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144

.T. Wille

Karl Zangemeister ist aus Thüringen zu uns gekommen. Am
28. November 1837 ist er im Gothaiscben geboren. Die Eigenart seines
Stammes hat er nicht verleugnen können, doch vor allem zwei Lebens-
elemente nahm er aus der Heimat mit: aus dem Lande, da deutscher
Sang durch Geschichte und Sage klingt, sein fröhliches Herz und aus
dem Lande, wo seit alters die gelehrten Schulen blühen, den Ernst in
der Wissenschaft. Ernst strebend und lernend ist er aufgewachsen.
Nach vollendeter Gymnasialzeit, die ihm in dankbarer Erinnerung blieb,
hat er in Bonn und Berlin klassische Philologie studiert, zu einer Zeit,
als das Studium der Altertumswissenschaft in höchster Blüte stand. Das
geschah noch im alten Deutschland, dessen Jugend ideale Werte noch
zu schätzen wusste und noch verstand, welch ein hoher bildender Wert,
welch eine geistige Kraft im Studium der Antike liegt. Auch Zange-
meister folgte diesem Zuge. Nicht die litterarisch-ästhetische Seite der
klassischen Studien hat ihn angezogen, er ging den harten, schweren
Weg, den ihm sein Lehrer Friedrich Wilhelm Kitschi in Bonn gewiesen,
dem grammatische Schulung die grundlegende Methode aller philologi-
schen Kritik war, ohne die ein Erforschen des Altertums ja nicht denk-
bar ist. Denn kein Studium der Sprache ohne Grammatik. Eine Sprache
wissenschaftlich erforschen heisst aber ihren Quellen nachgehen und
diese ältesten Quellen liegen nicht in den litterarischen Denkmälern, sie
ruhen in den Inschriften. Diese sind ein wichtiges Fundament der
Sprachengeschichte. Die Forderung eines Sprachstudiums des alten
Latein auf Grund der Inschriften, das war in der Schule Ritschls ein
hervorragendes Programm. In diese Richtung hat Zangemeister sich
hineingelebt, nach Neigung und Anlage, die ihm wie wenigen andern an-
geboren war. Die Epigraphik ward seine wissenschaftliche Lebensarbeit.
Doch über die Ziele grammatischer Forschung und ausschliesslich philo-
logischer Kritik ist er weit hinausgewachsen. Wohl hat er auch hier
seine Probe bestanden, seine Mitarbeit an der Bentley’schen Horazaus-
gabe, seine Ausgabe des Kirchenvaters Orosius, die er nach eingehenden
Forschungen besonders in den Bibliotheken Englands besorgte, zeigt
uns, was er auf diesem Gebiete, würdig seines Lehrers, gelernt hat.
Von entscheidender Bedeutung aber für ihn war, dass es Ritschl gelang,
das grosse monumentale Werk einer Sammlung aller Inschriften aus
dem weiten Bereiche altrömischer Kultur von neuem anzuregen und
Theodor Mommsen die Macht seines genialen Schaffens für dieses ge-
waltige Unternehmen einsetzte. Karl Zangemeister trat in den Dienst
dieses von der Berliner Akademie herausgegebenen Werkes. Wie sehr
 
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