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Hartlaub, Gustav Friedrich; Heise, Carl Georg [Hrsg.]
Das neue Bild: Bücher für die Kunst der Gegenwart (Band 2): Kunst und Religion: ein Versuch über die Möglichkeit neuer religiöser Kunst — Leipzig, 1919

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https://doi.org/10.11588/diglit.16795#0040
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ZWEITES KAPITEL:

GRUNDLAGEN RELIGIÖSER KUNST
<STIL, GEGENSTAND, GESINNUNG)

EIN * religiöses Kunstwerk«, wie wir es als ein Postulat unseren Unter*
suchungen zugrunde legen, muß beides, religiösen und ästhetischen Wert
besitzen. Alles, was der echte Künstler zum Ausdruck bringen will, muß
Form, sinnfällig gestaltetes Symbol geworden sein, nicht bloßes Bedeutungs*
zeichen, das »literarische«, in diesem Falle religiöse Assoziationen hervorruft.
Somit müßte also auch das religiöse Gefühl als solches in die »Form« ein*
gehen können: wie in die Tonverbindungen der Musik, so in die abstrakten
Raum* und Massengestaltungen der Baukunst, in die Formen und Farben
der Plastik und Malerei. Der geschichtliche Tatbestand scheint nun wirklich
solche eigentümlich religiösen Formbeschaffenheiten zu kennen. Man hat oft das
Byzantinische und das Gotische, vielleicht auch das Ägyptische und das In*
dische als schlechthin religiöse Stile bezeichnet, man hat die persönliche Form*
spräche Michelangelos, mancher Bilder Rafaels und Rembrandts — losgelöst
vom Inhalte — religiös genannt. Mag nun auch, wie wir noch sehen werden,
der Begriff »religiös« in seinem Vollinhalt hier unangebracht sein, fest steht
jedenfalls, daß gerade ein abstrakter »Stil« (sei er Zeit*, Volks*, Schul*
oder Individualstil) als solcher für das Vorhandensein gewisser Voraus*
Setzungen des religiösen Glaubens den vollkommensten Gradmesser abgibt.
Es gehört zum Wesen jeder Religion — selbst der götterlose Buddhismus
macht davon keine Ausnahme daß sie das vielfach bedingte menschliche
Erdenleben und seine Bestimmung an ein Unbedingtes knüpft, das folg*
lieh selber mehr als bloß menschlich*irdisch sein muß, im Wesen un*
sichtbar, übersinnlich, geistig. Demgegenüber ist es das Wesen jeden
Stils, daß er gerade die größere oder geringere Fähigkeit einer Zeit, eines
Volkes zum Erfassen dieses Übersinnlichen genau widerspiegelt. Stil gibt
— das lehrt uns auch die Analyse des heutigen Kunstwollens — sinnfälliges
Gleichnis der mit ihm herrschenden »Weltanschauung« überhaupt. Das heißt:
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