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Montag, den 2. September
1895
Auf die
Heidelberger Zeitung
MsMal- und KreLsvertmudigungMatt für den Kreis
Heidelberg
Erscheint täglich
GxMtags ausgenommen.
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monatlich 50 Pf.
frei in'S Haus gebracht.
Durch die Post bezogen
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^schließlich Zustellgebühr.
Ebon-Anschlui; Nr. 82.
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ermäßigt.
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WM" September -HW
bei allen Postanstalten, den Briefträgern, den Agenten, bei
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Neckarstraße Nr. 21, angenommen.
Bezugspreis: monatlich nur 50 Pfg., frei in's Haus
gebracht, durch die Post bezogen, wenn am Schalter ab-
qeholt, 42 Pfg.; bei Lieferung ins Haus 15 Pfg. weiter
für Bestellgebühr._
Politische Umschau.
Heidelberg, 2. September.
Nach der Auffassung des Volks ist heute, am
2. September, der Sedanstag, denn heute vor 25 Jahren
hat sich Kaiser Napoleon mit 100 000 Kriegern unserem
alten Kaiser Wilhelm ergeben müssen. Vergeblich haben
die Militärs darauf aufmerksam gemacht, daß der sieg-
reiche Kampf bei Sedan am 1. September stattgefunden
habe und daß also dieser der eigentliche Sedanstag sei.
Das Volk mit seinem sicheren Instinkt hat ganz recht, wenn
es am 2. September festhält. Schlachten hat Deutschland
im Kriege von 1870/71 dank der beispiellosen, todes-
mnthigen Hingabe von Truppen und Führer viele gewonnen,
aber die Gefangennahme des gegnerischen Kaisers, des
Repräsentanten der gegnerischen Macht, sammt einem statt-
lichen Heer, konnte aus Gründen, die auf der Hand liegen,
nur einmal stattfinden. Militärisch mag der erste September
der Tag der Katastrophe vor Sedan gewesen sein, dramatisch
und geschichtlich war es der zweite. Deutschland will auch
nicht einen einzelnen siegreichen Schlachttag feiern, svndern
den Tag, da das Gottesgericht des ihm auf-
gedrungenen Kampfes sein gutes Recht klar vor aller
Welt erwiesen hat und das war denn doch an dem Tage
der Fall, da Napoleon in der Mitte eines großen
Heeres die Waffen streckte, strecken mußte. In diesem
Sinne wird das deutsche Volk — mögen auch Solche,
die nationaler und patriotischer Regungen nicht fähig
sind, bei Seite stehen — sortfahren, den Sedanstag
zu feiern und wird sich nicht daran kehren, was etwa die
Franzosen dazu sagen. Sehr erfreulich ist es, wahrzunehmen,
daß das Centrum sich diesmal lebhafter an der Feier
betheiligt. Früher wollte die Centrumspresse, mag sie
setzt auch sagen, was sie will, vom „heiligen Sedan" nicht
viel wissen; manche böse Glosse über die Feier hat man
vor 15 und vor 10 Jahren noch in den Centrumsblättern
gelesen. Wenn letztere jetzt sagen, ihnen schiene nur die
alljährliche Feier nicht nöthig, dagegen bei einer Jubelfeier
wie der 25jährigen seien sie mit Leib und Seele dabei, so
liegt darin ein unverkennbarer Fortschritt und ein erfreu-
liches Gegenstück zu den von der Sozialdemokratie
Lyrannistrten Massen, die sich theils mit ihrer patriotischen
Empfindung nicht herauswagen, theils ihren Führern
nachplappern eine solche Feier schicke sich nicht für den
„zielbewußten Genossen". Nun, hoffen wir, daß es auch
da einst besser werde. An Vaterland und Volksthum ist
ein Jeder von Natur gekettet und diese tief innerliche
Verbindung läßt sich durch einfaches vernünftig sein
sollendes aber in Wirklichkeit sehr plattes Raisonniren
nicht so ohne Weiteres und für die Dauer ausheben.
Der russische Kaiser sandte kürzlich dem Fürsten von
Montenegro 30 000 Gewehre und andere Waffen
neuester Konstruktion nebst Schießbedarf als Geschenk.
Diese Nachricht hat aus der Balkanhalbinsel und besonders
in Serbien -große Besorgnisse hervorgerufen. Die
serbischen Blätter nehmen diese Waffensendung als Beweis,
daß auf der Balkanhalbinsel ernste Dinge bevor-
stehen. Das Blatt Male Novine meint, es sei nun die
höchste Zeit, auch dem serbischen Heere ein ordentliches
Gewehr neuester Konstruktion in die Hand zu geben, wobei
es aber nicht bedenkt, daß in Serbien das Geld zur Neu-
bewaffnung des Heeres nicht vorhanden ist. Das
türkische Kriegsministerium hat, wie die Neue Fr. Pr.
aus Saloniki erfährt, die Erhöhung des Standes
der dortigen Jnfanteriebataillone auf 1100 Mann
angeordnet. Da die Einziehung der Reservisten erster und
zweiter Klasse nicht genügte, nm die Bataillone zu vervoll-
ständigen, so war man genöthigt, die Musthafiß, Leute im
Alter bis zu 45 Jahren, theilweise einzuberusen, um aus
den für die Bataillone vorgeschriebenen Stand zu gelangen.
Die immer stärker werdende Spannung zwischen England
und der Türkei giebt für diese Maßregeln hinreichende
Erklärungen. In den letzten Tagen wurde in Konstanti-
nopel wiederholt außerordentlicher Ministerrath abgehalteu.
Schakir Pascha ist dann schließlich ohne eigentliche In-
struktion nach Armenien abgereist; er soll diese in Trapezunt
erhalten. Als sein Sitz wurde Erzerum bestimmt. Der
Sultan hofft durch die Entsendung Schakir's nach Armenien
dem Verlangen der Mächte, es möchten dort die vertrags-
mäßig versprochenen Reformen eingeführt werden, die Spitze
abzubrechen. Es scheint indessen, daß die Mächte, nament-
lich England, sich dadurch nicht mehr Hinhalten lassen.
Gleichzeitig mit der Abreise Schakir's berichtet die in Tiflis
erscheinende armenische Zeitung Mschak aus Kara-Urgan:
5000 türkische Soldaten und 10 000 Kurden unter Zakir-
Pascha überfielen aml. August die genannte armenische
Stadt und das Dorf Kamach, plünderten die Kirchen
und Klöster und zerstörten viele Häuser. Wenn es so in
Armenien aussieht, dann ist in der That nicht darauf zu
rechnen, daß Schakir-Pascha irgend etwas Ernstliches zu
Gunsten der Armenier durchsetzt.
Sedanfeiern.
Berlin, 1. Sept. Als eine schöne Feier des Sedans-
tages fand heute Vormittag, am 25jährigen Jubiläum der
entscheidenden Schlacht bei Sedan, die Einweihung der
Kaiser Wilhelm-Gedächtniß-Kirche in feierlicher
Weise statt. An dem festlich geschmückten Hauptportal hatten
sich die geladenen Gäste, die Minister, Generale, höheren Offiziere,
die Geistlichkeit, Kriegervereine, sowie die gestern hier ein-
getroffenen amerikanischen Veteranen eingefunden. Der Kaiser
und die Kaiserin erschienen mit dem Kronprinzen und dem
Prinzen Eitel Fritz um 10 Uhr und wurden von dem Haus-
minister von Wedelt mit einer Ansprache begrüßt. Baurath
Schwechten überreichte dem Kaiser den Schlüssel mit der Bitte,
die Erschließung der Kirche zu befehlen. Hierauf erfolgte unter
Glockengeläute die Erschließung und Oeffnung der Kirchenthür.
Nach mehreren Gesängen der Gemeinde und des Domchors
wurde durch den Hofprediger Faber der Weiheakt vollzogen, dem
das Weihegebet sich anschloß. In seiner Ansprache wies Hof-
prediger Faber auf die Glaubensstärke des hochseligen Kaisers
Wilhelm 1. hin. dessen Gedächtniß die Kirche gewidmet sei, hob
die Hoffnungsfreudigkeit des Verewigten sowie dessen unbegrenzte
Liebe zu Volk und Vaterland hervor und schloß mit dem Wunsche,
daß dies neu erstandene Gotteshaus in den drei Kräften:
Glaube, Liebe, Hoffnung, die Hauptstützen finden möge. Hierauf
hielt Oberpsarrer Müller die Festpredigt. Nach nochmaligem
Gesang des Domchors und der Gemeinde war die Feier beendet,
welcher auch die Großherzogin von Baden, Prinz Albrecht, Prinz
Friedrich von Hohenzollern und die übrigen anwesenden Prinzen
beiwohnten.
Dresden, 1. Sept. Die Stadt trägt überreichen Fahnen-
schmuck. In sämmtlichen Kirchen wurden stark besuchte
Gottesdienste abgehalten. Dem Gottesdienste in der evangelischen
Kreuzkirche wohnten die Spitzen der Behörden bei. Der König
besuchte die katholische Hofkirche. Bei der Feier auf dem Alten
Markte, welche heute Nachmittag stattfindet, wird Oberbürger-
meister Beutler die Festrede halten. Nachher werden sich die
Theilnehmer an der Feier in einem großen Festzuge nach dem
königl. großen Garten begeben, wo nach einer Ansprache des
Rechtsanwalts Windisch und einer Huldigung der Veteranen für
den König turnerische und Eesangsaufführungen stattfinden
werden. Für den Abend ist wiederum eine Feier auf dem Alten
Markte geplant. Der Fremdenverkehr ist sehr groß.
München, 1. Sept. Anläßlich des Sedanstages sind
Stadt und Vorstädte festlich geschmückt. In der inneren Stadt
trägt Haus bei Haus besonders reichen Flaggenschmuck. Zahl-
reiche Häuser sind außerdem mit Guirlanden, Wappenschildern
und auch mit auf den Tag bezüglichen Emblemen und Inschriften
dekorirt. Eine große Menschenmenge durchwogt die Straßen.
Bereits Morgens um 7 Uhr ertönte vom Balkon des neuen
Rathhauses Musik. Um 10 Uhr fand vor dem reichgeschmückten
deutschen Kriegerdenkmal auf dem nördlichen Friedhöfe eine
Gedenkfeier statt, zu welcher sich zahlreiche Veteranen eingefunden
hatten. Die Hauptfeier wird erst heute Abend in der als
Via triuinpbalw ausgestatteten Ludwigsstraße abgehalten. Das
Wetter ist prächtig.
ff Mannheim, 1. Sept. Das Sedanssest wurde heute
in unserer Stadt in erhebender Weise gefeiert. Festgeläute und
Böllersalven leiteten den Tag ein. Gestern Abend fand als Vor-
feier ein von der nationalliberalen Partei im großen Saalbau-
saale veranstaltetes Festbankett statt, das sehr zahlreich besucht
war und in glänzender Weise verlief. Es toasteten Professor
Mathy auf Kaiser und Großherzog, Architekt Hartmann auf das
Vaterland, Kaufmann Kuhn auf Heer und Marine, Rechtsanwalt
Dr. Seiler auf den Fürsten Bismarck, Chefredakteur Meyer aus
die Damen, Bezirksthierarzt Ulm auf die Redner und Sänger.
Chorlieder der vereinigten hiesigen Mannergesangvereine sowie
Gesangssolis und Mustkpiscen verschönten die erhebende Feier.
Der Saalbausaal war prachtvoll geschmückt. Heute Vormittag
fand am Kriegerdenkmal aus dem Friedhof eine Gedächtnißfeier
mit Schmückung der Gräber der dort ruhenden deutschen und
französischen Krieger statt. Die Gedächtnißrede hielt Herr Prof.
Mathy. Mittags wurde auf 3 Plätzen der Stadt Parademusik
gespielt. Um 3 Uhr fand ein imposanter Festzug der hiesigen
Vereine statt, welcher am Wasserthurm seine Aufstellung nahm
und sich von dort nach dem Kaiser Wilhelm-Denkmal bewegte,
woselbst ein Festakt vor sich ging. Auf ein Tedeum der Musik-
kapelle folgte der Vortrag des Dankgebets aus den altnieder-
ländischen Volksliedern von Kremser durch die hiesigen verbündeten
Männergesangvereine. Hierauf hielt Herr Bürgermeister Bräunig
eine zündende Ansprache, schließend mit einem Hoch auf Kaiser
und Großherzog, worauf die vieltausendköpfigeJMenschenmenge
„Deutschland, Deutschland über Alles" sang. Sodann erfolgte
unter den Klängen der Wacht am Rhein der Abmarsch des un-
absehbaren Zuges, in dem sich mehrere Musikkapellen bewegten.
Der Festzug ging nach dem Meßplatz über den Neckar, woselbst
ein großes Volksfest stattfand. Abends folgte ein Lampionzug
der Vereine durch die Stadt nach dem Rheinvorland, woselbst
im Auftrag der Städte Mannheim und Ludwigshafen ein großes
brillantes Feuerwerk abgebrannt wurde. Ein Bankett der hiesigen
militärischen Vereine im Saalbau schloß den imposant verlaufenen
Festtag. Die Stadt hatte reichen Flaggenschmuck angelegt. In
den Hauptstraßen waren venetianische Masten errichtet worden;
auch sonst erblickte man vielfach recht sinnigen Festschmuck
O Wiesloch, 1. Sept. Auch hier wurde die 25. Wiederkehr
des Tages von Sedan in feierlicher Weise begangen. Durch
Glockengeläute, Böllerschießen und Zapfenstreich am gestrigen
Abend wurde die Feier des Nationalfestes eingeleitet; durch
Festzug, Festgottesdienst und Gedenkfeier beim Kriegerdenkmal
auf dem Friedhöfe wurde dieselbe heute fortgesetzt. Den noch
lebenden Kombattanten zu Ehren wurde von der hiesigen
Stadt ein Festessen am Nachmittage gegeben. Heute Abend
findet noch ein Bankett statt. Den Schluß der Festlich-
keiten bildet am morgigen Tage eine Schulfeier, wobei die
Schüler der oberen Klassen mit einer Festschrift beschenkt und
alle Schüler mit einer Festbretzel bedacht werden.
Den Bericht über die Sedanfeier in Heidelberg findet der
Leser an anderer Stelle dieses Blattes.
Deutsches Reich.
Berlin, 31. Ang. Die amerikanischen Veteranen
sind heute Nachmittag kurz vor 1 Uhr hier eingetroffen. , Vor-
dem Bahnhof waren Abordnungen von ungefähr 20 Krieger-
vereinen, an deren Spitze ein uniformirtes Veteranencorps, auf-
gestellt. Bei der Einfahrt des Zuges spielte die Musikkapelle die
Melodie „Deutschland, Deutschland über Alles", und die Fahnen
salutirten. Die Veteranen wurden vom Berliner Festausschuß
lebhaft begrüßt. Zwei Ehrendamen überreichten Lorbeerkränze.
Der Hauptgewinn.
Eine Humoreske. Von Oskar Linke.
(Nachdruck verboten.)
„Mama, weißt Du —"
Die so Angeredete kam eben aus der Küche zur Stube
herein. Sie hielt ein Plätteisen mit einem frisch glühenden
Bolzen in der rechten Hand und gab es ihrer Tochter Anna,
die vor dem Plättbrett stand und den Rest der Wäsche
Plättete, ihre eigenen, mit Monogrammen kunstvoll gestickten,
leinenen weißen Taschentücher.
„Was soll ich wissen?" fragte die Mutter, mit der Hand
an der blauen Küchenschürze entlang fahrend und ihrem
Töchterchen in die braunen, übermüthig leuchtenden Augen
blickend, während der schwarzbraune Zopf nicht minder lustig
im Nacken sich bewegte.
„Der Doktor über uns ist ein schlechter Mensch. Er hat
gestern Abend den Papa wieder verführt. Er weiß, es ist
sein Sonnabend, da kann er ja wohl ausschlafen —"
„Aber Kind!"
„Ja, Mama, ich habe ihn die Treppe heraufkommen
Horen. Und hast Du an Papa's blauem Winterüberzieher
am rechten Aermel nicht die Spuren von der weißen Flur-
wand gesehen? Der Doktor hat ihn geführt. Sie sind
beide die Treppen — na, wie soll ich sagen — herauf-
geschwommen —"
«Aber Kind!"
„Ja, und nun erst der Doktor! Die Köchin von feiner
Wmhin
„Anna, Du spionirst bei der?"
„Nein, unsere Guste hat es von ihr. Und die sagte ihr,
oer Doktor — gestern habe er — das heißt von Nachmitter«
uacht bis in die Dämmerung des heiligen Sonntagsmorgens
Wem, dem Treppenflur geschlafen. Ueberzieher, Rock,
Riefel, Weste, Uhr und — ich mag gar nicht alles andere
nennen — hat er üöer's Treppengeländer geworfen. Heute
Morgen fand sie es. Ist das anständig für einen studirten
Menschen, der längst verheirathet sein sollte?"
„Vielleicht hat er einen Grund zu besonderer Ausgelassen-
heit gehabt und dann vergesse« —"
„Den haben die Männer immer! Und der will ein
praktischer Arzt sein? Dieser Horst Wildermann? Karl,
Ka—rel!" rief sie plötzlich nach dem Korridor hinaus.
Der Knabe Karl erschien, ein nichtsnutziger Obertertianer;
er benutzte den freien Sonntagsvormittag, um in der Küche
seine eisernen Schlittschuhe mit Sandpapier blank zu machen ;
in Wirklichkeit neckte er die Köchin Guste beim Messerputzen
und Lampenreinigen.
„Karl," fragte die ältere Schwester den Bruder, „was
heißt eigentlich praktisch?"
„Einer der handelt, oder auch der thätig ist. Kommtaus
dem Griechischen —"
„Und Du kannst wieder gehen . . - Thätig?" rief Anna
lachend aus. „Der da über uns handelt nicht, und thätig
ist er auch nicht, also ist er ein unpraktischer Arzt."
„Aber Anna, was geht uns eigentlich der Doktor an?
Laß ihn doch!"
„Ich ärgere mich über solche Menschen! Sie verleiden
einem —"
„Das Heirathen?"
„Nein, das Unverheirathetsein! Den möchte ich er-
ziehen !"
„Der heirathet nie!"
„Das ist nur Gerede! Sie heirathen alle! Hat er nicht
auch gesagt, er wird gleichfalls einmal „reinfallen"? Wer so
redet, hat den Anschluß noch nicht versäumt! O dieser Wilder-
mann — wer den wohl zu einem zahmen macht!"
„Wie sonderbar Du heute sprichst! Aber sieh nur, wie es
mit einem Male anfängt zu schneien: große weiße Flocken;
die Häuser von drüben sind gar nicht mehr zu sehen."
Da schlug es vom nahen Kirchthum elf Uhr.
Drüben ließ sich aus dem Raum neben der Küche zugleich
ein machtvolles, dumpfes Brummen vernehmen, dann der
laute Ruf im tiefsten Basse: „Anna!" Diesem folgte im
hellsten, gesangvollen Sopranton die militärisch pünktliche
Antwort:
„Ja, Papa, ich komme gleich."
Nach zwanzig Minuten saß der alte Rechnungsrath Schulz
bei seinem Kaffee und der Morgenzeitung auf dem Leder-
sopha in der Stube, aus welcher Plättbrett, Küchenstuhl und
Wäsche wie von unsichtbaren Elfenhänden mit Zauberschnelle
hinweggetragen waren.
Die Zeitung legte er bald wieder weg. Er wollte ein
Gespräch anfangen, er zeigte sich sehr aufgeräumt, während
sich sein armes Hirn vergeblich abmarterte, die Ereignisse
des gestrigen Abends in klar bestimmter Reihenfolge vorüber-
marschiren zu lassen — umsonst — eine graue Wolke nach
der andern dämmerte, stechend und bedrückend, gegen die
Gehirnwand herauf. Und während er sah, wie die Gattin
durch Stillschweigen ihr vorwurfsvolles Grollen kundgab,
und auch Anna eine Winterfliege an der Wand gar gelang-
weilt betrachtete, kam er sich wieder einmal wie ein hilfloser,
rechter Sünder vor.
„Ach," sagte er, „gestern haben wir einen prächtigen
Geburtstag in Bemmchens Restaurant gefeiert. Ich war
gleichsam Gast und konnte in Rücksicht auf ihn die Ein-
ladung nicht abschlagen."
Eisige Stille. Nur vier Frauenaugen und vier Frauen-
ohren wurden aufmerksamer, um die Lösung der mystischen
Worte „auf ihn" zu vernehmen.
„Der Doktor —"
„Welcher Doktor?" fragte Anna, die ihre Neubegier nicht
mehr bezähmen konnte, „solcher Wunderthiere gibt es viele;
— auch der da oben —" , .
„Ja, auch der da oben, --gerade der da oben ist ein
prächtiger Mensch. Den möchte ich schon zum Schwieger-