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Universität Heidelberg [Hrsg.]
Akademische Mitteilungen für die Studierenden der Ruprecht-Karls-Universität zu Heidelberg: Winter-Halbjahr 1897/98 — Heidelberg, 1897-1898

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Nr. 5 (20. November 1897)
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https://doi.org/10.11588/diglit.24657#0034
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1897/98

Heidelberger Akademische Mitteilungex

Nr. 5

Königl. preuss. Akademie der Wissenschaften zu Berlin ist
Herr Geh. Bat Prof. E. J. Bekker zum korrespondierenden
Mitglied der philosophisch-historischen Klasse im Fache der
Staats- und Bechtswissenschaft erwählt worden.

Von anderen Hoclisclmlen.

Berlin. Professor Beinholds erste Yorlesung
an der Berliner Universität macht mehr von sich reden, als
je eine Antritt'srede. Die Umstände, unter denen Dr. Bein-
holds Berufung nach Berlin erfolgte, der Titel der Vorlesung,
„Geschichte, Kritik und Aussichtslosigkeit des Sozialismus“
erklären dies. Dr. Beinhold ist im preussischen Abgeordneten-
hause als der Mann der Praxis angekündigt worden, der bei
der Berliner Universität ein Gegengewicht gegen die gelehrten
Kathedersozialisten Schmoller, Wagner, Sering abgeben sollte.
Dann wurde verbreitet, seine Berufung sei im Einverständnis
mit Schmoller erfolgt. Vor seiner Uebersiedelung von Wies-
baden nach Berlin gefiel sich Dr. Beinhold in einer scharfen
Kritik der zeitigen politischen Zustände. Ist es da zu ver-
wundern, wenn recht viele Studierende und mit iliuen Studierte,
die sich um die öffentlichen Vorgänge bekümmern, die erste
Gelegenheit in Berlin wahrnabmen, Dr. Beinhold von Ange-
sicht kennen zu lernen, und sein lebendiges Wort hören zu
wollen, umsomehr noch, da von dem, was Dr. Beinhold ge-
schrieben hat, bis zu seiner Berufung nach Berlin sehr
wenig bekannt war. Als nationalökonomischer Schriftsteller
war er in den weitesten Kreisen so gut wie unbekannt.
Wer ist Dr. Beinhold, so wurde allgemein gefragt, als zu-
erst von Wiesbaden gemeldet wurde, der Amtsgerichtsrat
Dr. Beinhold ist zum Professor der Nationalökonomie an
der Universität Berlin ausersehen! , Kein Wunder daher,
dass bei seiner Antritts-Vorlesung der Hörsaal überfüllt
war, so dass die Hörerschaft aus dem zuerst von Dr. Kein-
hold gewählten Hörsaale in das Auditorium maximum über-
siedeln musste. Ausser Studierenden männlichen und weib-
lichen Geschlechts sah man eine grosse Zahl älterer Männer,
die offenbar über die Universitätsjahre schon hinaus sind.
Professor Beinhold ist eine vornehme, sympathische Erschei-
nung mit scharf geschnittenem Gesicht. Beim Erscheinen
im Hörsaale wurde er sehr lebhaft begrüsst. Das übliche
studentische Trampeln war stark mit Zischen untermischt.
Das veranlasste den neuen Dozenten zu der Erklärung, es sei
ihm gleichgiltig, wio seine Hörer ihn ompfingen, besonders
diejenigen, die ihm gerade kein Wohlwollen entgegenzubringen
schienen; die Studenten möchten ihn erst anhören und dann
urteilen. Seine Vorlesung legte den Unterschied zwischen
dem politischen und wissenschaftlichen Sozialismus dar. Mit
dem politischen Sozialismus werde der Staat fertig werden,
nicht so mit dem eigentlichen Sozialismus als kollektivisti-
s<;her oder kommunistischer Produktionsweise. Dieses sei
eines der grössten Probleme der Menschheit, das sich von
Generation zu Generation wälze. Mit lautloser Stille folgten
die Anwesenden den Darlegungen, die bilderreich, mit vielen
Citaten gewiirzt und reiche praktische Lebensklugheit ver-
ratend, dahinrollten. Lauter Beifall erscholl, als der Bedner
ausfiihrte, dass die Verfechter des Sozialismus nicht nur
Bohheit und Gewalt seien, sondern das Becht einer Idee,
und dass der in den grossen Persönlichkeiten konzentrierte
Geist nicht mit Soldaten, sondern wieder mit Geist bekämpft
werden müsse. Beim Schlusse der Vorlesung wiederholte
sich die Kundgebung der Hörerschaft in derselben Form wie
bei Beinholds Eintritt.

Freiburg. Die zweite Immatrikulation an hie-
siger Universität fänd am 11. ds. statt und zwar wurden ins-
gesamt 60 Studierende eingeschrieben, nämlich 22 für die
theologische, 12 fiir die juristische, 15 für die medizinisclie
und 11 für die philosophische Fakultät. Mit dem Ergebnis

der ersten Immatrikulation stollt sich die Zahl der Ein-
schreibungen auf 260. Die dritte Immatrikulation findet am
20. ds. statt.

Tübingen. (Studentinnen.) Das Beispiel von Dr.
Maria Gräfin von Linden, die als erste ihres Geschlechts die
Tübinger Hörsäle besuchte, hat Nachahmung gefunden. Seit
5. Novbr., so schreibt man dem „Schwäb. Merkur“, zählen wir
wieder drei Damen als Bürger oder wenigstens Gastfreundinnen
unserer civitas academica. Drei Lehrerinnen der hiesigen
städtischen Töchterschule hatten vor einiger Zeit beim aka-
demischen Senat das Gesuch eingereicht, zum Zwecke ihrer
weiteren Ausbildung eine geschichtliche Vorlesung bei Pro-
fessor Busch hören zu dürfen. Dieses Gesuch wurde vom
Senat genehmigt. Obgleich die endgiltige Erledigung durch
das Bektoramt erst erfolgen kann, wenn das Ministerium,
dem die Sache gegenwärtig vorliegt, seine Zustimmung ge-
geben hat, wurden doch die drei Damen von Professor Busch
eingeladen, schon jetzt teilzunehmen, und so erschienen sie
am 5. ds. zum ersten Male in dem Kolleg über „Deutsche
Geschichte im Zeitalter der Beformation und Gegenreforma-
tion“.

Aus der (xdelirten-Welt.

Berlin. Den Privatdozenten an der hiesigen Universität
Dr. Eichard Sternfeld und Dr. Erich Liesegang ist das
Prädikat Professor heigelegt worden. Ersterer ist Dozent
für mittlere, Letzterer für neuere Geschichte.

Breslau. Am 13. Novbr. feierte einer der Nestoren der
Bakteriologie, Professor Ferdinand Julius Cohn in Breslau,
sein 50jähriges Doktorjubiläum. Der Jubilar wirkt seit 1850
an der Universität seiner Vaterstadt Breslau, deren Lelir-
körper er seit 1871 als ordentliclier Professor der Botanik
angehört. — Dem Oberbibliothekar an der Königlichen und
Universitätsbibliothek Dr. Karl de Boor ist das Prädikat
Professor beigelegt worden.

Freiburg. Dr. Wilhelm Moericke, Privatdozent der
Geologie an der hiesigen Universität, ist gestorben.

Göttingen. Für den Lehrstuhl der Pharmakologie an
der hiesigen Universität ist als Nacbfolger von Professor
Marme Begierungsrat Dr. J a c o b y, Mitglied des kaiserlichen
Gesundheitsamtes, ausersehen. — Am 12. Novbr. starb der
Gynäkologe Prof. Dr. Viktor Hüter aus Marburg.

Greifswiild. Der ordentliclie Professor in der juristi-
schen Fakultät, Geh. Justizrat Dr. C. Haeberlin, ist auf
seinen Wunsch von der Verpfiichtung, Vorlesungen zu halten,
entbunden worden. Er steht im 84. Lebensjahre.

Königsberg. An der liiesigen Universität hat sich
Oberstabsarzt Dr. Jäger vom Infanterie-Begiment Nr. 146,
früher Privatdozent an der Technischen Hochschule in Stutt-
gart, als Dozent für Hygiene und Bakteriologie habilitiert.

Lund. Der Professor der Chernie und Mineralogie an
der hiesigen Universität Dr. Wilhelm Blomstrand ist ge-
storben.

München. Am 16. ds. starb der Kulturhistoriker Ge-
heimerat Prof. Dr. v. Biehl, ein hochverehrter Hoclischul-
lehrer und hervorragender Schriftsteller. Wilhelm Heinrich
v. Biehl wurde geboren am 6. Mai 1823 zu Biebrich, studierte
in Marburg, Tübingen, Giessen und Bonn Theologie, Philo-
sophie und Geschichte und wandte sich dann vorzugsweise
der Kultur- und Kunstgeschichte zu. Nach längerer Thätig-
keit bei verschiedenen Zeitungsunternebmungen, u. a. an der
Karlsruher Zeitung und am Badischen Landesboten, wurde
er 1853 von König Maximilian II. von Bayern zum Professor
der Geschichte an der Universität München ernannt. Seit
1862 ist Biehl Mitglied der Münchener Akademie. 1880
wurde ihm mit dem bayerischen Kronenorden der persönliche
 
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