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J. Wille
seiner eigenen Sache. Auch von ihm wie von Labadie trennt sie bei
aller Zuneigung doch eine unsichtbare Welt.
Fromm und gerecht, nie müde im Suchen nach der Wahrheit, hat
sie bis an ihr Ende das Eeichsstift Herford regiert, am 11. Februar
1680 im Alter von 62 Jahren ist sie gestorben.
Schwer ist es dieses Leben in seinen inneren Wandlungen und Re-
gungen zu verfolgen und zu verstehen, weil uns die historische Grund-
lage, ihre eigenen Bekenntnisse doch nur bruchstückartig bekannt
sind. Wie anders, wie lebendig steht dem gegenüber das Lebensbild
ihrer Nichte Liselotte vor uns, deren zahlreiche Briefe *) die feinsten und
unfeinsten Regungen ihres Seelenlebens uns enthüllen !
Prinzessin Elisabeth geizte nicht nach dem Ruhme einer Schriftstel-
lerin und Philosophin oder nach einer Unsterblichkeit, die im Sinne der
Mystik Sünde bedeutet. Ihre Briefe an Descartes hat sie nach dem
Tode des Philosophen zurückverlangt, ihre Herausgabe verweigert, als
man diese wertvollen Zeugnisse ihres Geisteslebens, der ersten Gesamt-
ausgabe der Descartes’schen Werke einverleiben wollte. Nur durch einen
Zufall sind diese Briefe aus einem verborgenen Winkel wieder zum
Vorschein gekommen und vielleicht bildet auch dieser wertvolle Fund
nur einen kleinen Teil von dem, was verborgen liegt oder auf immer
verloren gegangen ist. Wir wissen, dass sie durch ihre Schwester Sophie
mit Leibnitz bekannt geworden war. Mit Malebranche, der alle Dinge
in Gott geschaut, hat sie Briefe gewechselt.1 2) Um diese zu finden,
geben wir gerne ein gutes Teil selbst von Liselottens urwüchsigen Be-
kenntnissen zum Preise, ohne dass ihr prächtiges Bild auch nur einen
einzigen Zug einbüssen müsste.
Was uns aber auch diese verlorenen Bekenntnisse aufhellen könn-
ten, das möge uns ein Künstler sagen, der in die Tiefen deutschen
Wesens wie kein anderer hineingeschaut hat. Aus seiner grossen Zeit
heraus, in der Glauben und Wissen die Geister bewegte, hat uns Albrecht
Dürer zwei Bilder geschaffen: Den heiligen Hieronymus im Gehäuse,
den Eremiten, der ferne vom Geräusche der Welt in fromme Arbeit
versenkt ist, beschaulich und gottseelig. Freundlich und warm scheint
die Sonne durchs Fenster. Ein Bild tiefsten Friedens, innerlichster Ruhe,
1) J. Wille, Pfalzgräfin Elisabeth Charlotte, Herzogin von Orleans 1895. S. 33 ff.
2) Mit den beiden grossen Mathematikern und Physikern Konstantin und
Christian Huygens dürfte sie auch späterhin in brieflichem Verkehr gestanden
haben. Unter den berühmtesten Gelehrten der Zeit, denen Christian Huygens
sein Horologium (Hagae Com. 1658) zugeschickt hat, steht auch Elisabeths Name.
Christian Huygens, Oeuvres publ. par la Societe Hollandaise des Sciences II, 269.
J. Wille
seiner eigenen Sache. Auch von ihm wie von Labadie trennt sie bei
aller Zuneigung doch eine unsichtbare Welt.
Fromm und gerecht, nie müde im Suchen nach der Wahrheit, hat
sie bis an ihr Ende das Eeichsstift Herford regiert, am 11. Februar
1680 im Alter von 62 Jahren ist sie gestorben.
Schwer ist es dieses Leben in seinen inneren Wandlungen und Re-
gungen zu verfolgen und zu verstehen, weil uns die historische Grund-
lage, ihre eigenen Bekenntnisse doch nur bruchstückartig bekannt
sind. Wie anders, wie lebendig steht dem gegenüber das Lebensbild
ihrer Nichte Liselotte vor uns, deren zahlreiche Briefe *) die feinsten und
unfeinsten Regungen ihres Seelenlebens uns enthüllen !
Prinzessin Elisabeth geizte nicht nach dem Ruhme einer Schriftstel-
lerin und Philosophin oder nach einer Unsterblichkeit, die im Sinne der
Mystik Sünde bedeutet. Ihre Briefe an Descartes hat sie nach dem
Tode des Philosophen zurückverlangt, ihre Herausgabe verweigert, als
man diese wertvollen Zeugnisse ihres Geisteslebens, der ersten Gesamt-
ausgabe der Descartes’schen Werke einverleiben wollte. Nur durch einen
Zufall sind diese Briefe aus einem verborgenen Winkel wieder zum
Vorschein gekommen und vielleicht bildet auch dieser wertvolle Fund
nur einen kleinen Teil von dem, was verborgen liegt oder auf immer
verloren gegangen ist. Wir wissen, dass sie durch ihre Schwester Sophie
mit Leibnitz bekannt geworden war. Mit Malebranche, der alle Dinge
in Gott geschaut, hat sie Briefe gewechselt.1 2) Um diese zu finden,
geben wir gerne ein gutes Teil selbst von Liselottens urwüchsigen Be-
kenntnissen zum Preise, ohne dass ihr prächtiges Bild auch nur einen
einzigen Zug einbüssen müsste.
Was uns aber auch diese verlorenen Bekenntnisse aufhellen könn-
ten, das möge uns ein Künstler sagen, der in die Tiefen deutschen
Wesens wie kein anderer hineingeschaut hat. Aus seiner grossen Zeit
heraus, in der Glauben und Wissen die Geister bewegte, hat uns Albrecht
Dürer zwei Bilder geschaffen: Den heiligen Hieronymus im Gehäuse,
den Eremiten, der ferne vom Geräusche der Welt in fromme Arbeit
versenkt ist, beschaulich und gottseelig. Freundlich und warm scheint
die Sonne durchs Fenster. Ein Bild tiefsten Friedens, innerlichster Ruhe,
1) J. Wille, Pfalzgräfin Elisabeth Charlotte, Herzogin von Orleans 1895. S. 33 ff.
2) Mit den beiden grossen Mathematikern und Physikern Konstantin und
Christian Huygens dürfte sie auch späterhin in brieflichem Verkehr gestanden
haben. Unter den berühmtesten Gelehrten der Zeit, denen Christian Huygens
sein Horologium (Hagae Com. 1658) zugeschickt hat, steht auch Elisabeths Name.
Christian Huygens, Oeuvres publ. par la Societe Hollandaise des Sciences II, 269.