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lieh kurz vor seinem Tode — und von einem untergeordneten Künst-
ler des siebzehnten Jahrhunderts übermalt, so dass der Zustand des
Bildes heute wenig erfreulich ist. Komposition, Auffassung und Zeich-
nung sind jedoch ganz im Charakter Botticelli’s und lassen an seiner
Urheberschaft nicht zweifeln.
Die Madonna sitzt vor einer Felsennische; Joseph, über seinem
Stab gebeugt, steht ihr zur Seite. Der auf den Knieen sich nähernde
König führt das Füsschen des segnenden Kindes an die Lippen, fünf
andere Gestalten knieen gleichfalls im Vordergründe und bilden mit
der Madonnengruppe eine zentrale, pyramidenförmige Komposition.
Diese Anbeter sind aber ohne irgend ein äusseres Zeichen ihrer Würde,
in ihrer Ergebenheit von einer die Aussenwelt gänzlich vergessenden
Hingabe erfüllt. Nach beiden Seiten reiht sich an diese Hauptgruppe
eine Menge stehender Gestalten an, die teils in Verehrung sich dem
Kinde nähern, teils in Jubel über den eben genossenen Anblick die
Hände zum Himmel erheben. Die Typen entfernen sich fast sämt-
lich vom rein Individuellen, die Kostüme sind vorwiegend ideal. Von
weiter Ferne naht durch hohe Felsen hindurch das zahlreiche Gefolge
der drei Könige.
Der Einfluss Lionardo’s macht sich hier nicht nur in der kon-
zentrischen Komposition, sondern auch in den lebhaft dargestellten
Pferden geltend. Botticelli’s Gefühl für den Fluss der Bewegung hatte
sich aber mit den Jahren gesteigert, bis er zuletzt auch bei dem ruhigen
Vorwurf der Anbetung das Hauptgewicht auf ihn legte, und hier ging
er in der Wiedergabe desselben noch einen Schritt weiter, als auf der
Petersburger Tafel. Dort gibt er bei aller Lebhaftigkeit der Linien
doch eine vereinfachte, verhältnismässig ruhige Gesamtkomposition.
Hier fühlt man die Bewegung nicht nur der einzelnen Gestalten,
sondern auch der Massen. Die Körper biegen und winden sich in
überschäumendem Gefühl, bis der Ausdruck ihres Empfindens in zu
schwunghafte Handlung übersetzt zu sein scheint. Selbst die Beweg-
ung der bewegungslosen Körper empfindet der Beschauer, so dass
man zu der Aussage wohl berechtigt ist, dass in diesem Werke der
höchst-mögliche Bewegungsinhalt der Szene der Anbetung der Könige
extrahiert und dargestellt wird.
2. Fra Bartolommeo (i 475—1 5 1 7).
Der Anklang an Lionardo’s Anbetung ist augenfällig in einer sorg-
fältig ausgeführten Zeichnung — wahrscheinlich eine Vorstudie zu
lieh kurz vor seinem Tode — und von einem untergeordneten Künst-
ler des siebzehnten Jahrhunderts übermalt, so dass der Zustand des
Bildes heute wenig erfreulich ist. Komposition, Auffassung und Zeich-
nung sind jedoch ganz im Charakter Botticelli’s und lassen an seiner
Urheberschaft nicht zweifeln.
Die Madonna sitzt vor einer Felsennische; Joseph, über seinem
Stab gebeugt, steht ihr zur Seite. Der auf den Knieen sich nähernde
König führt das Füsschen des segnenden Kindes an die Lippen, fünf
andere Gestalten knieen gleichfalls im Vordergründe und bilden mit
der Madonnengruppe eine zentrale, pyramidenförmige Komposition.
Diese Anbeter sind aber ohne irgend ein äusseres Zeichen ihrer Würde,
in ihrer Ergebenheit von einer die Aussenwelt gänzlich vergessenden
Hingabe erfüllt. Nach beiden Seiten reiht sich an diese Hauptgruppe
eine Menge stehender Gestalten an, die teils in Verehrung sich dem
Kinde nähern, teils in Jubel über den eben genossenen Anblick die
Hände zum Himmel erheben. Die Typen entfernen sich fast sämt-
lich vom rein Individuellen, die Kostüme sind vorwiegend ideal. Von
weiter Ferne naht durch hohe Felsen hindurch das zahlreiche Gefolge
der drei Könige.
Der Einfluss Lionardo’s macht sich hier nicht nur in der kon-
zentrischen Komposition, sondern auch in den lebhaft dargestellten
Pferden geltend. Botticelli’s Gefühl für den Fluss der Bewegung hatte
sich aber mit den Jahren gesteigert, bis er zuletzt auch bei dem ruhigen
Vorwurf der Anbetung das Hauptgewicht auf ihn legte, und hier ging
er in der Wiedergabe desselben noch einen Schritt weiter, als auf der
Petersburger Tafel. Dort gibt er bei aller Lebhaftigkeit der Linien
doch eine vereinfachte, verhältnismässig ruhige Gesamtkomposition.
Hier fühlt man die Bewegung nicht nur der einzelnen Gestalten,
sondern auch der Massen. Die Körper biegen und winden sich in
überschäumendem Gefühl, bis der Ausdruck ihres Empfindens in zu
schwunghafte Handlung übersetzt zu sein scheint. Selbst die Beweg-
ung der bewegungslosen Körper empfindet der Beschauer, so dass
man zu der Aussage wohl berechtigt ist, dass in diesem Werke der
höchst-mögliche Bewegungsinhalt der Szene der Anbetung der Könige
extrahiert und dargestellt wird.
2. Fra Bartolommeo (i 475—1 5 1 7).
Der Anklang an Lionardo’s Anbetung ist augenfällig in einer sorg-
fältig ausgeführten Zeichnung — wahrscheinlich eine Vorstudie zu