Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Historisch-Philosophischer Verein <Heidelberg> [Hrsg.]
Neue Heidelberger Jahrbücher — 14.1906

DOI Artikel:
Wille, Jakob: Aus alter und neuer Zeit der Heidelberger Bibliothek: Rede zur Feier der Vollendung des neuen Bibliotheksgebäudes in der Aula der Universität am 9. Dezember 1905
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.29092#0222
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
216

J. Wille

Hätte ihn nicht das Schicksal von den Büchern zu den Malern gefiihrt
und die Strasse nach dem Süden, woher selten ein für grosse Eindrücke
empfänglicher Geist ohne innere Umwandlung und Läuterung zurück-
kehren kann, Winckelmann wäre der beste Bibliothekar und eine Zierde
unseres Standes geworden.

Doch nicht allein aus den Keihen der Bücher, zu denen sich seit
Wochen Magister und Scholaren, in aufgezwungener Enthaltsamkeit
hungrig und durstig geworden, nun fast ungenügsam drängen, spricht
die Erinnerung an jenen leidenschaftlichen Bücherfreund, auch das nun
vollendete Bauwerk selbst darf Gedanken an jenen Entdecker antiker
Kunst wachrufen, dessen Geburtstag heute vorab die Archäologen feiern.
In einer Zeit, da ästhetisch zu kritisieren zum guten Ton gehört, liegt
es mir trotzdem ferne, Sie im Angesichte dieses Baues stilistisch be-
lehren zu wollen. So gut wie ein Literat, muss sich ja auch ein
Baukünstler gefallen lassen, dass die Welt über sein Werk urteilt.
Grundverschieden wird dies immer sein. Er mag über freudige
Anerkennung sich freuen, über ihr Versagen mit dem Gedanken sich
hinwegsetzen, dass man einem Fischer von Erlach und Balthasar Neu-
mann einen „Zopf“ angehängt hat, den zu tragen man heute stolz ist.

Wer aber das Innere dieses nun vollendeten Gebäudes betritt und
unter dem Eindrucke mouumentaler Grösse sich ihrer so einfaclien
Sprache nicht verschliessen kann, der fühlt etwas von dem Geiste, der
einem solchen Hause innewohnen soll. Eine Bibliothek ist der Ort
weihevoller, stimmungsreicher Kuhe, wie ernste Arbeit sie verlangt.
Monumentale Ruhe in erhabener Grösse und in einfachen schönen For-
men zum Ausdruck gebracht, nach jenem strengen Gesetze, an das ein
jeder künstlerische Gedanke, um nicht zügellos zu werden, gebunden
ist, bildet die nie überwindbare Lebenskraft des antiken Bauwerkes.
Auch die Lebensarbeit des Mannes, der unserer Universität zwei ihrer
vornehmsten Bauten, diesen stimmungsvollen Saal und die neue Biblio-
thek geschaffen hat, wurzelt bei aller Freiheit sich selbst fortbildender
und neubildender Gedanken, technisch, künstlerisch und wissenschaftlich
im Bannkreise der hohen Lehre antiker Meister. Die vaga et soluta
opinio, um mit Alberti zu reden, hat ihn um eines zeitgemässen Ruh-
mes willen niemals irre gemacht. Doch es liegt mir ferne, der Be-
deutung Joseph Durms gerecht werden zu wollen, dessen Name mit
der Baugeschichte des badischen Landes dauernd verbunden ist, der als
Vertreter einer technischen Hochschule, zugleich als Ehrendoktor von
Heidelberg, durch die Kichtung, die Art und Weise seiner streng ge-
 
Annotationen