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Hartlaub, Gustav Friedrich; Gogh, Vincent van [Ill.]
Vincent van Gogh: Rohrfederzeichnungen — Hamburg, 1948

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https://doi.org/10.11588/diglit.17238#0024
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Münch sowohl an das graphische wie an das gemalte Werk denken
muß, in dem Bewußtsein, daß es sich um gleichberechtigte
Hälften ihres Schaffens handelt!

Diese Ebenbürtigkeit der Graphik (wir nehmen den Begriff in
dem weiteren Sprachgebrauch, der nicht nur die vervielfältigen-
den Verfahren in sich schließt) wird bei Vincent heute immer
noch nicht hinreichend berücksichtigt und vorausgesetjt. Man
macht sich nicht bewußt, daß es dem Künstler gegeben war —
ob in bewußter Bemühung oder nur beiläufig, steht dahin —, in
zahlreichen Fällen mit seinem Aufwand yon Schwarz- und Weiß-
elementen die Farbe gewissermaßen überflüssig zu machen. Ge-
nauer: ihr ein völliges Äquivalent zu schaffen! Es gehört
das zu den Geheimnissen, zu den Wundern der van Goghschen
Zeichenkunst. Um ihretwillen und auch aus anderen Gründen
könnte man sogar versucht sein, sich zu fragen, ob die Schwarz-
weißarbeiten unseres großen holländisch-französischen Meisters
sich nicht später einmal als der geistig und physisch dauer-
haftere Teil- seines Lebenswerkes erweisen werden. Schon
darum, weil die Ölbilder Vincents infolge der häufigen Be-
nut;ung allzu billiger Malerfarben sich in ihrer Erscheinung weit
mehr verändern als die Zeichnungen. Dann aber vielleicht auch,
weil Vincent mit seinen oft in rasender Eile heruntergemalten
Bildern in der technischen Ausführung die extreme Wirkung
durch gewisse Verluste erkauft hat — mehr als das schon die
Impressionisten getan hatten, die ja ihr Malverfahren gegenüber
der altmeisterlichen Solidität bereits stark vereinfacht hatten.

II

Vergessen wir nicht, daß in der gesamten niederländischen Vor-
bereitungszeit des van Gogh, also vom Ende der siebziger Jahre
bis Anfang 1886, das Arbeiten in Schwarzweiß dominiert
und daß die eigentliche Malerei, der Umgang mit der Farbe, ihn
 
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