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Maistre Francois Villon

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Der Dichter ist 1431 in Paris geboren. Sein Vater, den er früh
verloren haben muss, hatte zwei Zunamen „des Loges“ und „Montcorbier“,
die wir aus den Akten der „Faculte des arts“ der Pariser Universität
und zwei Gnadenbriefen von 1455 und 1456 kennen lernen. In der einen
Urkunde wird der Dichter als „maistre Francois des Loges, autrement
dit de Villon“ bezeichnet.3) Der Name „de Villon“ kam ihm von einem
Oheim Guillaume de Villon, Kanonikus der Stiftskirche von St. Benoit
le Bestourne, bei dem er wohnte und dem er als seinem „plus que
pere“ ein treues Andenken bewahrt hat. Sein Vater, sein Grossvater
Orace waren arm :

„Sur les tombeaulx de nies ancestres

Les ames desquelz Dien embrasse,

On n’y voit couronnes ne ceptres.’1 (Gr. Test. Str. XXXV.)

Seine Mutter, die 1461, als Villon sein Testament verfasste, noch
lebte, schildert er als „pauvrette et ancienne“ in einem Gebet an die
Jungfrau Maria von wunderbarer Einfalt und Innigkeit, das er ihr in
seinem Testament vermacht:

„Femme ie suis pourette et ancienne
Qui riens ne scay; oncques lettres ne leuz;

Au moustier2) voy dont suis paroissienne
Paradis peint oii sont harpes et luz,

Et ung enfer oü dampnez sont boulluz :

L’ung me fait paour, l’autre ioye et liesse“ . . . (Gr. T. v. 893—8.)

Villon wohnte bei seinem Oheim in unmittelbarer Nähe der Sorbonne,
deren Glocke er von seinem Zimmer aus hörte,3) mitten im Quartier latin,
wo die verschiedenen Hörsäle und Lehranstalten der Universität zerstreut
waren. Er trat in die Faculte des arts ein, welche die Vorstufe zu den übrigen
Facultäten, besonders zur theologischen, bildete. Franyois de Montcorbier
wurde 1449 baccalaureus, 1452 magister. Er scheint nach einiger Zeit
ernsteren Studiums, dessen Spuren sich in seinen Werken wiederfinden,4)
bald in eine recht lose Gesellschaft geraten zu sein. Er hat später mit
Wehmut und Reue an seine „jeunesse folle“ zurückgedacht und ver-
gleicht sein selbstverschuldetes Elend mit dem beschaulichen und ge-
nussreichen Dasein mancher Studiengenossen, die als Mönche woblver-

1) Aug. Longnon, Etüde biographique sur Fr. Villon. Paris 1877 S. 12 f. u. 133.

2) Die Kirche.

3) „Ce soir, seulet, estant en bonne (in guter Stimmung) — Dictant c.es laiz
et descripvant — J’oi la cloche de Serbonne, — Qui tousiours ä neuf heures sonne
— Le Salut que l’Ange predit“ . . . (Petit Test. Str. XXXV.)

4) G. Paris, Fr. Villon S. 43—47.
 
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