VI. KAPITEL.
Das Rococo.
dwigs XIV. Tod brachte einen gewaltigen Umfchwung der
Verhältniffe mit lieh. Ein König, welcher durch zwei Men-
fchenalter fein glänzendes Ich an die Spitze des Staates
geftellt hatte, fchwand dahin. Selbft die Greiie jener Tage
konnten lieh nicht entfmnen, daß ein anderer Fürft auf dem
Thron gefeffen habe. Der Inbegriff königlicher Macht war in der
merkwürdigen Perfon diefes einen Mannes verkörpert, deffen eindrucks-
volles Auftreten, deffen natürliche Würde und Anmuth, deffen Meifter-
fchaft in der Handhabung von ihm felbft gefchaffener gefellfchaftlicher
Formen, aber auch deffen Arbeitsluft und von einem unverrückbaren
Glauben an lieh felbft getragene Ausdauer in Glück und Unglück die
Zeitgenoffen mit Bewunderung erfüllte. Freilich war in den letzten
Jahrzehnten der Hof zu Verfailles ein greifenhafter geworden. Die Stadt
Paris entwickelte fich neben ihm zu einem gefellfchaftlichen Mittel-
punkte für die Jugend. Lebensluft und Leichtfmn flohen die mürrifche
Frömmigkeit des alternden Fünften und feiner Freundin. Aber der Hof
war zu übermächtig, als daß fie zu vollem Ausdruck gelangen konnten,
folange er fich ihnen nicht anfehloß.
Da kam Herzog Philipp von Orleans als Regent an’s Ruder, ein
Fürft von lebhaftem Geift, fchneller und glücklicher Auffaffungsgabe,
kräftig finnlicher Natur, ehrgeizigem Wollen im Guten wie im Böfen,
ein Mann, der unter anderen Verhältniffen vielleicht treffliches geleiftet
hätte, jetzt aber, zu wenigbefchränkt durch die äußeren Umftände, zu fehr
Das Rococo.
dwigs XIV. Tod brachte einen gewaltigen Umfchwung der
Verhältniffe mit lieh. Ein König, welcher durch zwei Men-
fchenalter fein glänzendes Ich an die Spitze des Staates
geftellt hatte, fchwand dahin. Selbft die Greiie jener Tage
konnten lieh nicht entfmnen, daß ein anderer Fürft auf dem
Thron gefeffen habe. Der Inbegriff königlicher Macht war in der
merkwürdigen Perfon diefes einen Mannes verkörpert, deffen eindrucks-
volles Auftreten, deffen natürliche Würde und Anmuth, deffen Meifter-
fchaft in der Handhabung von ihm felbft gefchaffener gefellfchaftlicher
Formen, aber auch deffen Arbeitsluft und von einem unverrückbaren
Glauben an lieh felbft getragene Ausdauer in Glück und Unglück die
Zeitgenoffen mit Bewunderung erfüllte. Freilich war in den letzten
Jahrzehnten der Hof zu Verfailles ein greifenhafter geworden. Die Stadt
Paris entwickelte fich neben ihm zu einem gefellfchaftlichen Mittel-
punkte für die Jugend. Lebensluft und Leichtfmn flohen die mürrifche
Frömmigkeit des alternden Fünften und feiner Freundin. Aber der Hof
war zu übermächtig, als daß fie zu vollem Ausdruck gelangen konnten,
folange er fich ihnen nicht anfehloß.
Da kam Herzog Philipp von Orleans als Regent an’s Ruder, ein
Fürft von lebhaftem Geift, fchneller und glücklicher Auffaffungsgabe,
kräftig finnlicher Natur, ehrgeizigem Wollen im Guten wie im Böfen,
ein Mann, der unter anderen Verhältniffen vielleicht treffliches geleiftet
hätte, jetzt aber, zu wenigbefchränkt durch die äußeren Umftände, zu fehr