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II. Buch. Frankreich.

An künftlerifcher Feinheit als Ornamentift allen dielen weit über-
legen , ein Geilt von eigenem Reiz, welcher mehr als irgend ein an-
derer den Zeitgefchmack innerhalb feines Gebietes beherrfchte, war
Jean Berain d. ä. (geb. zu S. Mihiel 1638, f zu-Paris 1711). Leider
wiffen wir über das Leben diefes ausgezeichneten Meilters nur fehr
weniges. Er war Lothringer von Geburt. Wir fahen fchon wieder-
holt, daß in dem damals noch felbltändigen Herzogthume eine von
der Parifer abweichende Kunftauffaffung herrfchte. Das Land, ursprüng-
lich deutfch, war namentlich durch die glänzende Regierung des mit
dem franzöfifchen Königshaufe verwandten Herzog Karl III. mehr und
mehr dem weltlichen Einfluß erfchloffen worden und während des
30jährigen Krieges demfelben falt ganz anheimgefallen, obgleich Herzog
Karl IV. (1624—1675) noch einmal verfucht hatte, fich den Umarmungen
Frankreichs als Verbündeter des Kaifers zu entziehen. Doch hielten
Ludwig XIII. und Mazarin das Land (1632—1659) befetzt. Karl mußte
nach Deutfchland flüchten, Nanzig verlor feine geiftige Bedeutung als
Hauptftadt eines reichen Landes. Aber der Geilt des Volksltammes
ließ lieh nicht alsbald unterdrücken. Aehnlich wie in Belgien trotz
des Ueberwiegens der franzöfifchen Sprache ein eigenartiges Kunlt- und
Geiltesleben fortblühte, fo fcheint auch das bisher von der wiffen-
fchaftlichen Forfchung wenig beachtete Lothringen nicht fo ganz ab-
hängig von Frankreich gewefen zu fein, wie man heute in Paris
glaubt oder glauben machen will. Die Reihenfolge von dem trotz feines
römifchen Aufenthaltes falt holländifch felbltändig empfindenden, ganz
von nordifcher Auffaffung feiner künitlerifclien Aufgabe durchdrungenen,
felblt dem Könige Ludwig XIII. gegenüber fich als Lothringer beken-
nenden Jacques Gallot (1592—1635) zu dem in gleicher Umgebung auf-
gewachfenen Claude Lorrain, welcher einen dem Norden nicht minder
eigenthümlichen Naturfinn, und bei dem Niedergang feines Vaterlandes
eine fchier weltbürgerliche Bildung befaß, beweilt das Vorhandenfein
einer gefonderten, vom Norden falt mehr wie vom Welten beeinflußten
Kunltrichtung. Wie kräftig diefelbe zum italienifchen Barock hinüber-
leitete, beweifen die Stiche des Stefano della Bella (geb. zu Florenz 1610,
t dafelblt 1664), eines Schülers des Callot, welcher auch während feines
Aufenthaltes in Paris (1640 —1650) fich als ein vom flandrifchen Barock
nicht unberührter Künltler erwies, ferner des Sebastien Leclerc (geb. zu
Metz 1637, fi zu Paris 1714), deffen erlte, in Augsburg erfchienenen
Arbeiten zwifchen dem deutfehen und dem Stile Callot’s fchwanken,
oder des Nicolas Langlois. Diefer Richtung gehört auch Berain an.
Seine zahlreichen Werke, zumeilt Füllungsornamente nach Art der
italienifchen Grotesken, find antik im Geilte Pouffin’s und Claude’s, aber
 
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