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Herfarth, Christian [Hrsg.]; Bartsch, Helmut [Hrsg.]; Universitäts-Gesellschaft <Heidelberg> [Hrsg.]
Heidelberger Jahrbücher: Gesundheit — Berlin, Heidelberg, New York, 50.2006 [erschienen] 2007

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https://doi.org/10.11588/diglit.3464#0343

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Faktor Mensch: Beziehung als Ressource im „Medizinbetrieb" 337

umsetzen. Da im Zeitalter der DRGs den Ärzten und Pflegenden ein immer ef-
fizienteres „Zeitmanagement" abverlangt wird, steigt das Risiko eines grund-
sätzlichen Interessenkonflikts zwischen Patienten und Krankenhauspersonal
nach folgendem Muster: Der Patient zeigt ein Bedürfnis nach mehr Zuwen-
dung; der Arzt bzw. die pflegende Person ist eher an Abgrenzung interessiert,
zumal bereits die Bürokratie zu einem enormen „Zeitfresser" geworden ist und
innerhalb der begrenzten Zeit auch noch die Forschung intensiviert werden
muss, damit die betreffende Institution für die leistungsorientierte Mittelver-
teilung angemessene Impact-Faktoren vorweisen kann. Im Extremfall mündet
dieses Dilemma in eine konsequente Abgrenzungsstrategie gegenüber Patien-
ten, wie sie von einem kommissarischen Direktor an einer auswärtigen Univer-
sitätsklinik satirisch wie folgt ausgedrückt wurde: „Was wäre die Klinik schön,
wenn doch nur die Patienten nicht wären!"

In diesem Spannungsfeld von Interessenkollisionen kann die Medizinische
Psychologie in verschiedener Hinsicht nützlich werden. Von den medizinpsy-
chologischen Vorlesungen, Kursen und Seminaren im vorklinischen Studien-
abschnitt kann man wohl kaum mehr als eine Sensibilisierung für die hier an-
gedeuteten Themen erwarten; denn die naturwissenschaftlichen Fächer haben
im vorklinischen Studienabschnitt ein weit größeres Gewicht, und die Studie-
renden haben bis zur ärztlichen Vorprüfung ja kaum Gelegenheit, erworbene
psychologische Grundkenntnisse im konkreten Umgang mit Patienten zu er-
proben. Eine andere Möglichkeit der Medizinischen Psychologie, die in frühe-
ren Jahren häufig angefragt wurde, lässt sich als „FeuerwehrmodeH" bezeich-
nen: Im Sinne von Konsiliar- und Liaison-Diensten kommen Mitarbeiter der
Medizinischen Psychologie ebenso wie solche der Psychosomatik und der Psy-
chiatrie als Berater auf bestimmte Krankenstationen, wenn Patienten z.B. auf-
grund einer seelischen Komorbidität psychisch auffällig geworden sind oder
ein Krisenmanagement innerhalb des Personals notwendig geworden ist. Eine
dritte Variante von Versuchen der Medizinischen Psychologie, sich im Gesamt
eines Universitätsklinikums nützlich zu machen, hat das Heidelberger Institut
für Medizinische Psychologie entwickelt: Es bietet zunehmend Selbstfürsorge-
Seminare für das Personal und Coaching für Führungskräfte an.

Da auch die Medizinische Psychologie nur über stark begrenzte Ressourcen
verfügt, kann sie nicht überall dort, wo sie angefragt wird, präsent sein, sondern
sie muss sich rar machen. Beispielsweise könnte sich das Institut für Medizini-
sche Psychologie gemeinsam mit der Sektion Psycho Onkologie im Nationalen
Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) des Heidelberger Universitätsklini-
kums dafür stark machen, dass bei sämtlichen Patienten psychodiagnostisch
geklärt wird, ob sie eine professionelle psychologisch-psychotherapeutisch-
sozialmedizinische Unterstützung benötigen. Aus Personalmangel ist ein sol-
cher Beitrag des Instituts für Medizinische Psychologie derzeit nicht möglich.
Die Sektion Psycho Onkologie arbeitet derzeit an der Entwicklung und Imple-
mentierung eines entsprechenden Erfassungs- und Dokumentationssystems.
 
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