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mittelalterlichen Künstler und trotzdem die grosse Mannigfaltig-
keit der Bilder, nie zwei völlig gleiche. Ist das nicht Widerspruch ?
Gewiss nicht. Der Künstler strebte eben so sehr nach Mannigfal-
tigkeit und Abwechslung wie er sich doch innerhalb der altehr-
würdigen Typen hielt. Nicht neu fassen, neu erschaffen will er
die Scenen, nur neu ausgestalten unter Beibehaltung alles Wesent-
lichen. Freilich giebt es noch recht verschiedene Abstufungen in
ihrem Verhalten. Wie können wir die Stellung unserer Künstler
bezeichnen? Gehören sie zu denen, welche das erste beste Vorbild
wiederholen aus Trägheit oder Unkenntnis? Nein, höchstens
dem Maler von X könnte man den Vorwurf machen. Oder
trachten sie nach Abwechslung und Neuerungen unter An-
schluss an fremdartige Vorbilder in eigener Ausgestaltung? Hier
treffen wir das Wesen des Malers von VI3, unter Benutzung vie-
ler Byzantinismen macht es sich seine Compositionen zurecht, die
schliesslich doch weder den abendländischen noch den byzantini-
schen recht ähnlich sind. Darin unterscheidet er sich ebensosehr von
einer Malerin wie der Herrad, die ohne Zweifel, grosse Freude
am Fremdartigen fand, sich aber ihm gegenüber mehr copierend
verhielt, wie von unseren Malern. Benutzt haben auch sie, wie
wir fanden, mannigfache Vorbilder, aber eben nur benutzt, sie
schufen ganz im Sinne der Mehrzahl ihrer Zeitgenossen, freilich
in einer eigenen Abtönung. Sie mögen darum einer Herrad,
einem Maler von VI3, einem Maler des Brandenburger Evangeli-
stars gegenüber weniger interessant erscheinen, aber um so grösser
war vielleicht gerade deshalb die Wirkung ihrer Compositionen..
VI.
Die Initialornamentik.
Ist es dem Laien, dem eine künstlerisch ausgestattete mittel-
alterliche Handschrift vorgelegt wird, in vielen Fällen schwer, dem
Bilde Geschmack abzugewinnen, so wirkt der dekorative Schmuck
mittelalterlichen Künstler und trotzdem die grosse Mannigfaltig-
keit der Bilder, nie zwei völlig gleiche. Ist das nicht Widerspruch ?
Gewiss nicht. Der Künstler strebte eben so sehr nach Mannigfal-
tigkeit und Abwechslung wie er sich doch innerhalb der altehr-
würdigen Typen hielt. Nicht neu fassen, neu erschaffen will er
die Scenen, nur neu ausgestalten unter Beibehaltung alles Wesent-
lichen. Freilich giebt es noch recht verschiedene Abstufungen in
ihrem Verhalten. Wie können wir die Stellung unserer Künstler
bezeichnen? Gehören sie zu denen, welche das erste beste Vorbild
wiederholen aus Trägheit oder Unkenntnis? Nein, höchstens
dem Maler von X könnte man den Vorwurf machen. Oder
trachten sie nach Abwechslung und Neuerungen unter An-
schluss an fremdartige Vorbilder in eigener Ausgestaltung? Hier
treffen wir das Wesen des Malers von VI3, unter Benutzung vie-
ler Byzantinismen macht es sich seine Compositionen zurecht, die
schliesslich doch weder den abendländischen noch den byzantini-
schen recht ähnlich sind. Darin unterscheidet er sich ebensosehr von
einer Malerin wie der Herrad, die ohne Zweifel, grosse Freude
am Fremdartigen fand, sich aber ihm gegenüber mehr copierend
verhielt, wie von unseren Malern. Benutzt haben auch sie, wie
wir fanden, mannigfache Vorbilder, aber eben nur benutzt, sie
schufen ganz im Sinne der Mehrzahl ihrer Zeitgenossen, freilich
in einer eigenen Abtönung. Sie mögen darum einer Herrad,
einem Maler von VI3, einem Maler des Brandenburger Evangeli-
stars gegenüber weniger interessant erscheinen, aber um so grösser
war vielleicht gerade deshalb die Wirkung ihrer Compositionen..
VI.
Die Initialornamentik.
Ist es dem Laien, dem eine künstlerisch ausgestattete mittel-
alterliche Handschrift vorgelegt wird, in vielen Fällen schwer, dem
Bilde Geschmack abzugewinnen, so wirkt der dekorative Schmuck