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Hartlaub, Gustav Friedrich; Heise, Carl Georg [Hrsg.]
Das neue Bild: Bücher für die Kunst der Gegenwart (Band 2): Kunst und Religion: ein Versuch über die Möglichkeit neuer religiöser Kunst — Leipzig, 1919

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https://doi.org/10.11588/diglit.16795#0015
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ERSTES KAPITEL:
KUNST, RELIGION, ZUKUNFT

RELIGION ist uns Wiederverbindung der fühlenden, denkenden, wollen^
den Menschenseele mit dem übersinnlichen Urgründe, den sie als ihre
Heimat und dessen Mittelpunkt sie als das individuelle Wesen Gottes <und der
Götter) erkennt. Aus diesem Verbundensein ergibt sich die verpflichtende,
religiös^sittliche Willensbestimmung der Menschen in ihrem Verhältnis zu-
einander und zu Gott. —-

Kunst ist schöpferische Tätigkeit des Menschen zur Hervorbringung sinn-
fälliger Symbole der Gefühle*), die durch äußere oder innere Eindrücke und
Vorstellungen in seiner Seele hervorgerufen sind, gestaltet innerhalb gewisser
ewig gültiger Gesetze künstlerischer Formung, twig gültiger Ansprüche des
menschlichen Gefühles, die man mit einem altmodischen Wort als die Normen
der »Schönheit« bezeichnen kann.

Ein Kunstwerk ist also religiös, wenn die von ihm ausgedrückten Gefühle
es sind, d. h. wenn sie in einer Verknüpfung mit Vorstellungen religiöser
Natur stehen. Es ist religiös, wenn es die Empfindungen ausdrückt, welche
der reine Gedanke an Gott und das Heilige erweckt, Empfindungen des Ver*
klärtseins und der Seligkeit, Gefühle der Kontemplation und Versenkung,
der Andacht, des frommen Gebetes. Es ist auch religiös, wenn es Gefühle
leidenschaftlichen Ringens mit und um Gott, Ekstase, Verzückung, Raserei
versinnlicht, religiös, wenn es die Empfindungen der Reue und Buße, der
Pein und Zerknirschung, Angst und Not der Seele vor Gott anschaulich
werden läßt, religiös im Ausdruck von allem, was die Seele fühlt, wenn sie
des Göttlichen inne wird oder nach ihm verlangt.

Wenn die-nachfolgende Schrift sich mit dem Problem einer so verstandenen
religiösen Kunst beschäftigt, so behandelt sie nichts, was notwendig zur Kunst
und zu künstlerischen Werten an sich gehörte. Dies muß mit Nachdruck be^

*> Max Den, Versuch einer psychologischen Kunstlehre.

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