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Historisch-Philosophischer Verein <Heidelberg> [Hrsg.]
Neue Heidelberger Jahrbücher — 14.1906

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Jagemann, Eugen von: Ein Nürnberger Ratsprozess: Vortrag, im historisch-philosophischen Verein zu Heidelberg am 3. Juli 1905 gehalten
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https://doi.org/10.11588/diglit.29092#0180
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174

E. v. Jagemanii

II.

Der Geheimschreiber Kaiser Friedrichs III., Piccolomini, riihmte
in einem Werk über Deutschland die Zahl und Wohlgelegenheit, sowie
das Ansehen unserer deutschen Städte; wie gross, fest und prächtig sie
seien und von jugendlicher Kraft des Aufbliihens, — dabei hätten sie
mehr bürgerliche Ordnung, Zucht und Sitte als die italienischen Städte.
Treffliche Waffen habe nicht nur der Adel, sondern auch der Bürger;
der Deutsche trage die Waffen so leicht wie seine Glieder, er sitze un-
erschütterlich zu Pferde. Der Bürgerstand in den Städten sei von grosser
Wohlhabenheit; die Könige von Schottland wolmten nicht so gut wie
ein mittelmässiger Bürger in Niirnberg; viele Stadthäuser glichen Pa-
lästen, einfache Bürgersfrauen seien mit Gold geziert und in den Gast-
höfen sei silbernes Geräte auf den Tischen etwas Gewöhnliches.

Wer sich diesen glücklichen Zustand im 15. Jahrhundert vergegen-
wärtigt, wird von selbst auf den Gedanken kommen, dass auch die
Kechtsverhältnisse der Städte mit diesem wirtschaftlichen hohen Stand
in einem gewissen Parallelismus sich befanden.

Rud. v. Ihering hat einst die Bemerknng gemacht, es gebe eine
anatomische und eine physiologische Rechtsbetrachtung. Die eine
seciert das Recht auf seine Bestandteile, die andere dagegen sieht auf
seine tieferen Kräfte und Zusammenhänge und auf seine Funktionen.
Zweifellos ist diese zweite Methode diejenige, welche dem Historiker
zukommt. Er wird stets im Recht einen Ausdruc-k der Zeitverhältnisse
sehen und auf die letzten psychologischen Faktoren abheben, welche
das Menschengeschlecht je nach dem AVechsel der politischen, religiö-
sen und wirtschaftlichen Anschauungen und Verhältnisse zu einem
ständigen Rechtswandler machen. Es sind die psychologischen Triebe
bald der Freiheit und Standes- oder absoluten Gleichheit, bald der Macht
anderseits.

Dieser letztere Trieb war es, welcher die Entwickelung des öffent-
lichen Rechts in den deutscben Städten um jenes Zeitalter vorwiegend
beherrschte.

Das Städterecht hat sich von Anbeginn an aus der Erteilung von
kaiserlichen Privilegien entwickelt. Darauf. beruhten Markt- und Be-
festigungsrecht, sowie die Ausnehmung von den allgemeinen Gerichten,
so dass die grössten Städte selbst mit Gerichtsrechten, sogar einschliess-
lich des Blutbanns, belelmt wurden. Wie die grossen, kleinen und klein-
sten Herrn, von dem Königtum solche Privilegien erstrebten und er-
langten und mit Stolz ein Rad oder ein Henkersbeil im Wappen als
 
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