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Universität Heidelberg [Hrsg.]
Akademische Mitteilungen für die Studierenden der Ruprecht-Karls-Universität zu Heidelberg: Sommer-Halbjahr 1917 — Heidelberg, 1917

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Nr. 3 (19. Mai 1917)
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https://doi.org/10.11588/diglit.25568#0009
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AKADEMISCHE MITIEILUNGEN

FÜR DIE STUDIERENDEN DER RUPRECHT - KARLS- UNIVERSITÄT ZU HEIDELRERG

Erscheint während des Semesters
monatlich zweimal und wird allen
Studierenden u. Hochschullehrern
unentgeltlich ins Haus geliefert

Herausgegeben von J. Hörning
Universitäts-Buchdruckerei
Hauptstr. 55 a - Fernspr. 419

Anzeigenpreis für 10 Zeilen ein-
spaltig das ganze Semester 20 Mk.,
einmal 3 Mk. - Redaktionsschluss
Donnerstags mittags 12 Uhr

Sommer^Halbjalir 1917

Nr. 3

Samstag, 19. Mai 1917

Die Herren Studierenden woilen in ihrem eigenen Interesse ihre Wohnung, sowie jeden
Wohnungswechsel, alsbald dem Postamt (durch unfrankierten Brief oder Postkarte, die
in den nächsten Briefkasten zu stecken oder dem Briefträger mitzugeben sind) anzeigen.

Der Prorektor an die

Bei der Einschreibung am 5. Mai hielt der Prorek-
tor, Geh. Hofrat Prof. Dr. Endemann, folgende An-
sprache an die Studenten:

Kommilitonen! Mit diesem Zurufe entbietet Ihnen
nach altem Brauch die Ruperto-Carola durch ihren Pro-
rektor den Willkommengruss. Anders klingt er heute
als in frohgemuten Friedensjahren. Nicht will ich weh-
ren, dass der ganze Zauber des von Poesie und Bliiten-
duft umwobenen Alt-Heidelbergs Sie umfängt und Ihre
Jugend mit Frohsinn erfüllt. In dieser Stunde aber
ziemt es sich, den Zuruf in seinem tiefen, echten Sinne
zu begreifen: commilitones — das heisst Kriegskame-
raden, Mitstreiter. Als solche sollen Sie sich empfinden.

Die grosse Melirzahl Ihrer Genossen, über andert-
halbtausend Studierende dieser Hochschule stehen draus-
sen in einem Kampfe, wie ihn die Welt nimmer gesehen.
Seit nahezu drei Jaliren harren sie aus in tiefen licht-
losen Erdhöhlen, unter den rauchenden Trümmern zer-
schossener Wohnstätten, in einem Lande, das ohne Baum
und Bliiten nur grauenvolle Verwüstung, öde, leichen-
bedeckte Getilde aufweist. So stehen sie Tag und Nacht
und Monat um Monat und halten Stand gegen die Ueber-
macht der Feinde und gegen eine Waffengewalt von
unermesslicher Zerstörungskraft — und sind zur Stunde
mehr als je erfiillt von dem unerschütterlichen Ver-
trauen in die Gerechtigkeit unserer Sache und von der
Gewissheit unseres Sieges.

Wenn jetzt Ihr Blick auf unserer bliihenden Land-
schaft weilen darf: ihnen da draussen danken wir es,.
dass wir noch leben und der Zerstörungswut der Feinde
nicht verfallen sind. Und darum muss unser Herz an
jedem Tage und zu jeder Stunde sich dankerfüllt er-
heben und sich in Verehrung neigen vor unseren Helden,
in denen die Kraft des Deutschtums siegreich sich be-
hauptet; und ehrfurchtsvoll beugen wir uns in weh-
mütiger Erinnerung vor all den Vielen, die ihr junges
Leben hingaben zur Rettung des Vaterlandes in seiner
höchsten Not.

Sie aber, die Kämpfer an der Front, sollen die Zu-
versicht haben, dass wir, denen es nicht vergönnt ist-,

Neuimmatrikulierten.

an ihrer Seite Gefahr und Not zu bestehen, commilitones
sind in der Bewahrung der geistigen und sittlichen Güter;
damit Sie die Gewissheit in sicli tragen, es lohnt sich,
diesen Kampf zu bestehen, weil im Inlande ein Volk
lebt, das das heilige Feuer rein bewahrt und aller ihrer
Opfer sich würdig beweist.

Und darum erhebt sicli aus dieser Stunde für Sie
Alle das eherne Gebot der Pflicht. Das Reclit und den
Ruhm, ein Deutscher zu sein, müssen Sie sicli täglich
aufs neue verdienen. Mag jeder Einzelne lernen und
betreiben, was seiner Begabung upd seiner Neigung ent-
spricht: über allem muss doch der Gedanke wachen,
wie vermag ich der Gesamtheit am besten zu nützen,
wie schaffe ich mit zur Festigung und Verteidigung des
Vaterlandes? Jedes Gebiet der Wissenschaft steht jetzt
unter seiner höheren Zielsetzung und unmittelbarenZweck-
bestimmung. Wissen und Können miigsen zusammen-
arbeiten, um unsere Waffen für Angriff und Verteidigung
zu stärken, um unsere Mittel zur Ernährung zu erwei-
tern, um den geschlagenen Wunden Heilung zu bereiten
und nicht zuletzt um im Volke die Gewissheit zu er-
lialten, dass unter uns noch Recht und Gerechtigkeit
walten, während uns eine Welt voller Lüge und Hass
umgibt, in der Wahrheit und Redlichkeit zu ersticken
drohen. Jeder von Ihnen soll sich in diesem Ringen
als Mitstreiter empfinden und seine volle Kraft dem
Ganzen weihen. Dann mag aus all dem Leid und
Grauen sich die Zuversicht emporringen, dass nach dem
Willen der Vorsehung aus diesem Kampfe, den wir mit
reinem Gewissen auf uns genommen haben, ein Volk
hervorgehen soll, das durch die Treue und Pflichterfiil-
lung geläutert wurde.

So trete jeder von Ihnen nunmehr mit gereiftem
Wollen an die Aufgaben heran, tfie seiner wissenschaft-
lichen Arbeit gestellt sind. Die Pforten sind geöffnet:
arbeiten Sie mit uns an den grossen Aufgaben dieser
Zeit. Und wenn wiederum dieser ehrwiirdige Saal zum
Eintritt neuer Genossen aufruft, dann möge er den er-
sehnten Tag schauen, der sich rüstet zum dankbeweg-
ten Empfange unserer siegreich heimkehrenden Kommili-
tonen!
 
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