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Universität Heidelberg [Hrsg.]
Akademische Mitteilungen für die Studierenden der Ruprecht-Karls-Universität zu Heidelberg: Winter-Halbjahr 1913/14 — Heidelberg, 1913-1914

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Nr. 15 (7. Februar 1914)
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https://doi.org/10.11588/diglit.25138#0114
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Heidelbshgeb Akademische Mitteilungen

Vorbild kann uns unser Kaiser sein. Der 2. Vorsitzende, Herr G-ass-
ner (Teutoniae) liess einen Salamander auf den Grossherzog als För-
derer der Wissenschaft sowohl wie des turnerischen Sportes reiben. Die
Giiste — seit vielen Semestern war eine solche Anzahl von Ehrengästen
nicht mehr erschienen — begriisste Herr Raasch (Rhenaniae). Der
erste, der im Namen der Ehrentafel dankte und sprach, war Se. Magn.
der Prorektor, I-Ierr Geh. Hofrat Prof. Dr. Gottlieb. In klarer, wohl-
durchdachter und ebenso sachlicher Rede betonte er die Pflicht des
Studenten, sich auf die Aufgaben vorzubereiten, die er spiiter im öffent-
lichen Leben zu fördern berufen ist. In nationalen Fragen ziemt der
Jugend nicht das Fernstehen des Nur-Fachstudenten oder Nur-ßier-
studenten oder das Dariiberstehen des Aestheten, sondern Miterleben
und Neugestalten des Erlebten. Gefahr droht dabei von der Ueberfiille
der Anregungen, die dem heutigen Studenten zuströmen, so reichlich,
dass er unter der Vielheit der Bestrebungen und der Zersplitterung des
Wollens leiden muss. Einheitlichkeit kann da nur eine Weltanschau-
ung geben, die von Idealen erfiillt ist. Redner sprach anschliessend
von dem Idealismus vor 100 Jahren, im besonderen von dem Idealismus
Fichtes, dessen 100 jähriger Todestag mit Kaisers Geburtstag in diesem
Jahr zusammenfällt. Auch heute gilt noch Fichtes Gedanke, dass
Wissenschaftlichkeit nichts wert ist ohne rechte Gesinnung. Es ist
daher unsere erste nationale Aufgabe, in Arbeit und Leben nicht bloss
dem eigenen Interesse zu dienen, sondern dem Wohle der Gesamtheit.
Mit einem Salamander auf die Heidelberger Studentenschaft, aus der
schon viele Miinner hervorgegangen sind, welche diese Aufgabe aufs
Schönste erfüllten, und ihren Idealismus schloss der Redner. Im Namen
des Offizierkorps und der Stadt sprach S. Exz. Herr Generalleutnant
v. Hoffmeister. Er forderte die Studenten auf, an ihrem Idealismus
festzuhalten, denn ein Volk, so kraftvoll und so hoch begabt wie das
deutsche, könne nicht zu Grunde gehen. Den offiziellen Teil schloss
eine humorvolle Rede auf die Damen, die dicht gedrängt die Tribünen
fiillten, von Herrn Mertz (Vandaliae).

Das erste Präsidium der Fidulität führte Ilerr Privatdozent Dr.
Wätjen, der durch seine iiberaus launigen Worte allgemein erfreute.
Das zweite Präsidium der Fidulität erhielt Ilerr Major Nolte. Mit ob-
jektiv sachlichen Worten gedachte er der politischen Ereignisse der
letzteren Zeit und fand dabei allgemeine Zustimmung.

Darauf begann der allgemeine Aufbruch. -t-

Turnen und Sport an deutschen Hochschulen.

Am Mittwoch, den 4. ds. Mts., abends 7 Uhr hielt Dr. Rissom
auf Wunseh des „Studentischen Fach-Ausschusses für Leibesiibnngen“
im grossen Hörsaal des Neuen Kollegienhauses vor zahlreich erschienenen
Studenten einen Vortrag iiber „Turnen und Sport an deutschen
Hochschulen“ zur Einführung in das fiir den Sommer geplante
Turn- und Sportfest sowie um überhaupt den Zweck und die Not-
wendigkeit der Leibesübungen und der Wettkämpfe für die Studenten-
schaft darzulegen. Nachdem der Vorsitzende des studentischen Fach-
ausschusses, Herr stud. med. Link (Vinetae) die Versammlung eröffnet
hatte, besprach S. Magnificenz der Prorektor Ilerr Geh. Hofrat Prof.
Dr. Gottlieb vom Standpunkt des Mediziners die Leibesübungen und
empfahl warm ihre regelmässige Pflege. Sodann entwickelte Dr. Rissom
in einstündigem Vortrag etwa folgendes:

Gerade in der gegenwärdgen Zeit müssen alle Kräfte und Tugen-
den des deutschen Volkes erhalten und vermehrt werden, um jeden
Augenblick, wenn es nötig sein sollte, zum Wohl und Vorteil unseres
Vaterlandes eingesetzt werden zu können. An Mut wird es keinem
Deutschen fehlen, aber es fragt sich, ob die erforderlichen Kräfte vor-
handen sind, ob sie nicht im entscheidenden Augenblick versagen,
wenn fiir die Gesundheit und Körperentwicklung des Nachwuchses
nicht weit mehr als bisher in der richtigen Weise Sorge getragen
wird. Die Jugendpflege ist die fundamentalste Lebens-
frage einesjeden Staates. Diese Sorge erstreckt sich auch vor-
nehmlick auf die jungen Geistesarbeiter auf die akademische Mann-
schaft, die dereinst die Führer des Volkes werden sollen. Leider wird
in den höheren Lehranstalten, die zur Ilochschule vorbereiten, für die
Erziehung eines gesunden Körpers noch vieles versäumt; vor allem
brauchen ,wir mehr begeisterte akademische Turnlehrer, welche auf den
Universitäten für ihr Amt herangebildet werden müssen, damit sie die
Arbeit an der körperlichen Ertüchtigung der Schuljugend leiten und
erreichen, dass der Hochschulnachwuchs wesentlich gesunder und
kräftiger wird als gegenwärtig. Und auch auf allen Hochschulen
müssen geeignete Turnlehrer zur Verfiigung stehen, weil sich hier die
letzte Gelegenheit bietet, den jugendiicken Körper zu kräftigen und zu
stählen und etwaige Schäden nock möglichst auszugleichen. Es ist
betrübend, dass nur 65 °/o von den Einjährig-Freiwilligen überhaupt
militärdienstfähig sind, dass die Tauglichkeit erheblich abnimmt mit
der Länge der Zwischenzeit zwischen dem Abschluss der Schule und
der Meldung zum Eintritt in das Dienstjahr und in 5 Jahren herab-
sinkt auf 48°/o. Hier muss die regelmässige Pflege der Leibesübungen
wieder bessere Verhältnisse bringen. Die Studenten müssen für die
Bestrebungen wieder gewonnen werden, denn sie, als Träger des kultu-
rellen Fortschritts, haben die Pflicht, für harmoniSche Ausbildung von
Körper und Geist zu sorgen. Die akademische Jugend vor 100 Jahren
ist uns hierfür ein leuchtendes Beispiel. Fichte und Jahn haben sich
nicht vergeblich an sie gewandt. Der Gedanke, sich mannhaft und
wehrhaft zu machen durch Leibesübungen, ergriff die Studenten und
veranlasste sie zur Bildung von akademischen Turnriegen auf fast allen
Ilochschulen, voran die Burschenschaften. Leider wurde infolge der

unseligen Tat des Studenten Sand, der in patriotischer Begeisterung
den Dichter Kotzebue als russischen Spion und Feind der akademi-
schen Freiheit ermordete, die Burschenschaft aufgehoben und das
Turnen verboten. So wurde auf Jahrzehnte die ganze turnerische
Bewegung lahm gelegt. Nach dem ersten deutschen Turnfest in
Coburg (1860) und besonders nach dem ersten Akademischen Turnfest
in Sangerhausen (1882) entstanden in rascher Folge überall turnende
Korporationen, denen im letzten Jahrzehnt die Sportlilubs gefolgt sind.
Trotzdem treiben von 71000 Studierenden nur 11000 regelmässig
Leibesübung irgend welcher Art, von denen die farbentragenden (V. C.)
und nicht farbentragende Turnverbände (Ä. T. B.) und die Burschen-
schaft das weitaus grösste Kontingent stellen. Karrikaturen von
Studenten, wie sie noch immer in den Witzblättern zu finden sind,
müssen ebenso aus der Vorstellung des Volkes verschwinden wie die
Erscheinung des schlappen Einjährigen. Freilich fällt ein grosser Teil
der Schuld wegen der geringen Beteiligung auf den Mangel auf Turn-
hallen und Spielplätzen an den Hochsohulen, für deren Beschaffung
weit mehr gesorgt werden muss. In Amerika sind Turnen und Sport
in den ersten Semestern obligatorisch für jeden Studenten, und es
werden dort glänzend ausgestattete Uebungsstätten zur Verfügung ge-
stellt. Diese Einrichtungen könnten für uns vorbildlich sein, unter der
Bedingung, dass das freie Burschentum gewahrt bleibt. Von dem in
den letzten Jahren erfolgten Zusammenschluss aller Leibesiibungen
treibendeu Verbände zum „Deutsch-akademischen Bund für Leibes-
übungen“ sowie von den auf den meisten Hochschulen gegründeten
„Professoren-Ausschiissen“ und den „Studentischen Ausschüssen fiir
Leibesübungen“ ist eine wesentliche Förderung zu erwarten, die in
kleineren örtlichen Turn- und Sportfesten (wie zum Sommer hier in
Ileidelberg) und in grossen akademischen Olympien fiir alle Studieren-
den (wie im vorigen .Herbst iD Leipzig) ihren sichtbaren Ausdruck
finden soll. So sind nunmehr die Richtlinien vereinbart, auf denen
eine günstige Entwicklung der körperlichen Ertüchtigung der akademi-
schen Jugend sich vollziehen kann. Das Ziel ist gesteckt, das er-
reicht werden soll, und die Wege sind gewiesen, die zu diesem Ziele
führen sollen: zu einem gesunden, starken und sinnenfrohen Geschlecht,
zu Edelmenschen in geistigem, wie in körperlichem Sinne, welche
fähig sind, als spätere Fiihrer des Volkes allen Anforderungen gerecht
zu werden. Mit einem „Vivat, crescat, floreat Academia!“ schloss der
Redner seinen Vortrag, der mit lebhaftem Beifall aufgenommen wurde.
Nachdem Ilerr Univ.-Turnlehrer Hogenmtiller an den Idealismus
der Kommilitonen appelliert und sie zur tätigen Mitarbeit angeregt,
sprach Herr Geb. Hofrat Prof. Dr. Endemann unter allseitiger
freudiger Zustimmung über die Notwendigkeit des Zusammenarbeitens
für eiu erfolgreiches glücldiches Gelingen des geplanten Turnfestes im
Sommer und forderte zu regster Beteiligung auf, da nicht auf erzielte
Höchstleistungen, sondern auf allgemeine Durchsclinittsleistung das
entscheidene Gewicht gelegt werden solle.

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