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Rechtsverse
Von Eberhard Freiherr von Künßberg
I. ÄLTERE UND JÜNGERE RECHTSVERSE
Wenn man von der gebundenen Form, von Versen in Rechtsquellen
spricht, oder von Rechtsversen, hat man wohl zwei große Gruppen zu
unterscheiden, die allerdings nicht ganz ohne Beziehung zueinander sind;
eine ältere und eine jüngere Schichte.
Die ältere Schicht reicht wahrscheinlich viel weiter zurück als wir
sie verfolgen können. Wegen der innigen Berührungen mit der Glaubens-
welt und wegen der Strenge des Inhalts, der für den einzelnen Ritus er-
forderlich war, können wir diese ältere Schichte die rechtlich-rituelle
nennen. Ihre kräftige Kunstform dient dazu, ihre Wirksamkeit zu er-
höhen; damit ist die Verwandtschaft der Rechtsformeln mit den Zauber-
formeln gegeben.
Rechtsquellen in dichterischer Form gibt es bei vielen Völkern. Die
Tartessier1, ein iberischer Stamm, sollen nach Strabo2 sechstausend
Jahre alte Gesetze gehabt haben, die metrisch waren. Die Gesetze des
Charondas in Athen waren singbar 3 *. Auch von den Briten und Druiden
wird berichtet, daß sie Gesetze in Versen hatten1. Ein weiteres Beispiel
bilden die alttestamentlichen Rechtssätze5.
Bei den germanischen Völkern ist die Rechtsdichtung bewundernswert
ausgeprägt; vor allem in den altfriesischen6 und altnordischen7 Gesetzen.
1 A. Schulten, Tartessos. Hamburgische Universität, Äbhandl. aus dem Ge-
biet der Auslandkunde 8 (1922), 69f. 92.
2 Strabo, Geographica III 1, § 6.
3 Schulten, S. 70.
1 Thumwald in Eberts Reallexikon der Vorgesch. 11, 55.
5 Exodus 21. Schulten S. 70.
6 Kögel, Gesch. d. deutschen Literatur I (1894), 242ff.; Heck, Uebersefzungs-
probleme im frühen Mittelalter 1931, 35 ff. Siehe unten S. 109, Beispiel 1.
Sievers, Metrische Studien IV. Die altschwedischen Uplandslagh nebst Pro-
ben formverwandter germanischer Sagdichtung. (= Abhandlungen d. phil.-hist.
Klasse der Sachs. Gesellsch. d. Wiss., 25. Bd.) 1918—19, S. 615 ff.
7 Sievers (Änm. 6).
Lind, Om rim och verslemningar i de svenska landskapslagarne, Upsala
©
Universifets Arsskrift 1881; v. Schwerin, Einführung in das Studium der ger-
manischen Rechtsgeschichte 1922, 102.
 
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