Aus alter uml ueuer Zeit der Ileidelberger
Bibliothek.
Rede
zur Feier der VolLendung des neuen Bibliotheksgebäudes
gehalten
in der Aula der Universität
am 9. Dezember 1905
von
J. Wille.
Hochansehnliche Festversammlung!
Ein bedeutsamer Zufall will es, dass der Tag, an dem unsere
Universität die Vollendung ihres neuen Bibliotheksgebäudes zu feiern
gedenkt, zugleich der Gehurtstag Johann Joachim Winckelmanns ist.
Der grosse Archäologe, der in unbegrenzter Begeisterung und tiefem
künstlerischen Empfinden uns die ewige Schönheit antiker L’ormen er-
schlossen und dem ästhetischen Denken eines ganzen Zeitalters seine vor-
herrschend geistige ßichtung gab, ist nicht in der Höhenluft der Künste,
sondern im Bücherstaube aufgewachsen. Ehe seinem jugendlichen Auge
zum ersten male eine schöne Welt in noch spärlichen Zeugnissen künst-
lerischen Schaffens sich erschloss, ist er entsagungsvoll den Büchern
nachgezogen, wie ein Durstiger die Quelle sucht. Sie waren seine
einzige Freude, seine Leidenschaft. Nicht allein um zu lernen, schon
um eine Bücherwelt zu sehen, konnte er weithin wandern. Bücher zu
ordnen war ihm ein Genuss. An ihrer äussern Erscheinung allein konnte
er sich erfreuen, wie der einsame Wanderer sich an den Früchten er-
freut, die in bunter Menge und frischen Farben aus dem Grtin der
Bäume ihn grüssen, ohne dass er davon geniessen will oder kann.
Bibliothek.
Rede
zur Feier der VolLendung des neuen Bibliotheksgebäudes
gehalten
in der Aula der Universität
am 9. Dezember 1905
von
J. Wille.
Hochansehnliche Festversammlung!
Ein bedeutsamer Zufall will es, dass der Tag, an dem unsere
Universität die Vollendung ihres neuen Bibliotheksgebäudes zu feiern
gedenkt, zugleich der Gehurtstag Johann Joachim Winckelmanns ist.
Der grosse Archäologe, der in unbegrenzter Begeisterung und tiefem
künstlerischen Empfinden uns die ewige Schönheit antiker L’ormen er-
schlossen und dem ästhetischen Denken eines ganzen Zeitalters seine vor-
herrschend geistige ßichtung gab, ist nicht in der Höhenluft der Künste,
sondern im Bücherstaube aufgewachsen. Ehe seinem jugendlichen Auge
zum ersten male eine schöne Welt in noch spärlichen Zeugnissen künst-
lerischen Schaffens sich erschloss, ist er entsagungsvoll den Büchern
nachgezogen, wie ein Durstiger die Quelle sucht. Sie waren seine
einzige Freude, seine Leidenschaft. Nicht allein um zu lernen, schon
um eine Bücherwelt zu sehen, konnte er weithin wandern. Bücher zu
ordnen war ihm ein Genuss. An ihrer äussern Erscheinung allein konnte
er sich erfreuen, wie der einsame Wanderer sich an den Früchten er-
freut, die in bunter Menge und frischen Farben aus dem Grtin der
Bäume ihn grüssen, ohne dass er davon geniessen will oder kann.