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Heidelberger Zeitung — 1895 (Januar bis Juni)

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Nr. 101-126 (1. Mai - 31. Mai)
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https://doi.org/10.11588/diglit.66459#0504
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tung eines Bienenzuchtkurses auf
Mit Genehmigung des Großh. Ministeriums des

misstonsfassung aus, ausgenommen den MMtarparagrapyen, uno
stimmt dem Antrag Barth zu.
Abg. v. Sali sch empfiehlt die konservativen Anträge.
Die Weiterberathung wird auf morgen vertagt.
Baden. In zwei ungemein heftigen Artikeln greifen
der Freiburger Bote und der Badische Beobachter das
Stiftungsgesetz vom 5. Mai 1870 an, weil es an-
geblich die Verfassung verletzen soll. Man sieht noch nicht
klar, warum diese Sache auf einmal aufgeworfen wird,
nachdem sich das Land hinsichtlich derselben seit etwa zwei
Decennien einer angenehmen Ruhe erfreuen konnte. Die
Verfassung bestimmt in 8 20, daß das Kirchengut und die
eigenthümlichen Güter und Einkünfte der Stiftungen,
Unterrichts- und Wohlthätigkeitsanstalten ihren Zwecken
nicht entzogen werden können. Der Streit hat sich nun
von jeher um die Frage gedreht, was Kirchengut sei, und
es ist klar, daß mit der Behauptung, dies oder jenes
Vermögen, das die Kirche in Anspruch zu nehmen für gut
findet, sei Kirchengut, noch keine Verfassungsverletzung
herausgebildet werden kann. Durch einige Zeitungsartikel
find die in Betracht kommenden juristischen Kontroversen
jedenfalls nicht zu lösen. Daß alles zu kirchlichen Zwecken
gestiftete Vermögen Eigenthum der Landeskirche als
juristische Person sei, wie die Kirche stets annimmt, ist ein
Verschieben der Begriffe. Nicht minder unhaltbar ist die
Behauptung, daß alle Stiftungen zu mildthätigen Zwecken
deshalb kirchliche seien, weil die Kirche- die Charitas als
christliche Pflicht zu üben hat. Die katholische Kirche hat
gerade in Betreff der Verwaltung von Kirchenvermögen
viel umfassendere Befugnisse erhalten, als sie je zuvor
besaß. Das Merkwürdigste an den Auslassungen der
obigen Centrumsblätter ist der Schluß, der die Rückkehr
zu den Bestimmungen, wenigstens der Gesetzgebung Karl
Friedrichs wünscht. Gerade das Constitutions-Edict vom
14. Mai 1807, auf welches die clericalen Blätter sich be-
rufen, behält in § 21 unter dem Titel „Kirchenherrlichkeit
des Staates" (was schon viel besagt) dem Staat ein sehr
weitgehendes Aufsichtsrecht über die Kirchen vor, das in
manchen Beziehungen bis zu einer Mitverwaltung
der kirchlichen Angelegenheiten ansteigt; insbesondere steht
dem Staat im Prinzip die Ernennung der Pfarrer zu.
In Z 12 des Edicts ist dem Staat „die Miteinsicht in die
Verwaltung des Kirchenvermögens und Beiwirkung zur
Sorge für dessen Erhaltung" eingeräumt, und in 8 9 des
Edicts ist bestimmt: „Kirchenvermögen, das jetzo zwischen
verschiedenen Parthien im Streite liegt, hat von Uns seine
staatspolizeiliche Entscheidung zu erwarten und erst der-
jenige Stand, der durch diese Erörterung hergestellt wird,
genießt obige Rechtsgewähr". Daraus geht hervor, daß
der Staat die Verwaltung des Kirchenvermögens, die
Kirche nur ein Recht zur Mitaufsicht hatte, und daß der
Satz: Die Kirche hat (bezüglich des Kirchenvermögens)
nur dasjenige Recht, das ihr der Staat einräumt, schon
damals galt.
Württemberg. Stuttgart, 8. Mai. Landtag.
Auf eine Anfrage des Volksparteilers Käß erklärt der
Minister des Innern: Wenn wir über den Antrag
Kanitz schlüssig werden sollten, so könnten wir ihm nicht
zustimmen. Die Preise der landwirthschastlichen Producte
wechseln, daher ist Hoffnung, daß die Krisis vorüberge-
hende Ursachen hat. Also können nicht dauernde Maß-
regeln ergriffen werden, welche alle bisherigen wirthschaft-
lichen Grundsätze umstoßen. Der Antrag verlangt für
Grundbesitzer eine Grundrente nach übernöthig hohen
Preisen. Wenn das gerechtfertigt wäre, so könnten andere
Erwerbskreise mit gleichem Rechte fordern, daß ihnen eine
Rente aus ihrem Betriebskapital gewährleistet werde.
Wie könnte man alsdann das Verlangen der Arbeiter nach
einer staatlichen Garantie ihres Einkommens zurückweisen?
Wir würden mitten im sozialistischen Staate stehen. Außer-
dem bezweifelt der Minister, daß der Antrag praktisch
durchführbar und mit der loyalen Durchführung der
Handelsverträge vereinbar sei. (Beifall.) Wöllwarth
bekennt sich als Anhänger des Antrags, der aber aus-
sichtslos sei, da unter Andern auch eine hohe Persönlich-
keit von großem Einfluß Gegner desselben sei.

Wir treten für die Kommissionsfassung ein und lehnen die An-
träge Levetzow sowie Barth ab und behalten uns die Schluß-
^Abg. Munckel erklärt, die freisinnige Volkspartei lehne
das ganze Gesetz ab.
Abg. Zimm ermann (Antis.) spricht sich gegen dre Kom-
missionsfassung aus, ausgenommen den Militärparagraphen, und
stimmt dem Antrag Barth zu.

Aus der Karlsruher Zeitung.
— Durch Verfügung Großh. Steuerdirection vom 30. April
d. I. wurde der Steuerkommissärassistent Adam Hofmann zum
Revidenten bei der Katafterkontrole ernannt.
— Mit Entschließung des Großh. Ministeriums der Justiz,
des Cultus und Unterrichts vom 4. Mai d. I. wurde Kanzlei-
assistent Karl Wagenmann zum Gerichts schreib er beim Amts-
gerichte Schönau ernannt.
Karlsruhe, 8. Mai. Der Großherzog ertheilte
heute Vormittag einer Anzahl von Personen Audienz,
darunter dem Mitglied des Kreisausschusses Weinhändler
Frey in Eberbach, dem Oberamtsrichter Dr. Freiherr von
Dusch in Mosbach, dem Fabrikanten Ritzhaupt auf
Wersauerhof und dem Professor Blümmel in Wiesloch.
— Abhaltung eines Bienenzuchtkurses auf
Hochburg. Mit Genehmigung des Großh. Ministeriums des
Innern wird in der Zeit vom 27. Mai bis 9. Juni an der
Ackerbauschule Hochburg bei Emmendingen ein Bienenzuchtkurs
abgehalten. Anmeldungen sind, wenn auf Vergünstigung An-
spruch erhoben wird, unter Beilage eines Vermögenszeugnisses
spätestens bis 20. Mai bei dem Vorstand der Ackerbauschule
Hochburg, welcher weitere Auskunft gerne ertheilt, schriftlich ein-
zureichen.
— Abhaltung von Obstbaukursen für Per-
sonen reiferen Alters. Von Großh. Ministerium des
Innern ist die Großh. Obstbauschule in Augustenberg (Post
Grötzingen bei Durlach) ermächtigt, in der Zeit vom 10. bis
22. Juni d. I. einen Obstbaukurs für Personen reiferen Alters
-- ältere Landwirthe, Liebhaber und Freunde des Obstbaues —
abzuhalten. Der Unterricht in diesen Kursen ist ein theoretischer
und praktischer und erstreckt sich auf Obstbaumzucht und Obst-
baumpflege, einschließlich der Pflege und Anzucht der Zwerg-
obstbäume, und auf die Verwerthung des Obstes. Anmeldungen
find mit Leumundszeugniß und wenn auf eine Vergunstrgung

Anspruch erhoben wird, unter Beilage eines Vermögenszeugnisses,
bis spätestens 1. Juni bei dem Vorstand der Schule schriftlich
einzureichen.
Ausland.
Oesterreich-Ungarn. Wien, 8. Mai. Das hiesige
und das Pester Amtsblatt veröffentlichen den Wortlaut
des Handschreibens des Kaisers an den Grafen
Kalnoky: „Indem ich Sie meines vollsten Vertrauens
versichere und Ihre mir während einer langen Reihe von
Jahren geleisteten treuen und erfolgreichen Dienste, auf
deren Fortdauer ich Werth lege, dankbar anerkenne, finde
ich mich nicht bestimmt, Ihrer am 4. d. gestellten Bitte
nm Enthebung von Ihrem Posten als gemeinsamer Minister
des Aeußern Folge zu geben."
Frankreich. Paris, 8. Mai. Der Soleil verlangt
die Abtretung der Pescadores-Jnseln an Frankreich.
Auf Grund welcher Leistungen dürfte Frankreich wohl
diese Inseln, die Japan nach dem chinesisch-japanischen
Friedensvertrag zusallen, für sich in Anspruch nehmen?
Afrika. Kairo, 7. Mai. Nachrichten aus O mdu rman
vom 3. April besagen, daß unter den Derwischen der
Enthusiasmus für die Wiedereroberung von Kasala zu
schwinden beginnt. Ein Theil der in Zelten aufgespeicherten
Kriegsmunition sei unbrauchbar geworden. Der Khalif
sucht dies zu verheimlichen, indem er vorgibt, daß ihm der
Mahdi erschienen sei und ihm den Rath gegeben habe,
mit Lanzen und Schwertern zu kämpfen und den Sieg zu
erringen. Unter den mit diesen Waffen ausgerüsteten und
nach Akbara entsendeten Verstärkungen rief die Kenntniß
des Umstandes mit der Munition Mißstimmung hervor.
Viele kehren nach Hause zurück. Auch die Truppen am
Akbara sind unzufrieden und verbleiben dort nur aus Furcht
vor dem Khalisen. Die Europäer fürchten, seit der Flucht
Slatin's, seit welcher der Khalif in großer Unruhe ist,
schlecht behandelt zu werden.

Aus Stadt und Land.
X Heidelberg, 8. Mai. In der heutigen Stadtraths-
sitzung wurden u. a. folgende Gegenstände zur Kenntniß bezw.
Erledigung gebracht:
1. Der Jahresbericht der Luisenheilanstalt sür 1894 wird
mit Dank entgegengenommen.
2. Nach der Zusammenstellung der Kasse und den Aufzeich-
nungen der Verwaltung des Schlacht- und Viehhofes wurden im
vorigen Monate 325 Stück Großvieh, 766 Stück Kleinvieh und
2 Stück Pferde im Schlachthaus geschlachtet, sowie 107 Stück
Großvieh und 1097 Stück Kleinvieh auf dem Viehhofe zum Ver-
kaufe gebracht.
3. Von dem Dankschreiben des Großh. Herrn Regierungs-
rathes Dr. Lange aus Karlsruhe für die Gewährung freien Zu-
tritts zur städtischen Kunst- und Alterthümersammlung und zu
den Konzerten des Stadtorchesters für die Theilnehmer an der
kürzlich dahier stattgehabten berufsstatistischen Konferenz wird
Kenntniß genommen.
4. Die Lieferung einer Brückenwaage zur Aufstellung in der
Nähe des Karlsthores wird der Firma PH. Jac. Schotthöfer in
Schifferstadt übertragen.
5 Nach dem Geschäftsausweis der Verrechnung der ftädt.
Sparkasse wurden bei dieser im vorigen Monate 1415 Einlagen
mit zusammen 257 668,52 M. gemacht, dagegen in 883 Einzel-
beträgen zusammen 231526,12 M. an die betreffenden Einleger
zurückbezahlt und hat die Gesammtzahl der letzteren seit dem An-
fänge dieses Jahres um 261 zugenommen.
6. Aus dem Geschäftsberichte des Vorstandes des städtischen
chemischen Laboratoriums geht hervor, daß von demselben im
vorigen Monate 3 Proben von Baumwolle, 1 von Bier, 4 von
Brod, 4 von Chokolade, 3 von irdenem Geschirr, 16 von Kuh-
milch, 4 von Kuhbutter, 2 von Majoran, 5 von Petroleum, 5
von Sodawasser, 2 von Traubenwein, 5 von Trinkwasser und
18 von Wurst untersucht und dabei 2 Geschirrproben, sowie je
eine Probe Milch und Sodawasser beanstandet wurden. Von den
71 Untersuchungen erfolgten 66 im Auftrage von Behörden und
6 auf Antrag von Privaten. Die Untersuchung des in die
Armenanstalten gelieferten Brodes, sowie je einer Probe Wasser
aus der städtischen Leitung und Milch aus der Milchkuranstalt
des Jakob Schweickardt lieferte ein günstiges Ergebniß.
* Heidelberg, 9. Mai. (Stadträthliche Vorlagen für
die nächste Sitzung des Bürgerausschusses.) Mit Vorlage III
beantragt der Stadtrath, der Bürgerausschuß wolle folgendem
Ortsstatut zustimmen: „In dem durch die Bergheimerstraße, die
Mühlstraße, die Westendstraße und den Neckar begrenzten Theil
des Bergheimer Baubezirkes ist die Errichtung von gewerblichen
Anlagen der im 8 16 der Deutschen Gewerbe-Ordnung bezeich-
neten Art untersagt." — Wenn der Platz, den gegenwärtig noch
das Cementwerk einnimmt, später in einer den Interessen der
Stadt entsprechenden Weise besiedelt werden soll, so ist es nöthig,
das Gelände gegen schädliche Einwirkungen, wie sie mit gewissen
Gewerbeanlagen verbunden sind, thunlichst zu schützen. —
Mit Vorlage IV schlägt der Stadtrath die Errichtung einer
Allgemeinen Arbeitsnachweisanstalt in hiesiger Stadt
vor. Eine umfassende Reform unseres Arbeitsvermittlungswesens
ist unumgänglich nöthig. In den übrigen größeren Städten
unseres Landes wurde in den letzten Jahren dem auch dort zu
Tage getretenen, gleichen Bedürfnisse in der Weise abzuhelfen
versucht, daß sich Vereine und Korporationen, welche sich mit dem
Arbeitsnachweis oder mit humanen Bestrebungen allgemeiner Art
befaßten, zu einem gemeinsamen Verbände zusammenschlossen
und eine centrale Arbeitsnachweisstelle als Verbandsanstalt ins
Leben riefen. Die Gemeinden leisten ihnen dazu Zuschüsse, sei
es in baar, sei es durch Stellung des Locals re. In Württem-
berg und Bayern hat man dagegen die Aufgabe der Arbeits-
vermittlung als eine von der Gemeinde selbst zu lösende ange-
sehen und hat dementsprechend städtische Arbeitsvermittelungs-
stellen ins Leben gerufen. Dieselben sollen von der betreffenden
Gemeinde als Gemeinde-Einrichtung verwaltet werden, den ge-
summten Verkehr auf dem Arbeitsmarkte in sich vereinigen und
womöglich unentgeltlich funktioniren. In Uebereinstimmung mit
der Arbeitsversicherungskommisston spricht sich der Stadtrath
entschieden dafür aus, daß die erforderliche Reform unserer
Arbeitsnachweisverhältnisse von Gemeinde wegen aus ge-
schehe, und daß die zu diesem Zwecke ins Leben zu rufende
centrale Arbeitsvermittelungsanstalt sofort als Gemeindeanstalt
begründet werde. Nach den vom Stadtrath angenommenen Vor-
schlägen der Arbeitsversicherungs-Kommission soll die persönliche
Zuständigkeit der allgemeinen städtischen Arbeitsnachweisanstalt
sich nicht nur auf die gewerblichen Arbeiter erstrecken, sondern
unbegrenzt das ganze Gebiet des Arbeitsmarktes umfassen. Ins-
besondere soll aus den zur Genüge bekannten Gründen auch die
Vermittelung von Dienstbotenstellen in den Bereich der Thätigkeit
der Anstalt mrternbezogen werden. In räumlicher Beziehung soll
die Vermrttelung mcht etwa auf die Stadt Heidelberg beschränkt
sem, sondern no ch^Aednrs auch tneiterHinnuI oedeünt tnerden können
Di- 7 Anlchnung a?di° 7n dm m"istm
außerbadischen Städten emgehaltene Praxis arundsätzlick unent-
geltlich erfolgeä, und zwar sowohl süf die Arb«
Arbeitgeber. Stur auswärtige Arbeitgeber und solche auswärtige
Arbeitnehmer, die sich brreflrch an die Anstalt wenden, hätten
eine Gebühr zur bezahlen und zwar soll dieselbe betragen für

Arbeitnehmer: wenn es sich um die Stelle eines gewerblichen
Arbeiters handelt 30 bei anderen Stellen (Haus- und land-
wirthschaftliches Gesinde rc.) 50 für Arbeitgeber: im
ersteren Falle 60 im zweiten 1 In diesen Sätzen ist
die Vergütung für einmaliges Porto im Stadtbezirk mitenthalten.
Als Oertlichkeit, in welcher die neue Anstalt untergebracht wer-
den soll, bezeichnet die Kommission das ehemals Mohr'sche (nun-
mehr im Eigenthum des Allgemeinen Volksschulpfründefonds
stehende) Haus Hauptstraße Nr. 193. Dasselbe liegt in der
Nähe des Rathhauses und des Bezirksamtsgebäudes, also auf
dem Wege, auf welchem sich die Arbeitgeber wie Arbeitnehmer,
wenn sie beim Dienstwechsel ihrer An- oder Abmeldepflicht ge-
nügen, zu bewegen haben. Das genannte Haus ist auch nicht
zu weit von den größeren Herbergen für durchreisende Arbeiter
entfernt. Als besonderer Vortheil wird es bezeichnet, daß sich
in demselben ein geräumiges Ladenlokal befindet, denn nach den
anderwärts gemachten Erfahrungen gewinnen diejenigen Anstalten
viel leichter das Vertrauen der Betheiligten, welche nach Art
eines Ladengeschäftes betrieben werden, als jene, welche etwa
im Bureauraum eines Amtsgebäudes Unterkunft gefunden haben.
Der vorhandene Laden ist so geräumig, daß er ganz gut in zwei
Abtheilungen eingetheilt werden kann, deren eine für die männ-
lichen und die andere für die weiblichen Arbeiter zu bestimmen
wäre. Von den übrigen Räumen des Gebäudes wäre, — wenn
nicht sofort, wie dies z. B. in Freiburg geschehen, an eine Ein-
richtung einer Mägdeherberge gedacht werden will —nur die für
den Verwalter der Anstalt nothwendige Wohnung erforderlich.
Mit der Eintheilung der Anstalt in eine männliche und eine weibliche
Abtheilung ist schon augedeutet, daß als Verwalter nur ein
solcher Mann ausgewählt werden kann, dem eine zur Uebernahme
der weiblichen Abtheilung geeignete Frau zur Seite steht. Außer
dem mehrgedachten Verwalter wäre wahrscheinlich noch ein Aus-
hilfsbeamter nöthig, der insbesondere in der Stadt die Arbeits-
gelegenheiten zu ermitteln und sich über deren Verhältnisse rasch
zu orientiren hätte. Die Ueberwachung der Einhaltung dieser
Dienstordnung, sowie des gesammten Betriebes der Vermittelungs-
anstalt soll einer besonderen Aufsichts-Commission übertragen
werden, deren Mitglieder aus den Beisitzern des Gewerbegerichts
erwählt werden sollen. Was die finanzielle Einwirkung dieser
Vorschläge auf die Stadtgemeinde betrifft, so wird bei deren
Ausführung, wenn man vorerst annimmt, daß zum Betrieb der
Anstalt nicht nur das Ladenlokal, sondern auch die Wohnräume
des zweiten Stockes erforderlich werden, und daß hierfür ein
ähnlicher Miethzins bezahlt werden muß, wie bisher (der von
dem derzeitigen Miether entrichtete Miethzins beträgt 1500
im Jahr), für die Stadtkasse folgende Belastung sich ergeben:
Dienstlokal nebst Wohnung des Verwalters 1200 Honorar
desselben mit Vergütung an dessen Frau 1000 bis 1200
Aushilfsbeamter 500 Bureaubedürfnisse, Drucksachen rc. 500
Summa 32—3400,^ Dazu kämen die einmaligen Einrichtungs-
arbeiten mit rund 400—500 Eine sichere Entlastung wird die
Stadtgemeinde nach Begründung einer allgemeinen Arbeits-
nachweisanstalt dadurch erfahren, daß der Verein gegen Haus-
und Straßenbettel sich bereit erklärt hat, für diesen Fall auf den
städtischen Zuschuß von jährlich 400 zu verzichten. Der
Stadtrath beantragt, der Bürgerausschuß wolle 1. beschließen,
daß nach Maßgabe der in obigem Berichte enthaltenen Vorschläge
mit Wirkung vom 1. October d. Js. ab eine allgemeine Arbeits-
nachweisanstalt eingerichtet und daß die hierdurch im laufenden
Jahre sich noch ergebenden Kosten aus Betriebsüberschüssen
gedeckt werden; 2. ferner den der Vorlage beigegebenen Gebühren-
tarif genehmigen, und 3. dem vom Stadtrathe beschlossenen
(ebenfalls der Vorlage beigefügten) Ortsstatnt, betreffend die Er-
richtung einer besonderen Commission zur Leitung und Beauf-
sichtigung der städtischen „Allgemeinen Arbeitsnachweisanstalt",
feine Zustimmung ertheilen.
Heidelberg, 9 Mai. Die Schuljugend von Ittlingen und
Bockschaft, Amt Sinsheim, etwa 130 Kinder, machte am letzten
Montag mit ihren Lehrern, dem Pfarrer, Bürgermeister, Rath-
schreiber und einem Kirchengemeinderath einen Maiausflug über
Heidelberg nach Schwetzingen. Als sie bei Besichtigung des
Schlosses auf der Schloßterrasse ein hübsches Lied vortrugen, er-
schien unerwartet Seine Königl. Hoheit der Groß Herzog
und hohe Gemahlin hinter ihnen. Im Kreis der Kinder
unterhielten sie sich mit denselben, den Lehrern, dem Pfarrer,
Bürgermeister und den übrigen Herren. In leutseligster Weise
erkundigte sich u. A. die Großherzogin bei den größeren Mädchen,
ob auch von ihnen einige das von ihr gewidmete Büchlein für
Jndustrieschülerinnen erhalten hätten, was von zweien bejaht
werden konnte. Die hohe Frau reichte hierauf den beiden
Mädchen mit warmen beherzigenswertsten Worten huldvollst die
Hand. Beim Abschied brachte einer der Herren ein Hoch auf
das Fürstenpaar aus, in welches die Schuljugend und, die übri-
gen Anwesenden begeistert einstimmten. Gewiß wird dieser
Ausflug den Jttlinger und Bockschafter Schulkindern und den
dabei beteiligten Herren eine liebe Erinnerung sein.
Z8 Heidelberg, 9. Mai. Bei der gestrigen zweiten Imma-
trikulation wurden eingeschrieben: in der theologischen
Fakultät 6, in der juristischen Fakultät 70, in der medizinischen
Fakultät 38, in der philosophischen Fakultät 9, in der natur-
wissenschaftlich-mathematischen Fakultät 20, zusammen 143
Studirende. Vorgemerkt sind weitere 30. Die Gesammtzahl der
Anmeldungen in den beiden ersten Immatrikulationen des
laufenden Halbjahrs beträgt 497 gegen 486 des Vorjahrs.
* Heidelberg, 9. Mai. Wir erlauben uns, darauf aufmerk-
sam zu machen, daß die im neuen Zoologischen Institut
(Sophienstraße 6) aufgestellten Theile der zoologischen Unrver-
sitätssammlung von jetzt ab Sonntags Vor m. von 10—1
Uhr für das Publikum geöffnet sind.
** Heidelberg, 9. Mai. Wie bereits mitgetheilt, wurde
gestern vor dem hiesigen Schöffengericht die Klage verhandelt,
die Herr Bouguet in Mannheim gegen Herrn Konsul M e n z e r
in Neckargemünd wegen Beleidigung erhoben hatte. Diest
letztere sollte in einem Protokoll enthalten gewesen sein, das über
den Befund der Löschgeräthschaften in Sandhaufen von dem
Kreisausschuß des Verbandes Freiwilliger Feuerwehren im Krerse
Heidelberg aufgestellt und von dem Beklagten als Vorsitzenden
dieses Ausschußes unterzeichnet war. Dasselbe war einige Zen,
nachdem Herr Bouquet als Vertrauensmann des Landes-
ausschuffes badischer Feuerwehren die Prüfung einer von der
Gemeinde Sandhausen angeschafften Schiebleiter abgenommen,
und dabei die Anschaffung von Schläuchen empfohlen hatte, dre er
selbst dann auch, nebst einer Anzahl anderer Gegenstände, als Pech-
kränze, Feuereimer u. A. m., lieferte, ausgenommen worden. «M
diesem Protokoll, das—übrigens ohne jegliche Mitwirkung des Herrn
Menzer — in die Presse gelangt war, war u. A. gesagt, Herr
Bouquet habe unbegreiflicherweise der Gemeinde Sandhausen
werthlose Feuergeräthschaften, alten, unbrauchbaren „Plunder
verkauft, und es sollte dahin gewirkt werden, daß Herr Bouquet,
der Kommandant der Freiwilligen Feuerwehr in Mannheim rw
nicht mehr zum Vertrauensmanne im Kreise Heidelberg aus-
gestellt werde. In diesen Sätzen erblickte Herr Bouquet eine
Beleidigung, da ihm darin vorgeworfen würde, er hätte ferne
Stellung als Vertrauensmann mißbraucht, um sich einen un-
erlaubten Vortheil zu verschaffen. Die Zeugeneinvernahme, tme
auch die an Ort und Stelle vorgenommene Besichtigung ergav'
daß sich unter den von Herrn Bouquet nach Sandhaufen ge-
lieferten Gerätschaften mangelhafte und theilweise auch wert-
lose Gegenstände befanden. Dieselben stammten von der früheren
Mannheimer Schloßfeuerwehr her, die aufgelöst worden war uno
deren Gerätschaften, soweit sie nicht anderweitig Verwendung
fanden, von Herrn Bouquet gekauft worden waren. , ^nveu
gab ein Sachverständiger, Herr Kupferschmied Ollwier aus
Mannheim, der früher die Aufsicht über dre Feuerwehrstatron
Schlosse führte, an, die Gegenstände wären sammtlrch in Man
heim in gutem Zustand gewesen. Es wurde in der
Verhandlung nicht recht aufgeklärt, auf welche Weise dre Gegel -
I stände mit ihrer Ueberführung nach Sandhaufen nun eine 1
 
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