, die Kenntnisse, die er so erwarb, selbst in der
Baupraxis einzusetzen. Er betrieb die Studien, wie er
selbst sagt, um das Architekturtraktat vorzubereiten, also
als Literat.
An vielen Stellen im Traktat läßt sich beobachten, wie
Alberti seine Antikenstudien verwendet hat81. Nach anti-
ken Vorbildern, die er in Rom gesehen hat, legt er Bau-
typen fest; seine allgemeinen Angaben zu den Thermen
bilden weitgehend einfach eine Beschreibung der Diokle-
tiansthermen82. Die Ausführungen über die Triumphbö-
gen orientieren sich am Konstantinsbogen83. Zu manchen
76 Grayson 1960. Borsi, 316-358. Alberti 1966, p.LIIIs.
77 Alberti 1485, 173 v. Bums 1971, 286.
78 Alberti, loc. cit.
79 „Es gab nicht ein halbwegs bekanntes Werk der Antike, wo immer,
das ich nicht untersucht hätte, um etwas davon zu lernen. Also
unterließ ich es nirgends, alles zu durchwühlen, anzusehen, auszu-
messen, in zeichnerischen Aufnahmen (lineamentis picturae) zu
sammeln, um alles, was man Geist- und Kunstvolles geleistet hatte,
von Grund auf zu erfassen und kennenzulernen." Alberti 1485,
92 v. Ed. Theuer, 290.
80 Grayson 1960, 156 Anm.33.
81 R. Sfogliano Fallico, L'Alberti e l'antico nel „De re aedificato-
ria". In: Sant'Andrea di Mantova e L.B. Alberti. Atti del Convegno.
Mantua 1972. Mantua 1974, 157-170.
82 Alberti 1485, 156r-157v. Zur Beschreibung des mittleren Saales
als Atrium „cum cellis ex lineamento templi, quod esse Etruscum
diximus" vgl." Ed. Theuer, 464 Anm. 44.
83 De re aed. VIII 6. Ed. Theuer, 440s.
Ergebnissen seines Traktates ist Alberti durch Auswer-
tung seiner Vermessungsergebnisse gelangt. Immer wie-
der hat er Vitruvs Angaben und die antiken Ruinen mit-
einander verglichen. Auf diese Weise hat er sich eine
Vorstellung von unbekannten Bautypen oder Baugliedern
verschafft, die Vitruv beschreibt, konnte Vitruv so korri-
gieren und ergänzen84. An einer Stelle gesteht er sogar,
er habe von den Bauwerken der Alten „weit mehr gelernt
als von den Schriftstellern"85.
Auch später betrieb Alberti das Studium der antiken
Architektur. Pius II. berichtet, wie er im Mai 1463 mit
Alberti und Flavio Biondo in Albano das antike Theater
und eine antike Zisterne erforschte86. Alberti spürte die
Ruinen zwischen Gestrüpp und Dornen auf. Bernardo
Rucellai überliefert, daß Alberti ihn zusammen mit Lo-
renzo il Magnifico und Donato Acciaioli im Jahr 1471
durch das antike Rom führte87. Derartige Führungen von
Staatsbesuchen der Kurie (die Florentiner erschienen als
Oboedienzgesandtschaft in Rom) hatten Tradition: Ciria-
co von Ancona zeigte 1433 Kaiser Sigismund „oft" die
antiken Ruinen, wobei der Monarch in die alte Klage über
die Verbrennung der Altertümer zu Kalk einstimmte88.
Kaiser Friedrich III. teilte bei seinem Romaufenthalt 1469
die freie Zeit in Kirchgänge und Besichtigungen antiker
Ruinen89. Neu war jedoch die archäologische Gründlich-
keit, die Alberti und seine florentiner Gäste leitete. Alber-
ti wies die Gäste auf die Inschriften hin, erklärte ihnen an
der Cestiuspyramide die Maße und Bautechniken und
rekonstruierte 'ihnen die ursprüngliche Erscheinung der
Bauten; z. B. wies er sie daraufhin, daß die antiken Ziegel-
mauern ursprünglich nicht nackt dastanden, sondern
reich inkrustiert waren, also so wie die florentiner Bauten
der Romanik. Mehrfach bemerkt Bernardo, daß sie die
Werke, die sie besichtigten, auch zeichneten, unter ande-
84 R. Krautheimer, Alberti and Vitruvius. In: Studies in Western Art.
Acts of the 20th Internat. Congress of the History of Art. Princeton
1963 II, 42-52. Korrigierend für S. Andrea: Johnson 1975. Bei-
spiele für Korrekturen nach antiken Bauten: De re aed. VII 5.
Ed. 1485, 117r. Theuer, 359 s. Vergleiche antiker Bauwerke und
Vitruv: De re aed. I 8, VI 8 (6) (Stadtmauern, Streben).
85 De re aed. III 16. Ed. Theuer, 168.
86 Commentarii XI 306. Ed. Bernetti IV, 308 s, 312.
87 Vgl. Kap. III, Anm. 65.
88 „Saepe tanto cum principe vetustatum reliquias undique per urbem disjectas
inspectamus". Ciriaco d'Ancona, Itinerarium. Cod. Vat. Ottobon.
lat. 2967, 17v-18r. Ed. L. Mehus, Florenz 1742, 21s. F. Pall,
Ciriaco d'Ancona e la crociata contro i Turchi. In: Academie Ro-
maine. Bulletin de la Section Historique XX, 1938, 16.
89 „Caesar sacras aedes urbis et devotissima sanctorum sacella cuius reigratia
Romam venerat summa pietate visitavit viditque etiam diligenterpriscorum
urbis aedificiorum ruinas". Agostino Patricius, Historia adventus
Romam Friderici III imperatoris augusti tempore Pauli II Pont.
Max. Rom, Bibl. Vallicelliana, Cod. F 73, 16v.
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traktat konzipierte76, stellte sich den idealen Architekten
als den Uomo universale vor, der er selbst war. Es ist aus
der damaligen Situation in Florenz zu verstehen, wo das
Interesse an der Antike alle Kräfte zusammenführte, wenn
er die Forderung aufstellt: „Der Architekt soll bei seinen
Studien so vorgehen wie der Literat"77.
Wie der Literat alle Schriften seines Faches kennt und
verarbeitet, fordert Alberti, so soll sich der Architekt die
bestehenden Bauten zu eigen machen. Allerdings braucht
er nicht wie der Literat alle, sogar die schlechten Quellen
zu berücksichtigen, sondern wird auf die allgemein aner-
kannten verwiesen, also wohl antike und manche zeitge-
nössische Bauten, aber nicht gotische Kathedralen. Die
exemplarischen Werke, will Alberti, „wird er genau anse-
hen, ihre Gestalt und Maße festhalten und danach Zeich-
nungen anfertigen, die er für sich behält. Auf diese Weise
erkennt er die Anordnung, Verteilung, Arten und Maße
der einzelnen Glieder und prägt sie sich ein"78.
Alberti berichtet an anderer Stelle im Traktat von sich
selbst, daß er alle namhaften antiken Werke erforscht,
vermessen und in Zeichnungen gesammelt habe, um sie
zu verstehen und sich anzueignen79. Schon 1428 schreibt
er, wie schön es sei, sich überall Architektur anzusehen80.
Damals hatte er vielleicht noch nicht vorrangig daran
gedacht, die Kenntnisse, die er so erwarb, selbst in der
Baupraxis einzusetzen. Er betrieb die Studien, wie er
selbst sagt, um das Architekturtraktat vorzubereiten, also
als Literat.
An vielen Stellen im Traktat läßt sich beobachten, wie
Alberti seine Antikenstudien verwendet hat81. Nach anti-
ken Vorbildern, die er in Rom gesehen hat, legt er Bau-
typen fest; seine allgemeinen Angaben zu den Thermen
bilden weitgehend einfach eine Beschreibung der Diokle-
tiansthermen82. Die Ausführungen über die Triumphbö-
gen orientieren sich am Konstantinsbogen83. Zu manchen
76 Grayson 1960. Borsi, 316-358. Alberti 1966, p.LIIIs.
77 Alberti 1485, 173 v. Bums 1971, 286.
78 Alberti, loc. cit.
79 „Es gab nicht ein halbwegs bekanntes Werk der Antike, wo immer,
das ich nicht untersucht hätte, um etwas davon zu lernen. Also
unterließ ich es nirgends, alles zu durchwühlen, anzusehen, auszu-
messen, in zeichnerischen Aufnahmen (lineamentis picturae) zu
sammeln, um alles, was man Geist- und Kunstvolles geleistet hatte,
von Grund auf zu erfassen und kennenzulernen." Alberti 1485,
92 v. Ed. Theuer, 290.
80 Grayson 1960, 156 Anm.33.
81 R. Sfogliano Fallico, L'Alberti e l'antico nel „De re aedificato-
ria". In: Sant'Andrea di Mantova e L.B. Alberti. Atti del Convegno.
Mantua 1972. Mantua 1974, 157-170.
82 Alberti 1485, 156r-157v. Zur Beschreibung des mittleren Saales
als Atrium „cum cellis ex lineamento templi, quod esse Etruscum
diximus" vgl." Ed. Theuer, 464 Anm. 44.
83 De re aed. VIII 6. Ed. Theuer, 440s.
Ergebnissen seines Traktates ist Alberti durch Auswer-
tung seiner Vermessungsergebnisse gelangt. Immer wie-
der hat er Vitruvs Angaben und die antiken Ruinen mit-
einander verglichen. Auf diese Weise hat er sich eine
Vorstellung von unbekannten Bautypen oder Baugliedern
verschafft, die Vitruv beschreibt, konnte Vitruv so korri-
gieren und ergänzen84. An einer Stelle gesteht er sogar,
er habe von den Bauwerken der Alten „weit mehr gelernt
als von den Schriftstellern"85.
Auch später betrieb Alberti das Studium der antiken
Architektur. Pius II. berichtet, wie er im Mai 1463 mit
Alberti und Flavio Biondo in Albano das antike Theater
und eine antike Zisterne erforschte86. Alberti spürte die
Ruinen zwischen Gestrüpp und Dornen auf. Bernardo
Rucellai überliefert, daß Alberti ihn zusammen mit Lo-
renzo il Magnifico und Donato Acciaioli im Jahr 1471
durch das antike Rom führte87. Derartige Führungen von
Staatsbesuchen der Kurie (die Florentiner erschienen als
Oboedienzgesandtschaft in Rom) hatten Tradition: Ciria-
co von Ancona zeigte 1433 Kaiser Sigismund „oft" die
antiken Ruinen, wobei der Monarch in die alte Klage über
die Verbrennung der Altertümer zu Kalk einstimmte88.
Kaiser Friedrich III. teilte bei seinem Romaufenthalt 1469
die freie Zeit in Kirchgänge und Besichtigungen antiker
Ruinen89. Neu war jedoch die archäologische Gründlich-
keit, die Alberti und seine florentiner Gäste leitete. Alber-
ti wies die Gäste auf die Inschriften hin, erklärte ihnen an
der Cestiuspyramide die Maße und Bautechniken und
rekonstruierte 'ihnen die ursprüngliche Erscheinung der
Bauten; z. B. wies er sie daraufhin, daß die antiken Ziegel-
mauern ursprünglich nicht nackt dastanden, sondern
reich inkrustiert waren, also so wie die florentiner Bauten
der Romanik. Mehrfach bemerkt Bernardo, daß sie die
Werke, die sie besichtigten, auch zeichneten, unter ande-
84 R. Krautheimer, Alberti and Vitruvius. In: Studies in Western Art.
Acts of the 20th Internat. Congress of the History of Art. Princeton
1963 II, 42-52. Korrigierend für S. Andrea: Johnson 1975. Bei-
spiele für Korrekturen nach antiken Bauten: De re aed. VII 5.
Ed. 1485, 117r. Theuer, 359 s. Vergleiche antiker Bauwerke und
Vitruv: De re aed. I 8, VI 8 (6) (Stadtmauern, Streben).
85 De re aed. III 16. Ed. Theuer, 168.
86 Commentarii XI 306. Ed. Bernetti IV, 308 s, 312.
87 Vgl. Kap. III, Anm. 65.
88 „Saepe tanto cum principe vetustatum reliquias undique per urbem disjectas
inspectamus". Ciriaco d'Ancona, Itinerarium. Cod. Vat. Ottobon.
lat. 2967, 17v-18r. Ed. L. Mehus, Florenz 1742, 21s. F. Pall,
Ciriaco d'Ancona e la crociata contro i Turchi. In: Academie Ro-
maine. Bulletin de la Section Historique XX, 1938, 16.
89 „Caesar sacras aedes urbis et devotissima sanctorum sacella cuius reigratia
Romam venerat summa pietate visitavit viditque etiam diligenterpriscorum
urbis aedificiorum ruinas". Agostino Patricius, Historia adventus
Romam Friderici III imperatoris augusti tempore Pauli II Pont.
Max. Rom, Bibl. Vallicelliana, Cod. F 73, 16v.