Der Beruf des Architekten und die Planung
7 Vasari/Milanesi 1906, IV,
269.
8 Brief an Simone Ciarla,
1. VII. 1514. Golzio 1936,31f.
9 Zum Gebrauch des Wortes
in Antike und Mittelalter vgl.
Binding 1996,241-270.
10 De l’Orme 1567,327vff.
11 Günther 2002/111.
12 Scamozzi 1615, l.l, 26;
De l’Orme 1567,12v-13r.
13 Vasari/Milanesi 1906,
1,170.
14 Vasari/Milanesi 1906,
IV, 162,291.
15 Howard 1987,20f.
Bildhauerei und Malerei. Giuliano da Sangallo
(ca. 1452-1516) erfand eine neue Methode, um
den Rückstoß von Geschützen aufzufangen.7
Das war der Auftakt zu seiner Karriere als der
richtungweisende Festungsarchitekt der Neu-
zeit.
Filarete beschreibt anschaulich, wie Bauherr
und Architekt Zusammenwirken: Der Architekt
plant und kümmert sich um einzelne Bauvorha-
ben; er berät seinen Fürsten in allen Bereichen,
die Architektur betreffen. Die repräsentative
Bautätigkeit, die Stadtplanung in Mailand, der
Wasserbau in der Lombardei und die militäri-
sche Befestigung des Territoriums, das waren
zentrale Regierungsangelegenheiten für den
Herzog von Mailand. Der Architekt, so wie Fi-
larete seine Stellung beschreibt, gehörte zur en-
gen Umgebung seines Fürsten. Er erscheint ge-
radezu als dessen Erzieher zur wahren Kunst;
er denkt sich sogar neue soziale Einrichtungen
aus. Raffael berichtet selbst in einem Brief, dass
er jeden Tag mit Papst LeoX. den Neubau der
Peterskirche besprochen habe.8
Der griechische Begriff „Architekt" bedeu-
tet wörtlich nur „Vorsteher der Bauarbeiten".
Aber er wurde im alten Rom und in der Re-
naissance wie heute im weiteren Sinn für den-
jenigen gebraucht, der die Konzeption des Bau-
vorhabens entwickelt und dessen Durchfüh-
rung leitet.9 Allerdings gab es keine Instanz,
die allgemein verbindlich definiert hätte, was
ein Architekt leisten sollte. Das war in jedem
Einzelfall individuell geregelt.
Die Organisation des Baubetriebs und Über-
wachung der Arbeiten werden oft von den
Theoretikern der Renaissance als Aufgabe der
Architekten hervorgehoben. Manchmal sind
sie in Verträgen eigens festgehalten. Filarete
schreibt den Architekten auch die Aufgabe zu,
die Handwerker auszusuchen.
Der König von Frankreich setzte einen Auf-
seher über seine vielen Baustellen ein. Dar-
aus entwickelte sich im späten 16. Jahrhundert
das Amt des Surintendant des Bätiments, das
oft der Finanzminister in Personalunion ein-
nahm.10 Margarethe von Österreich-Savoyen
übertrug dem Schriftsteller Jean Lemaire de
Beiges die Überwachung des Baus der Abtei
von Brou. Die gesamten künstlerischen Aktivi-
täten, die Kaiser Maximilian I. in Auftrag gab,
leitete der Humanist Konrad Peutinger.11
Oft hatten die Architekten die Baukosten zu
veranschlagen.12 Zudem nahmen sie als Gut-
achter Stellung zu allem, was zum Bau gehör-
te, von der formalen Disposition über das Bau-
material bis hin zu der Verkleidung der Wände,
dem Fußboden, Decke und Dach, technischen
Fragen oder mathematischen Grundlagen für
die Konstruktion.
Ruhm und Glanz des Architektenberufs ver-
banden sich jedoch wie heute mit dem Ent-
wurf. Die künstlerische Konzeption stand für
die ideelle Urheberschaft. Vasari meint, der di-
segno, Plan, Umrisszeichnung, Profil oder wie
immer man es nennen wolle, bilde das Funda-
ment aller Kunst, aber am meisten der Archi-
tektur. Denn deren Zeichnungen bestünden
ausschließlich aus Linien. Das sei Anfang und
Ende der Architektur.13
Der Plan für die Baugestalt betraf in erster
Linie die generelle Disposition. Den eng mit
der künstlerischen Konzeption verbundenen
Dekor wie Säulenordnungen, Fensterrahmen,
Türrahmen usw. entwarfen gewöhnlich eben-
falls die Architekten. Wer den weiteren Dekor
besorgte, war von Fall zu Fall unterschiedlich
(vgl. VIII,6). Manchmal gestaltete der Archi-
tekt, der für die Disposition verantwortlich
war, auch den Dekor von Decken oder Fußbö-
den: so etwa, wie Vasari berichtet14, Braman-
te und Giuliano da Sangallo oder Michelange-
lo in der Biblioteca Laurenziana (Abb. 66). Oft
jedoch, vielleicht sogar meistens, beauftragte
der Bauherr besondere Spezialisten für solche
Aufgaben.
Die Architekten kümmerten sich auch um
die Tektonik, um technische Einrichtungen und
um Baumaschinen. Davon wurde meist nicht
so viel Aufhebens wie um die formale Planung
gemacht. Aber wenn ein Bau nicht hielt, dann
trafen die Vorwürfe den leitenden Architek-
ten: Als die Decke der Biblioteca Marciana ein-
brach, zog der Bauherr, die Republik Venedig,
Jacopo Sansovino als leitenden Architekten da-
für zur Rechenschaft.15 Bramante wurde, nach-
dem in mehreren seiner Bauten tektonisch be-
82
7 Vasari/Milanesi 1906, IV,
269.
8 Brief an Simone Ciarla,
1. VII. 1514. Golzio 1936,31f.
9 Zum Gebrauch des Wortes
in Antike und Mittelalter vgl.
Binding 1996,241-270.
10 De l’Orme 1567,327vff.
11 Günther 2002/111.
12 Scamozzi 1615, l.l, 26;
De l’Orme 1567,12v-13r.
13 Vasari/Milanesi 1906,
1,170.
14 Vasari/Milanesi 1906,
IV, 162,291.
15 Howard 1987,20f.
Bildhauerei und Malerei. Giuliano da Sangallo
(ca. 1452-1516) erfand eine neue Methode, um
den Rückstoß von Geschützen aufzufangen.7
Das war der Auftakt zu seiner Karriere als der
richtungweisende Festungsarchitekt der Neu-
zeit.
Filarete beschreibt anschaulich, wie Bauherr
und Architekt Zusammenwirken: Der Architekt
plant und kümmert sich um einzelne Bauvorha-
ben; er berät seinen Fürsten in allen Bereichen,
die Architektur betreffen. Die repräsentative
Bautätigkeit, die Stadtplanung in Mailand, der
Wasserbau in der Lombardei und die militäri-
sche Befestigung des Territoriums, das waren
zentrale Regierungsangelegenheiten für den
Herzog von Mailand. Der Architekt, so wie Fi-
larete seine Stellung beschreibt, gehörte zur en-
gen Umgebung seines Fürsten. Er erscheint ge-
radezu als dessen Erzieher zur wahren Kunst;
er denkt sich sogar neue soziale Einrichtungen
aus. Raffael berichtet selbst in einem Brief, dass
er jeden Tag mit Papst LeoX. den Neubau der
Peterskirche besprochen habe.8
Der griechische Begriff „Architekt" bedeu-
tet wörtlich nur „Vorsteher der Bauarbeiten".
Aber er wurde im alten Rom und in der Re-
naissance wie heute im weiteren Sinn für den-
jenigen gebraucht, der die Konzeption des Bau-
vorhabens entwickelt und dessen Durchfüh-
rung leitet.9 Allerdings gab es keine Instanz,
die allgemein verbindlich definiert hätte, was
ein Architekt leisten sollte. Das war in jedem
Einzelfall individuell geregelt.
Die Organisation des Baubetriebs und Über-
wachung der Arbeiten werden oft von den
Theoretikern der Renaissance als Aufgabe der
Architekten hervorgehoben. Manchmal sind
sie in Verträgen eigens festgehalten. Filarete
schreibt den Architekten auch die Aufgabe zu,
die Handwerker auszusuchen.
Der König von Frankreich setzte einen Auf-
seher über seine vielen Baustellen ein. Dar-
aus entwickelte sich im späten 16. Jahrhundert
das Amt des Surintendant des Bätiments, das
oft der Finanzminister in Personalunion ein-
nahm.10 Margarethe von Österreich-Savoyen
übertrug dem Schriftsteller Jean Lemaire de
Beiges die Überwachung des Baus der Abtei
von Brou. Die gesamten künstlerischen Aktivi-
täten, die Kaiser Maximilian I. in Auftrag gab,
leitete der Humanist Konrad Peutinger.11
Oft hatten die Architekten die Baukosten zu
veranschlagen.12 Zudem nahmen sie als Gut-
achter Stellung zu allem, was zum Bau gehör-
te, von der formalen Disposition über das Bau-
material bis hin zu der Verkleidung der Wände,
dem Fußboden, Decke und Dach, technischen
Fragen oder mathematischen Grundlagen für
die Konstruktion.
Ruhm und Glanz des Architektenberufs ver-
banden sich jedoch wie heute mit dem Ent-
wurf. Die künstlerische Konzeption stand für
die ideelle Urheberschaft. Vasari meint, der di-
segno, Plan, Umrisszeichnung, Profil oder wie
immer man es nennen wolle, bilde das Funda-
ment aller Kunst, aber am meisten der Archi-
tektur. Denn deren Zeichnungen bestünden
ausschließlich aus Linien. Das sei Anfang und
Ende der Architektur.13
Der Plan für die Baugestalt betraf in erster
Linie die generelle Disposition. Den eng mit
der künstlerischen Konzeption verbundenen
Dekor wie Säulenordnungen, Fensterrahmen,
Türrahmen usw. entwarfen gewöhnlich eben-
falls die Architekten. Wer den weiteren Dekor
besorgte, war von Fall zu Fall unterschiedlich
(vgl. VIII,6). Manchmal gestaltete der Archi-
tekt, der für die Disposition verantwortlich
war, auch den Dekor von Decken oder Fußbö-
den: so etwa, wie Vasari berichtet14, Braman-
te und Giuliano da Sangallo oder Michelange-
lo in der Biblioteca Laurenziana (Abb. 66). Oft
jedoch, vielleicht sogar meistens, beauftragte
der Bauherr besondere Spezialisten für solche
Aufgaben.
Die Architekten kümmerten sich auch um
die Tektonik, um technische Einrichtungen und
um Baumaschinen. Davon wurde meist nicht
so viel Aufhebens wie um die formale Planung
gemacht. Aber wenn ein Bau nicht hielt, dann
trafen die Vorwürfe den leitenden Architek-
ten: Als die Decke der Biblioteca Marciana ein-
brach, zog der Bauherr, die Republik Venedig,
Jacopo Sansovino als leitenden Architekten da-
für zur Rechenschaft.15 Bramante wurde, nach-
dem in mehreren seiner Bauten tektonisch be-
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