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Heidelberger Zeitung — 1895 (Januar bis Juni)

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Nr. 101-126 (1. Mai - 31. Mai)
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Politische Umschau.
Heidelberg, 9. Mai.
Gestern hat der Reichstag nun die zweite Lesung
der Umsturzvorlage begonnen. Das Centrum ist
bis jetzt, wie aus der Erklärung des Fraktions-
redners hervorgeht, aus den Beschlüssen der Kommission
stehen geblieben, die bekanntlich von allen anderen Parteien,
einschließlich der Conservativen, die sich in der Kommission
hatten übertölpeln lassen, in wesentlichen Punkten verworfen
werden. Diese Taktik des Centrums gilt aber nur für
die zweite Lesung, denn der Centrumsredner Reindl sagte
ausdrücklich: „Wir werden in der zweiten Lesung für
die Kommissionsbeschlüsse stimmen. Bezüglich der ganzen
Vorlage bemerken wir, daß auch uns die Beschlüsse der
Kommission nicht überall gefallen und genügen. (Große
Heiterkeit.) Meine Freunde werden auf die einzelnen Be-
stimmungen eingehen, sich aber die S ch luß abstimmung
ausdrücklich Vorbehalten."— Wird in der zweiten Lesung
überhaupt etwas angenommen, und das ist wahrscheinlich,
z. B. die auf die Armee bezüglichen Bestimmungen, und
kommt es demgemäß überhaupt zu einer dritten Lesung,
so würden voraussichtlich in dieser nochmals Versuche ge-
macht werden, ein Kompromiß zu Stande zu bringen. Es
ist also nicht ausgeschlossen, daß sich das Schicksal des
Gesetzes erst in der dritten Lesung entscheidet. Auf Seiten
der Regierung ist das begreifliche Bestreben vorhanden,
irgend etwas Brauchbares aus der langen und großen
Kampagne herauszubringen, weil sonst die ganze Session
ein zu klägliches Resultat ergeben würde.
Die wirthsch aftliche Lage im Innern der
Türkei verschlechtert sich, wie man der Franks. Ztg. aus
Konstantinopel schreibt, immer mehr. In Folge der fast
durchweg guten Ernten in Europa und der niedrigen
Kornpreise ist der Getreideexport fast gänzlich lahm gelegt.
Seit Menschengedenken ist kein so schlechtes Exportjahr für
die Türkei zu verzeichnen, wie das laufende. Die Ernte
in Anatolien wie in Rumelien war eine gute, indeß ist
das Getreide nicht zu verwerthen. Große Mengen Korn
sind im Innern aufgestapelt und dem Verderben ausgesetzt,
da bei der primitiven Art der Landwirtschaft dem Bauern
keine Mittel zur Verfügung stehen, das Korn längere Zeit
aufzubewahren. Die orientalischen Eisenbahnen haben, um
dem Export Erleichterungen zu verschaffen, den niedrigsten
Frachtsatz von 10 Cent per Tonne per Kilometer in An-
wendung gebracht, sodaß z. B. der Transport einer Tonne
Getreide von Adrianopel bis Dedeagatsch am Meere (150
Kilm.) auf Frcs. 15, ein Waggon also auf Frcs. 150
kommen würde. Die Exporteure erklärten jedoch, daß
selbst wenn die Bahn den Transport bis an's Meer
unentgeltlich übernehmen wollte, sie es sich bei den jetzigen
Preisen erst überlegen würden, ob sie größere Geschäfte
unternehmen könnten. In Folge dieser Umstände verlassen
die kleineren Besitzer in Massen ihre Scholle und strömen
nach den Städten, besonders nach Konstantinopel, um hier
auf Tagelohn zu arbeiten. Der Zufluß solcher Arbeiter
hat aber bereits das Bedürfniß weit überschritten, sodaß
die meisten dem Elende, resp. der öffentlichen Wohlthätig-
keit anheimfallen. Auf Befehl des Sultans ist daher an
alle Provinzialbehörden seitens des Groß-Veziriats strenge
Ordre erlassen, diesem Auswanderungsdrange der ländlichen
Bewohner Einhalt zu thun. Die Succursalen der Banque
agricole sind angewiesen worden, den bedürftigen Land-
leuten die weitestgehenden Erleichterungen zu schäffen, um
dieselben zur Arbeit zu ermuthigen. Die türkische Regierung
hat alle Veranlassung, sich gerade jetzt recht ernsthaft mit
dieser Frage zu beschäftigen, da die neue Verpachtung der

Die Kolchierm.
Original-Roman von Gebh. Schätzler-Perasini.
(Fortsetzung.)
13.
Ein ganzes Jahr ist seit jenem Tag vergangen, da Georg
Baumann die Komtesse als seine Braut aus dem Schlosse
fortnahm.
Die alte Baronin hatte ihr Wort gehalten, sie sprach das
junge Mädchen nicht mehr, weigerte sich, dessen Abschieds-
besuch zu empfangen.
Nur von der Dienerschaft zum Portal geleitet, ging Lilli.
Die Brücken waren hinter ihr abgebrochen, um so fester schloß
sich die Verlassene an den Mann, der ihr eine Stütze zu sein
versprochen hatte.
Gemeinsam besuchten sie das Grab der Heimgegangenen
Mutter, und da konnte sich Georg nicht enthalten, über den
Hügel mit freudigem Antlitz zu rufen:
„Hab' Dank, Mutter! Der Frühling, den Du mir ver-
sprachst, er ist eingetroffen. Ich halte ihn an meine Brust
gedrückt!"
In derselben Stadt, da auch Hektor von Fernau in Gar-
nison lag, brachte Georg sein liebliches Bräutchen unter, bis
das Trauerjahr verflossen war.
Der Garde-Lieutenant hatte grimmig aufgelacht, als ihm
die. Mutter diese neueste Nachricht zukommen ließ.
Auch dies war selbstverständlich das Werk des Bruders,
der schon Jahre vorher die plebejischen Grundsätze der füg-
samen Komtesse beigebracht hatte.
Da dachte Hektor doch ganz anders!
Er hatte sich vorgenommen, den alten Namen Fernau
wieder zu höchstem Glanz zu bringen.
Sein eifrigstes Bestreben war, eine Verbindung zwischen
ihm und der Tochter seines Generals, eines Freiherrn von I

Zehnten vor der Thüre steht. Die Pächter haben im
vergangenen Jahre Geld verloren und, wie verlautet,
sollen dieselben beschlossen haben, der türkischen Regierung
für die diesjährigen Zehnten um 50 pCt. weniger zu
bieten, als sie in den letzten Jahren gezahlt haben. Die
Zehnten der meisten, d. h. zum mindesten der ertrag-
fähigsten Bezirke, sind bekanntlich der Staatsschulden-
verwaltung verpfändet, welche hiermit die Kilometer-
garantien der diesen Vortheil genießenden Eisenbahnlinien
bezahlt. Reichen die Zehnten der verpfändeten Bezirke zur
Deckung der Garantien nicht aus, so haben die Eisen-
bahnen den Schaden zu tragen.

Deutsches Neich.
— Dem Für st en Bismarck hatte eine Cigarrenfabrik in
Herford zum 80. Geburtstage eine Kiste Cigarren hoch-
feinsten Fabrikates zum Geschenke gesandt. Die Ausstattung
war eine überaus prächtige und äußerst geschmackvoll. Jede
einzelne Cigarre war mit einem schwarz-roth-goldenen Bändchen
umwunden; in der Mitte desselben war das wohlgelungene Bild
des Altreichskanzlers, vom goldenen Lorbeerkranze umrahmt,
eingefaßt. Dieser Tage ist nun an die betreffende Firma ein
eigenhändig vom Fürsten unterzeichnetes Schreiben gelangt, das
insofern bemerkenswerth ist, als der Alt-Reichskanzler in dem-
selben konstatirt, daß er Cigarren nicht mehr rauchen könne;
es lautet nämlich wie folgt: „Ew. Wohlgeboren danke ich er-
gebens! für die freundliche Aufmerksamkeit, die Sie mir durch
Uebersendung Ihres höchst einladend aussehenden Fabrikates er-
wiesen haben. Ich selb st kann leider Cigarren nicht
mehr rauche n."
Friedrichsruh, 8. Mai. 116 Vertreter von
72 sächsischen Städten trafen heute Vormittag halb
12 Uhr mittels Extrazuges hier ein. Oberbürgermeister
Dittrich- Plauen hob in seiner Ansprache hervor, es
sei noch nie vorgekommen, daß 72 Städte einmüthig das
Ehrenbürgerrecht verliehen hätten. Redner überreichte den
Ehrenbürgerbrief und schloß mit einem Hoch auf den
Ehrenbürger Fürsten Bismarck. Der Fürst dankte für
die Auszeichnung, welche noch keinem Minister widerfahren
sei. Er erblickt darin die beste Aussicht für die Zukunft.
Der Fürst erinnerte an den Bruderkrieg von 1866 und
an die Machtstellung Sachsens zur Zeit seiner Vereinigung
mit Polen und weist auf das deutsche Reich hin, welches ,
wieder als leitende Macht an der Spitze Europas stehe.
Die Kämpfe der deutschen Stämme seien begründet gewesen
in den Dynastien, deren Einigkeit nun auch die nationale
Einigkeit sichere. Der Fürst kritisirte schließlich lebhaft
das heutige Parteiwesen. Nachdem der Fürst ein Hoch
auf den König von Sachsen als Mitkämpfer im Jahre
1870/71 ausgebracht hatte, lud er eine größere Anzahl
zum Frühstück ein und unterhielt sich bei dem darauf
folgenden Rundgange aufs leutseligste mit den einzelnen
Vertretern.
Deutscher Reichstag. Berlin, 7. Mai. Die Reichstags-
Commission zur Vorberathung des Antrags Heyl, bezüg-
lich der Kündigung des Meistbegünstigungsvertrages mit
Argentinien, hat den Absatz 1, den Reichskanzler zu
ersuchen, die Kündigung alsbald herbeizuführen, mit 9
gegen 7 Stimmen, und ferner mit 8 gegen 5 Stimmen
den Absatz 3, die Kündigung der Meistbegünstigungs-
verträge mit Ländern, wo unsere Beziehungen sich un-
günstig gestalten, in Erwägung zu ziehen, angenommen.
Die Commission nahm schließlich mit 9 gegen 4 Stimmen
den Zusatzantrag Arnim an, wonach eine Verständigung
mit den übrigen europäischen Staaten behufs Abschlusses
einer europäischen Zoll-Union in Erwägung zu ziehen sei.
Zum Berichterstatter wurde Paasche bestimmt.
Berlin, 8. Mai. Die Commission des Reichstags
für den Antrag Kanitz lehnte mit 13 gegen 12
Stimmen die Resolution Schwerin ab, welche besagt.

die Commission billige im Allgemeinen den Zweck des
Antrages Kanitz.
Berlin, 8. Mai. Der Saal des Reichstags und
die Tribünen sind überfüllt.
Auf der Tagesordnung steht die zweite Lesung der
Umsturz v o rla ge.
Vor dem Beginn der Verhandlung erklärt Reichskanzler Fürst
Hohenlohe: Die Vorlage ist nicht aus theoretischen Er-
wägungen hervorgegangen, sondern veranlaßt durch die Ueber-
zeugung, daß die Grundlagen des religiösen und sittlichen Lebens
einer Befestigung bedürfen. Je größer die Besorgnisse vor
revolutionären und anarchistischen Anschauungen wurden, um so
stärker trat an die Regierung die Forderung heran, die bürger-
liche Gesellschaft zu schützen. Die Regierungen hofften, daß sie
die Zustimmung der Kreise finden würden, die am lautesten nach
Schutz riefen (Heiterkeit), wir glaubten daher an eine erfolgreiche
Berathung. Diese Hoffnung hat sich nicht erfüllt. In der Com-
mission sind Anträge gestellt worden, welche die Außenstehenden
erschreckten und einen ungünstigen Eindruck hervorriesen. Jetzt
wird der Vorwurf erhoben, daß die geistige Freiheit des Volkes
beschränkt werde, während doch nur Beschimpfungen und Aus-
schreitungen getroffen werden sollen. Entrüstungsversammlungen
verstehe ich nicht. (Zustimmung.) Ich habe eine zu hohe Meinung
vom Volk der Denker, als daß die Arbeit der deutschen Philo-
sophen und der Fortschritt der Menschheit durch gesetzliche Be-
stimmungen gehemmt würde. (Zustimmung.) Zu Mißverständ-
nissen trug bei, daß die Commission fremde Materien in das
Gesetz hineinzog. Während die Vorlage die Stärkung der Staats-
gewalt im Auge hatte, erstrecken sich die Commissionsvorschläge
auf Religion und Sitte. Die neuen Vorschläge drängen die
alten in den Hintergrund. Die Commission hat Einzelnes sogar
abgeschwächt; ich danke dem Abg. v. Levetzow für seinen Antrag,
der die Regierungsvorlage theilweise an Stelle der Commissions-
beschlüsse setzt. Ich hoffe, daß der Reichstag uns Mittel an die
Hand geben wird, den gewaltsamen Tendenzen mehr als bisher
zu begegnen. (Beifall rechts.)
In der Debatte die über § 111 beginnt, erklärt Abg. Dr.
Barth (freis. Ver.), der Reichskanzler habe eine Elegie gegeben.
Der Aptrag v. Levetzow schlage eine kautschukartige Fassung vor.
Sein (Barths) Antrag wolle verhüten, daß alles dem Ermessen
des Richters überlassen werde ; jedoch werde der ganze Paragraph
auch nach Annahme seines Antrags für seine Partei unannehm-
bar bleiben.
Abg. Frhr. v. Manteuffel (cons.) befürwortet den An-
trag von Levetzow; bei der Ablehnung des Antrags würden die
Conservativen gegen die Commissionsfassung stimmen und auch
wohl gegen das ganze Gesetz. Ein clerikal-conservatives Bündniß
habe für die Behandlung der Vorlage nicht bestanden. Die
Berliner Protestversammlung vom letzten Sonntag sei mehr ein
Bankett gewesen.
Abg. Auer (Soz.) bemerkt, die Vorlage sei ein Furcht-
produkt. Der Deutsche fürchte nur Gott und die Sozialdemo-
kraten. (Heiterkeit.) 8 111 sei ein Muster juristischer Verschwom-
menheit und könnte auf gewisse Erzählungen der Bibel Anwen-
dung finden. Die Nacherzählung von der Opferung Isaacs
würde unter die Anpreisung von Verbrechen fallen. (Große
Heiterkeit, Widerspruch.) Die Konservativen wünschten, daß sich
die Sozialdemokraten im Aufruhr vor die Achtmillimetergewehre
stellten und daß Blut fließe: „Den Gefallen thun wir Ihnen
aber nicht." (Der Redner wird zur Ordnung gerufen.)
Kriegsminister Bronsart v. Sch ellendorff bemerkt:
Die Armee betrachtet es als ihre vornehmste Aufgabe, an die
Grenze zu marschiren und den Feind zu schlagen. Der Lorbeer
wächst nicht auf der Straße, wo man den Pöbel zusammen-
treibt. Wir überlassen dies der Polizei und Feuerwehr. (Minuten-
lange große Heiterkeit.)
Abg. v. Kar dor ff (Reichsp.) erklärt: Die Reichspartei
stimmt nur für diejenigen Theile der Vorlage, die sich auf das
Militärstrafgesetz und die Aufforderung von Soldaten zum Un-
gehorsam beziehen. Die Reichspartei wrrd sich an der Diskussion
in der zweiten Lesung nicht betheiligen.
Abg. Enneccerus (ntl.) spricht sich entschieden gegen die
Kommissionsbeschlüsse aus. Die Freiheit der Wissenschaft müsse
unter allen Umständen geschützt werden. Die Mehrheit der
Nationalliberalen stimmt den Anträgen der Konservativen zu
ß 111 zu. Die Minderheit verhält sich unbedingt ablehnend.
Abg. Wolszlegier erklärt: Die Polen stimmen für den
Antrag Barth als eventuell das kleinste Uebel, dann aber gegen
den ganzen Paragraphen.
Abg. Reindl erklärt Namens des Centrums, die Kommis-
sion habe in die Vorlage nur solche Materien hineingezogen, die
nicht genügend beachtet waren: Wir waren aufgerufen zum
Kampf für Ordnung, Religion, Sitte, nicht bloß für Ordnung.

Turn, herbeizuführen. Das Soldatenglück schien ihm hierin
auch nicht ungünstig zu sein.
Freilich mußte man erst den günstigen Zeitpunkt abwarten,
um die Werbung anbringen zu können.
Baumann hatte sein kleines Landhaus so traulich wie nur
möglich einrichten lassen, war es doch Alles, was er Lilli
bieten konnte.
Nun da es wiederum Frühling geworden, ging die
Trauung des glücklichen Paares in der Dorfkirche vor sich.
Festlich waren die Räume geschmückt, des Frühjahrs erste
Blüthen wanden sich um die Steinsäulen, fast das ganze
Dorf war anwesend, und der alte, freundlich blickende Priester
hatte sich in seinen besten Ornat geworfen.
Die Baronin blieb fern, ebenso die Dienerschaft vom
Schloß, letztere auf Befehl ihrer Herrin. Trotz dieses
schroffen Verhaltens war es, Dank der beiderseitigen Festig-
keit Baumann gelungen, jedes Hinderniß zu beseitigen, das
sich von adeliger Seite seiner Verbindung entgegenstellte.
An seinem glücklichsten Tage fehlten auch jegliche Vertreter
dieses Standes, um so wärmer ward er aus den Kreisen der
Künstler beglückwünscht.
Das Auge des alten Pfarrers strahlte nur Milde und
Wohlwollen aus, doch wenn sich der erfahrene Mann für
Augenblicke unbeobachtet glaubte, streifte sein Mick mit tiefem
Ernst das bleiche Antlitz des Bräutigams, auf dem nur die
Erregung zwei scharf abgegrenzte Rosen hervorrief.
Aber Baumann lächelte selbstvergessen.
Weihrauchwolken umhüllten ihn, so daß er leicht husten
mußte, über ihn breiteten sich die segnenden Hände des
Priesters aus, und Worte schlugen an sein Ohr: „Ewig ist
^5- ! Und doch rauschte mit unhörbarem
Flugelschlag der Tod bereits um sein Haupt.
Er wollte,, er durfte nicht daran denken, strahlte doch in
den Augen fernes holden Weibes für ihn die Seligkeit einer
ganzen Welt. Lrllr glich rn ihrem keuschen; Erröthen einer
eben zu vollem Duft und Zauber erblühten,Rose.

Das edle Haupt leicht gesenkt, den Rücken kaum merklich
geneigt, schritt Georg neben ihr: der Tod neben blühender
Rose.
Im Schloß Fernau herrschte größte Aufregung.
Frühe am Vormittag, drei Tage nach dem Hochzeitstag,
war Georg Baumann im Parterre erschienen, um sich melden
zu lassen.
Dies hatte etwas zu bedeuten, denn seit Jahresfrist zeigten
sich weder Baumann, noch Komtesse Lilli hier, ja, das Be-
dientenvolk wußte sogar, daß Beiden von der Baronin das
Betreten des Schlosses geradezu untersagt war.
Es schien sich etwas vorzubereiten.
Der Bediente zögerte demgemäß auch einen Moment, ehe
er dem erneuten Befehl, die Meldung hineinzutragen, Folge
leistete.
Die Baronin saß zusammengeduckt in den Polstern eines
Divans und ließ sich eben von ihrer Gesellschafterin einen
Roman vorlesen, als der Diener meldete:
„Herr Baumann bittet, in einer dringenden Angelegenheit
die Frau Baronin zu sprechen."
„Wer?" fragte höchlichst erstaunt Baronin Fernau, indem
sie sich rasch erhob.
Das letztvergangene Jahr hatte scharfe Linien in ihr Ge-
sicht gezeichnet; auch jetzt zogen sich die beiden Brauen finster
zusammen.
Diese tief beleidigte Frau hatte sich vollkommen in Groll
und Haß gegen Diejenigen hineingelebt, welche vergaßen, was
man ihr, einer Baronin von Fernau, schuldete.
„Wer?" fragte sie noch einmal und drohender.
„Der Maler Baumann!" wiederholte der Diener.
Die Gesellschafterin, ein dem adeligen Stift entnommenes
langes, hageres Mädchen, ließ das geöffnete Buch in den
Schooß sinken und schlug die Augen zu Boden.
(Fortsetzung folgt.)
 
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