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genommen und steht ehrwürdig, wie bei Giotto, mit gesenktem Haupte,
an Maria’s Seite. An die Heiligkeit dieser Gruppe hat der Realismus
Masaccio’s sich nicht herangewagt, und in diesen Figuren zeigt er noch
völlige Abhängigkeit von der traditionellen Darstellungsweise.1
Erst bei der Darstellung der Könige und ihres Gefolges machte
er sich frei und sein Drang, die Wirklichkeit darzustellen, bricht sich
Bahn. Diese Gestalten sind nicht mehr jene absoluten, nach einem
stets wiederkehrenden Typus geschaffenen, zeitlosen Erscheinungen,
denen wir in den früheren Darstellungen der Anbetung begegneten,
sondern Menschen mit individueller Haltung und Bewegung. Masaccio
weiss aber, wie weit er in der Wiedergabe der Natur zu gehen hat ;
mit sicherer, zielbewusster Idealität hat er nur so viel der Wirklich-
keit entnommen und dargestellt, als er mit seinem Schönheitsgefühl und
seinem künstlerischen Empfinden vereinigen konnte. Er stellte das Leben
dar, aber auch seine höhere poetische Wahrheit, und diese Könige,
ohne jede Idealisierung, selbst ohne den üblichen Heiligenschein treten
uns allein durch ihre männliche Kraft als würdige Herrscher auf
Erden entgegen.
Masaccio’s unerschöpfliche Kraft in der Gestaltung des männlichen
Körpers tritt besonders bei den beiden Begleitern hervor — wahr-
scheinlich die Besteller des Bildes —, die rechts von den Königen
stehen und in ruhiger, gemessener Haltung dem Vorgänge folgen.
Dies sind Italiener, geradezu Florentiner, mit ihren kurzen dicken
Mänteln, mit den über die Schultern geschlagenen Zipfel und mit
ihren, über die Ohren herabgezogenen Mützen. Trotz alledem gibt
sie Masaccio in veredelter Wirklichkeit wieder. Licht und Schatten
und wuchtige Markierung der Formen geben den Gestalten eine Kör-
1 Diese Anlehnung an die älteren Typen scheint auf ein Jugendwerk
des Masaccio hinzuweisen, doch ist uns wahrscheinlich ein bestimmtes
Datum, nämlich 1426 für diese Arbeit in den über Donatello von L. Tan-
fani-Gentofani veröffentlichten Schriften gegeben. (S. Donatello in Pisa:
Documenti publicati da L. Tanfani. Pisa, Mariotti 1887. Vergl. Rep. für
Kunstwissenschaft XII, 213 f. und Schmarsow: Masaccio, S. 77). Es ist
in den Dokumenten angeführt, dass zwischen dem 24. Juli und dem 18.
Dezember 1426 dem Masaccio ein Altarwerk in LPisa bezahlt wurde, im
ganzen mit achtzig Dukaten. Sein Freund Donatello diente dabei als Zeuge.
Der Auftraggeber, ein pisanischer Notar, hiess Giuliano di Colino da S.
Giusto. Deshalb erscheint auch Julianus — der Namensheilige, und St. Ni-
kolaus, wahrscheinlich der Schutzpatron des Stifters — in dem Hauptbilde,
welches, wenn diese Anbetung dazu gehört, was aus der Beschreibung der
Predella bei Vasari hervorzugehen scheint, derselbe an seinem ursprüng-
lichen Bestimmungsort gesehen hat. S. Vasari Opere II, 292.
 
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