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und durch Summirung mehrerer solcher Contractionen den ganzen Körper von der Stelle zu bewegen,
habe ich mehrfach direct beobachtet, besonders bei Colliden, Cyrtiden, Ommatiden und Disciden.
Man sieht zunächst, wie erst einzelne benachbarte Fäden, dann ein ganzes Bündel dergleichen, welche
von nahe hei einander gelegenen oder auch von entfernteren Stellen des Körpers ausgehen, sich ver-
längern, bis sie die feste Wand des Körpers erreichen, und wie sie sich dann dort anlegen und aus-
breiten, indem neue Sarkode aus der Matrix nachfliesst. Häufig verästeln sie sich dabei theilweis
oder fliessen zu dünnen Sarkodeplatten zusammen, welche einen Theil des fremden Körpers über-
ziehen. Dann kann man zuweilen bemerken, wie gleichzeitig mit dem Nachfluss neuer Sarkode, die
die Fäden verstärkt, diese kürzer werden und wie der Körper auf diese Weise in der Richtung der
straff angespannten Fäden ein klein wenig weiter bewegt wird. Dieses Fortrollen oder Fortziehen
des Körpers erfolgt also ganz in ähnlicher Weise, wie bei den Echinodermen, insbesondere den
Echiniden, wo ebenfalls eine Anzahl Ambulacralfüsschen sich verlängern, dann mit der Saugscheibe
an deren Ende sich festheften und hierauf contrahiren, so dass durch die Summe der Verkürzungen der
zahlreichen kleinen Organe der ganze grosse Körper von der Stelle bewegt und nachgeschleppt wird.
Ganz wie hei den Seeigeln dienen auch bei den meisten Radiolarien die äusseren Skelettheile, ins-
besondere die Stacheln, als passive Locomotionsorgane, als Hebel und Stützen, wobei namentlich auch
die oben besprochene „Verlängerung der Stacheln in Fäden“, das Ankleben und Anlehnender letzteren
an die ersteren und das freie Heraustreten über deren Spitze, die Massenbewegung wesentlich er-
leichtern. Vollkommen wird diese Analogie bei Aulacantha, wo die Stacheln nicht fest zu einem
unbeweglichen Gerüste in einander gestemmt, sondern innerhalb der Alveolenhülle frei beweglich
und auf der Kapseloberfläche verschiebbar sind, so dass sie ganz wie die Stacheln der Seeigel als

kann daher auch sehr allmählich erfolgen, während es bei den Acanthometren und Haliommen mit un-
beweglichen Stacheln, wo der auf mehreren Stachelspitzen ruhende Körper auf andere Spitzen herum-
gekippt werden muss, ruckweise erfolgt. Bei llach scheibenförmigen Radiolarien, bei Spongocyclia,
bei einigen Trematodisciden sah ich zuweilen durch vereinte Anstrengung der Pseudopodien einer
Seite die ganze Scheibe umgelegt werden. Ebenso vermochte Lithomelissa thoracites, welche auf
einer Seite lag, sich so aufzurichten, dass die Mündung der Schale den Boden berührte. Die Be-
wegung geschieht übrigens in den meisten Fällen äusserst langsam, bei weitem nicht so energisch und
rasch, wie bei Gromia und bei vielen Polythalainien, und es bedarf längere Zeit angestrengter Auf-
merksamkeit, ehe man Ursache und Wirkung einer solchen einfachen Bewegungsaction mit Sicher-
heit wahrgenommen hat.

Diese kriechenden, wälzenden oder schleppenden Ortsbewegungen, welche bei den in der
Regel auf dem Meeresgründe zwischen Steinen und Algen lebenden Polythalainien die normale, jeder-
zeit geübte Locomotion darstellen, kommen bei den Radiolarien wohl nur ausnahmsweise, in ausser-
ordentlichen Verhältnissen, z. B. wenn sie aus irgend einer Ursache auf den Boden des Meeres her-
absinken, in Anwendung, da die Radiolarien, wahrscheinlich alle, eine ausschliesslich pelagische Lebens-
weise führen und entweder nur an der Oberfläche des Meeres passiv flottiren oder auch bis in grosse
Tiefen hinab im Seewasser vertheilt und suspendirt sind. Wir werden diese Verhältnisse unten, in
dem Abschnitt über die Verbreitung, ausführlich erörtern, und bleiben hier vorläufig nur bei der
Thatsache stehen, dass Radiolarien der verschiedensten Familien hei ruhiger See und unter sonst
günstigen Verhältnissen an den geeigneten Orten stets in grosser Masse an der Oberfläche der See
passiv flottiren und mit dem feinen Netze pelagisch gefischt werden können. Die kolossalen Mengen,
in denen Müller und ich fast täglich auf diese Art die Thierchen fischten, schliesst jeden Gedanken
an ein zufälliges Erscheinen derselben an der Oberfläche aus. Die Frage aber, durch welche Mittel
die Thierchen, die sämmtlich um ein Geringes schwerer als das Meerwasser sind, sich an der Ober-
fläche des hohen Meeres schwebend erhalten, ist noch nicht beantwortet. Dass dieses Flottiren nicht
rein passiv und etwa durch geringeres specifisches Gewicht bedingt sei, geht schon daraus hervor, dass

passive Locomotionsorgane benutzt werden können

Das Umwälzen des Körpers
 
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