I. Vorwort und Einleitung
Anspruchsvolle Bauten sind ein wesentlicher
Teil öffentlicher und privater Repräsentation.
Sie stehen im Rampenlicht des gesellschaft-
lichen Lebens. Mit ihnen stellen sich Staaten,
Institutionen oder prominente Persönlichkei-
ten dar. Der intellektuelle Gesichtskreis derje-
nigen, die am Baubetrieb beteiligt sind, kommt
zum Ausdruck. Man denke nur an die Olympia-
Bauten in Peking oder das World Trade Center
in New York. In der Renaissance war es eben-
so wie heute. Schon daher lässt sich die Fra-
ge, die im Titel des vorliegenden Buchs gestellt
ist, kaum mit dem Blick auf Architektur allein
beantworten. Das historische Umfeld gehört
dazu. Die Kultur der Renaissance bildete den
Nährboden für die Entwicklung der typischen
Architektur der Epoche. Die Villeggiatura, das
Villenleben, ist ein klassisches Beispiel dafür.
Auf Grund solcher Überlegungen setzt meine
Antwort auf die Frage, was Renaissance-Ar-
chitektur sei, nicht bei spezifischen Elementen
der Gattung an, sondern geht von den Kriteri-
en aus, mit denen Historiker gewöhnlich die
Renaissance im Ganzen charakterisieren. Die
generellen Merkmale der Epoche bilden dann
die Basis für die Charakteristik ihrer Architek-
tur. Die gemeinsame geistige Grundlage liefert
die Richtlinien für die Beurteilung der spezifi-
schen Phänomene.
Einen günstigen Ausgangspunkt für die Cha-
rakteristik bildet die Situation, dass die Re-
naissance beständig über sich selbst reflektier-
te und ihre Gedanken schriftlich fixiert hat.
Das gilt als eine ihrer Besonderheiten. Bei den
Kriterien, die damals ausgegeben wurden, soll
hier angesetzt werden. Das vorliegende Buch
ist nachhaltig geprägt durch die theoretischen
Diskurse über Architektur, durch Urteile über
Grundlagen von weiteren Bereichen des ge-
sellschaftlichen Lebens und durch die Aus-
einandersetzung mit der Antike, der die Renais-
sance ihren Namen verdankt. Im Rückblick
scheint es sogar, dass das überragende Archi-
tekturtraktat der Renaissance, Leon Battista
Albertis „De re aedificatoria", die Disposi-
tion meiner Abhandlung beeinflusst hat. So ha-
ben vierzig Jahre Auseinandersetzung mit der
Architektur der Renaissance unter besonderer
Berücksichtigung von zeitgenössischen Kom-
mentaren, Theorien, humanistischen Leitlini-
en und Antikenforschungen inzwischen un-
willkürlich ihre Spuren hinterlassen.
Oft lasse ich die Autoren der Renaissance
selbst zu Wort kommen. Sicher geben zeitge-
nössische Zitate an sich noch lange keine histo-
rischen Einblicke. Die eigentliche Tendenz der
Aussagen geht aus ihrem historischen Zusam-
menhang hervor, das meint hier besonders: aus
dem damals aktuellen Meinungsaustausch. So
beurteilen wir auch die jetzt aktuellen Äuße-
rungen. Beim Aufbruch in die Neuzeit gilt es zu
unterscheiden, was als konkrete Anforderung,
rhetorisches Ideal oder als hoffnungsvolle Er-
wartung gemeint war. Sicher kann man fremde
Urteile nicht einfach so, wie sie sind, überneh-
men, historische ebenso wenig wie zeitgenös-
sische. Die Meinungen, die in der Renaissance
zur Architektur geäußert wurden, widerspre-
chen einander oft in speziellen Einzelfällen
und gelegentlich sogar in generellen Bereichen.
Man kann sich nicht einmal unbesehen an alle
Maximen halten, die ehemals als allgemein
verbindlich galten. Manche von ihnen sind zu
einseitig, inkonsistent oder unrealistisch; man-
che waren offenbar von vornherein nicht wört-
lich gemeint, folgen Gemeinplätzen oder ver-
schlüsseln ihre Botschaft, um nicht anzuecken,
wie es auch heute vorkommt. Aber, gleich wie
man die Äußerungen wertet, ob man sie für
sinnvoll hält oder nicht, auseinandersetzen
sollte man sich mit ihnen auf alle Fälle. Das
verlangt übrigens schon Alberti. Ich richte mich
danach, und wo es angebracht scheint, argu-
mentiere ich eben gegen das, was damals vorge-
bracht wurde. Es soll auch nicht versucht wer-
den, Widersprüche zu glätten. Geschichte ver-
läuft selten stringent. Es geht hier nicht allein da-
rum, aus den historischen Zeugnissen die Ant-
wort auf die Frage abzuleiten, was Renais-
sance-Architektur sei; es soll auch einfach gezeigt
werden, wie über Architektur geredet wurde. In
der Renaissance erwartete man von kultivier-
ten Betrachtern anscheinend, dass sie ähnlich
wie seinerzeit die Kommentare auf die Bauten
reagierten. Auch dieser Aspekt ist substantiell
für unser Thema.
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Anspruchsvolle Bauten sind ein wesentlicher
Teil öffentlicher und privater Repräsentation.
Sie stehen im Rampenlicht des gesellschaft-
lichen Lebens. Mit ihnen stellen sich Staaten,
Institutionen oder prominente Persönlichkei-
ten dar. Der intellektuelle Gesichtskreis derje-
nigen, die am Baubetrieb beteiligt sind, kommt
zum Ausdruck. Man denke nur an die Olympia-
Bauten in Peking oder das World Trade Center
in New York. In der Renaissance war es eben-
so wie heute. Schon daher lässt sich die Fra-
ge, die im Titel des vorliegenden Buchs gestellt
ist, kaum mit dem Blick auf Architektur allein
beantworten. Das historische Umfeld gehört
dazu. Die Kultur der Renaissance bildete den
Nährboden für die Entwicklung der typischen
Architektur der Epoche. Die Villeggiatura, das
Villenleben, ist ein klassisches Beispiel dafür.
Auf Grund solcher Überlegungen setzt meine
Antwort auf die Frage, was Renaissance-Ar-
chitektur sei, nicht bei spezifischen Elementen
der Gattung an, sondern geht von den Kriteri-
en aus, mit denen Historiker gewöhnlich die
Renaissance im Ganzen charakterisieren. Die
generellen Merkmale der Epoche bilden dann
die Basis für die Charakteristik ihrer Architek-
tur. Die gemeinsame geistige Grundlage liefert
die Richtlinien für die Beurteilung der spezifi-
schen Phänomene.
Einen günstigen Ausgangspunkt für die Cha-
rakteristik bildet die Situation, dass die Re-
naissance beständig über sich selbst reflektier-
te und ihre Gedanken schriftlich fixiert hat.
Das gilt als eine ihrer Besonderheiten. Bei den
Kriterien, die damals ausgegeben wurden, soll
hier angesetzt werden. Das vorliegende Buch
ist nachhaltig geprägt durch die theoretischen
Diskurse über Architektur, durch Urteile über
Grundlagen von weiteren Bereichen des ge-
sellschaftlichen Lebens und durch die Aus-
einandersetzung mit der Antike, der die Renais-
sance ihren Namen verdankt. Im Rückblick
scheint es sogar, dass das überragende Archi-
tekturtraktat der Renaissance, Leon Battista
Albertis „De re aedificatoria", die Disposi-
tion meiner Abhandlung beeinflusst hat. So ha-
ben vierzig Jahre Auseinandersetzung mit der
Architektur der Renaissance unter besonderer
Berücksichtigung von zeitgenössischen Kom-
mentaren, Theorien, humanistischen Leitlini-
en und Antikenforschungen inzwischen un-
willkürlich ihre Spuren hinterlassen.
Oft lasse ich die Autoren der Renaissance
selbst zu Wort kommen. Sicher geben zeitge-
nössische Zitate an sich noch lange keine histo-
rischen Einblicke. Die eigentliche Tendenz der
Aussagen geht aus ihrem historischen Zusam-
menhang hervor, das meint hier besonders: aus
dem damals aktuellen Meinungsaustausch. So
beurteilen wir auch die jetzt aktuellen Äuße-
rungen. Beim Aufbruch in die Neuzeit gilt es zu
unterscheiden, was als konkrete Anforderung,
rhetorisches Ideal oder als hoffnungsvolle Er-
wartung gemeint war. Sicher kann man fremde
Urteile nicht einfach so, wie sie sind, überneh-
men, historische ebenso wenig wie zeitgenös-
sische. Die Meinungen, die in der Renaissance
zur Architektur geäußert wurden, widerspre-
chen einander oft in speziellen Einzelfällen
und gelegentlich sogar in generellen Bereichen.
Man kann sich nicht einmal unbesehen an alle
Maximen halten, die ehemals als allgemein
verbindlich galten. Manche von ihnen sind zu
einseitig, inkonsistent oder unrealistisch; man-
che waren offenbar von vornherein nicht wört-
lich gemeint, folgen Gemeinplätzen oder ver-
schlüsseln ihre Botschaft, um nicht anzuecken,
wie es auch heute vorkommt. Aber, gleich wie
man die Äußerungen wertet, ob man sie für
sinnvoll hält oder nicht, auseinandersetzen
sollte man sich mit ihnen auf alle Fälle. Das
verlangt übrigens schon Alberti. Ich richte mich
danach, und wo es angebracht scheint, argu-
mentiere ich eben gegen das, was damals vorge-
bracht wurde. Es soll auch nicht versucht wer-
den, Widersprüche zu glätten. Geschichte ver-
läuft selten stringent. Es geht hier nicht allein da-
rum, aus den historischen Zeugnissen die Ant-
wort auf die Frage abzuleiten, was Renais-
sance-Architektur sei; es soll auch einfach gezeigt
werden, wie über Architektur geredet wurde. In
der Renaissance erwartete man von kultivier-
ten Betrachtern anscheinend, dass sie ähnlich
wie seinerzeit die Kommentare auf die Bauten
reagierten. Auch dieser Aspekt ist substantiell
für unser Thema.
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