kranzgesims des palazzo strozzi
67
Einsatz versucht er wenigstens Bramantes historische Lei-
stung gegenüber derjenigen Brunelleschis abzuschwä-
chen, nachdem er im Rahmen seiner Konzeption nicht
umhinkommt, den Werken des Umbriers den höheren
Rang einzuräumen5! Seine Absicht war vielmehr, die ge-
ringere Bedeutung der Antikenstudien Giulianos gegen-
über Cronaca abzusetzen. Das Werk Giuliano da Sangal-
los nimmt nach Vasaris Urteil seinerzeit den bedeutend-
sten künstlerischen Rang in Florenz ein. Aber dem
Cronaca mißt er die größere historische Bedeutung im
Rahmen der vertieften Rückbesinnung auf die Antike zu,
die den Auftakt zur Hochrenaissance bildet. Er ist der
direkte Vorläufer Bramantes.
Das Werk des Simone del Pollaiuolo mit dem Beinamen
„il Cronaca" ist geprägt durch einen langen Romaufent-
halt am Anfang seiner Laufbahn und durch ein intensives
Studium der antiken Architektur dort. Nach Vasari flieht
Simone wegen einiger Unannehmlichkeiten schon als
„giovanetto" aus Florenz und wendet sich nach Rom. Er
kommt in der Werkstatt des Antonio del Pollaiuolo unter,
als sie gerade die Papstgrabmäler in Arbeit hatte. Die
Zeugnisse der Antike in der Ewigen Stadt beeindrucken
den jungen Mann, er interessiert sich zunehmend für sie
und vermißt sie mit großer Sorgfalt. Dies Studium bringt
auf die Dauer auch seiner eigenen künstlerischen Arbeit
Gewinn. Deshalb kehrt er schließlich nach Hause zurück.
Mit der gründlichen Antikenkenntnis, die er sich erwor-
ben hatte, und dem klugen Urteil, das er darauf gründet,
übertrifft er viele ältere Baumeister. So macht er sich einen
Namen und alsbald gilt er als der größte Architekt von
Florenz. Dieselbe Antikenkenntnis soll es auch gewesen
sein, der Simone seinen Beinamen verdankte. Er berich-
tete über die Antiken Roms und an anderen Orten, wie
es wörtlich heißt, mit solcher Akkuratesse, daß man ihn
fortan „il Cronaca" nannte, denn allgemein wirkte er wie
eine wahre Chronik der Dinge, die er darlegte6.
5 Op.cit. IV, 145.
6 „Di costui si racconata, che mentre Antonio Pollaiuolo era in
Roma a lavorare le sepolture di bronzo che sono in San Pietro, gli
capitö a casa un giovanetto suo parente, chiamato per proprio nome
Simone, fuggitosi da Fiorenza per alcune quistioni: il quäle avendo
molta inclinazione all'arte dell'architettura per essere stato con un
maestro di legname, cominciö a considerare le bellissime anticaglie
di quella cittä, e dilettandosene le andava misurando con grandis-
sima diligenzia. Laonde seguitando, non molto poi che fu stato a
Roma, dimoströ avere fatto molto profitto si nelle misure, e si nel
mettere in opera alcuna cosa. Per il che fatto pensiero di tornarsene
a Firenze, si parti di Roma, ed arrivato alla patria, per essere
divenuto assai buon ragionatore, contava le maraviglie di Roma e
d'altri luoghi con tanta accuratezza, che fu nominato da indi in
poi il Cronaca: parendo veramente a ciascuno che egli fusse una
cronaca di cose nel suo ragionamento. Era dunque costui fattosi
Unter dem gleichen Vorzeichen, unter dem seine Anti-
kenstudien gestanden hatten, schuf Cronaca auch sein
erstes bedeutendes Werk, das Kranzgesims des Pal.
Strozzi. In auffallender Breite läßt sich Vasari darüber aus.
Er stellt heraus, daß es nach einem Gebälk des Trajans-
forums gestaltet ist, das Cronaca in Rom aufgenommen
hatte7. Verschiedene Veduten der Renaissance zeigen, daß
es malerisch an einem Gemäuer lag, das als Spogliacristi
bekannt war8. Im Unterschied zu Brunelleschis Art der
selektiven Antikenrezeption hielt sich Cronaca also an ein
konkretes antikes Vorbild, ohne dessen Gestalt stark zu
verändern. Im Unterschied zu einem ausgefallenen ioni-
schen Kapitell, das Giuliano da Sangallo nach Vasari im
Atrium von S. Maria Maddalena dei Pazzi nachahmte,
wählte er ein hochberühmtes klassisches Muster und be-
nutzte es nicht nur für ein Detail, sondern für ein ganzes
beherrschendes Bauglied. Vasari ergreift hier die Gelegen-
heit zu einer Grundsatzerklärung. Er lobt besonders die
Sicherheit und Geschicklichkeit, mit der Cronaca das
fremde Vorbild adaptierte und stellt ihm als negatives
Beispiel das Gebälk des Pal. Bartolini9 gegenüber, das
Baccio d'Agnolo eine Generation später vom Serapeum
am Quirinal übernahm: Der direkte Rückgriff auf die
Antike ist, wie Baccios Mißgriff lehrt, keineswegs einfach,
auch wenn dabei nur einige Maßverhältnisse leicht verän-
dert werden10. Am Kranzgesims des Pal. Strozzi gelang
tale, ch'e' fu ne' moderni tenuto il piü eccellente architettore che
fusse nella cittä di Fiorenza, per avere nel discernere i luoghi
giudizio, e per mostrare che era con lo ingegno piü elevato che
molti altri che attendevano a quel mestiero: conoscendosi per le
opere sue quanto egli fussi buono imitatore delle cose antiche, e
quanto egli osservasse le regole di Vitruvio e le opere di Filippo
di Ser Brunellesco". Op.cit. IV, 442s.
7 „Questa cornice fu ritratta dal Cronaca e tolta e misurata a punto
in Roma da una antica che si truova a Spogliacristo; la quäle fra
molte che ne sono in quella cittä e tenuta bellissima. Bene e vero
ch'ella fu dal Cronaca ringrandita a proporzione del palazzo, accid
facesse proporzionato fine, ed anche col suo aggetto, tetto a quel
palazzo; e cosi l'ingegno del Cronaca seppe servirsi delle cose
d'altri e farle quasi diventar sue: il che non riesce a molti; perche
il fatto sta non in aver solamente ritratti e disegni di cose belle,
ma in saperle accommodare secondo che e quello a che hanno a
servire, con grazia, misura, proporzione e convenienza". Op. cit.
IV, 444.
8 Vgl. die Zeichnungen in: Florenz, Biblioteca Naz., Ms. II—1—429,
50v; Cod. Escurialensis 28-11-12, 46r (Ed. Egger 1902, 119s.);
UA 1669 (Bartoli, fig. 543); Anh. IV B, 5r. Das Gebälk, das
Fabriczy, Hdz.-Verz., 32, und Huelsen 1910, 18 zu lOr-m, auf
Vasaris Bericht beziehen, weist keine Ähnlichkeit mit dem Kranz-
gesims des Pal. Strozzi auf.
9 Begonnen 1520, Fassade vollendet 1522. L. Bartolini Salimbeni,
Una „fabbrica" fiorentina di Baccio d'Agnolo. Le vicende costrut-
tive del Palazzo Bartolini Salimbeni attraverso i documenti d'archi-
vio. In: Patladio, XXVII, 1978, fasc. 2, 7-28.
10 „Non basta agli artefici, come molti dicono, fatto ch'egli hanno
l'opere, scusarsi con dire: Elle sono misurate a punto dall'antico
67
Einsatz versucht er wenigstens Bramantes historische Lei-
stung gegenüber derjenigen Brunelleschis abzuschwä-
chen, nachdem er im Rahmen seiner Konzeption nicht
umhinkommt, den Werken des Umbriers den höheren
Rang einzuräumen5! Seine Absicht war vielmehr, die ge-
ringere Bedeutung der Antikenstudien Giulianos gegen-
über Cronaca abzusetzen. Das Werk Giuliano da Sangal-
los nimmt nach Vasaris Urteil seinerzeit den bedeutend-
sten künstlerischen Rang in Florenz ein. Aber dem
Cronaca mißt er die größere historische Bedeutung im
Rahmen der vertieften Rückbesinnung auf die Antike zu,
die den Auftakt zur Hochrenaissance bildet. Er ist der
direkte Vorläufer Bramantes.
Das Werk des Simone del Pollaiuolo mit dem Beinamen
„il Cronaca" ist geprägt durch einen langen Romaufent-
halt am Anfang seiner Laufbahn und durch ein intensives
Studium der antiken Architektur dort. Nach Vasari flieht
Simone wegen einiger Unannehmlichkeiten schon als
„giovanetto" aus Florenz und wendet sich nach Rom. Er
kommt in der Werkstatt des Antonio del Pollaiuolo unter,
als sie gerade die Papstgrabmäler in Arbeit hatte. Die
Zeugnisse der Antike in der Ewigen Stadt beeindrucken
den jungen Mann, er interessiert sich zunehmend für sie
und vermißt sie mit großer Sorgfalt. Dies Studium bringt
auf die Dauer auch seiner eigenen künstlerischen Arbeit
Gewinn. Deshalb kehrt er schließlich nach Hause zurück.
Mit der gründlichen Antikenkenntnis, die er sich erwor-
ben hatte, und dem klugen Urteil, das er darauf gründet,
übertrifft er viele ältere Baumeister. So macht er sich einen
Namen und alsbald gilt er als der größte Architekt von
Florenz. Dieselbe Antikenkenntnis soll es auch gewesen
sein, der Simone seinen Beinamen verdankte. Er berich-
tete über die Antiken Roms und an anderen Orten, wie
es wörtlich heißt, mit solcher Akkuratesse, daß man ihn
fortan „il Cronaca" nannte, denn allgemein wirkte er wie
eine wahre Chronik der Dinge, die er darlegte6.
5 Op.cit. IV, 145.
6 „Di costui si racconata, che mentre Antonio Pollaiuolo era in
Roma a lavorare le sepolture di bronzo che sono in San Pietro, gli
capitö a casa un giovanetto suo parente, chiamato per proprio nome
Simone, fuggitosi da Fiorenza per alcune quistioni: il quäle avendo
molta inclinazione all'arte dell'architettura per essere stato con un
maestro di legname, cominciö a considerare le bellissime anticaglie
di quella cittä, e dilettandosene le andava misurando con grandis-
sima diligenzia. Laonde seguitando, non molto poi che fu stato a
Roma, dimoströ avere fatto molto profitto si nelle misure, e si nel
mettere in opera alcuna cosa. Per il che fatto pensiero di tornarsene
a Firenze, si parti di Roma, ed arrivato alla patria, per essere
divenuto assai buon ragionatore, contava le maraviglie di Roma e
d'altri luoghi con tanta accuratezza, che fu nominato da indi in
poi il Cronaca: parendo veramente a ciascuno che egli fusse una
cronaca di cose nel suo ragionamento. Era dunque costui fattosi
Unter dem gleichen Vorzeichen, unter dem seine Anti-
kenstudien gestanden hatten, schuf Cronaca auch sein
erstes bedeutendes Werk, das Kranzgesims des Pal.
Strozzi. In auffallender Breite läßt sich Vasari darüber aus.
Er stellt heraus, daß es nach einem Gebälk des Trajans-
forums gestaltet ist, das Cronaca in Rom aufgenommen
hatte7. Verschiedene Veduten der Renaissance zeigen, daß
es malerisch an einem Gemäuer lag, das als Spogliacristi
bekannt war8. Im Unterschied zu Brunelleschis Art der
selektiven Antikenrezeption hielt sich Cronaca also an ein
konkretes antikes Vorbild, ohne dessen Gestalt stark zu
verändern. Im Unterschied zu einem ausgefallenen ioni-
schen Kapitell, das Giuliano da Sangallo nach Vasari im
Atrium von S. Maria Maddalena dei Pazzi nachahmte,
wählte er ein hochberühmtes klassisches Muster und be-
nutzte es nicht nur für ein Detail, sondern für ein ganzes
beherrschendes Bauglied. Vasari ergreift hier die Gelegen-
heit zu einer Grundsatzerklärung. Er lobt besonders die
Sicherheit und Geschicklichkeit, mit der Cronaca das
fremde Vorbild adaptierte und stellt ihm als negatives
Beispiel das Gebälk des Pal. Bartolini9 gegenüber, das
Baccio d'Agnolo eine Generation später vom Serapeum
am Quirinal übernahm: Der direkte Rückgriff auf die
Antike ist, wie Baccios Mißgriff lehrt, keineswegs einfach,
auch wenn dabei nur einige Maßverhältnisse leicht verän-
dert werden10. Am Kranzgesims des Pal. Strozzi gelang
tale, ch'e' fu ne' moderni tenuto il piü eccellente architettore che
fusse nella cittä di Fiorenza, per avere nel discernere i luoghi
giudizio, e per mostrare che era con lo ingegno piü elevato che
molti altri che attendevano a quel mestiero: conoscendosi per le
opere sue quanto egli fussi buono imitatore delle cose antiche, e
quanto egli osservasse le regole di Vitruvio e le opere di Filippo
di Ser Brunellesco". Op.cit. IV, 442s.
7 „Questa cornice fu ritratta dal Cronaca e tolta e misurata a punto
in Roma da una antica che si truova a Spogliacristo; la quäle fra
molte che ne sono in quella cittä e tenuta bellissima. Bene e vero
ch'ella fu dal Cronaca ringrandita a proporzione del palazzo, accid
facesse proporzionato fine, ed anche col suo aggetto, tetto a quel
palazzo; e cosi l'ingegno del Cronaca seppe servirsi delle cose
d'altri e farle quasi diventar sue: il che non riesce a molti; perche
il fatto sta non in aver solamente ritratti e disegni di cose belle,
ma in saperle accommodare secondo che e quello a che hanno a
servire, con grazia, misura, proporzione e convenienza". Op. cit.
IV, 444.
8 Vgl. die Zeichnungen in: Florenz, Biblioteca Naz., Ms. II—1—429,
50v; Cod. Escurialensis 28-11-12, 46r (Ed. Egger 1902, 119s.);
UA 1669 (Bartoli, fig. 543); Anh. IV B, 5r. Das Gebälk, das
Fabriczy, Hdz.-Verz., 32, und Huelsen 1910, 18 zu lOr-m, auf
Vasaris Bericht beziehen, weist keine Ähnlichkeit mit dem Kranz-
gesims des Pal. Strozzi auf.
9 Begonnen 1520, Fassade vollendet 1522. L. Bartolini Salimbeni,
Una „fabbrica" fiorentina di Baccio d'Agnolo. Le vicende costrut-
tive del Palazzo Bartolini Salimbeni attraverso i documenti d'archi-
vio. In: Patladio, XXVII, 1978, fasc. 2, 7-28.
10 „Non basta agli artefici, come molti dicono, fatto ch'egli hanno
l'opere, scusarsi con dire: Elle sono misurate a punto dall'antico