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Heiberg, Johan L.
Geschichte der Mathematik und Naturwissenschaften im Altertum — München, 1925

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https://doi.org/10.11588/diglit.23924#0059
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I. Mathematik

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tischen Nutzen mathematischer Kenntnisse noch in anderen Fällen nach-
gewiesen hat, u.a. durch denHinweis auf die Verteidigung von Syrakus durch
Archimedes, schließt er. daß der Redner nullo modo sine geometria esse könne.

Varro hatte auch außerhalb seiner Enzyklopädie Mathematisches ge-
schrieben; unter seinen zahllosen Büchern werden angeführt De ihensüris
(über Feldmessung?) und De principiis numerorum, ohne Zweifel pytha-
goreische Zahlenmystik, wie wir sie bei Macrobius finden (In Som-
nium Scipionis I 5—6, besonders über die Siebenzahl).

Martianus Capella läßt in seiner albernen Weise die Geometria, nach-
dem sie die Definitionen und Voraussetzungen Euklids vorgetragen hat.
sich anschicken den Beweis für Element. I 1 zu führen, aber die an-
wesenden Philosophen unterbrechen sie mit Hochrufen auf Euklid (VI 724).
Daraus geht soviel hervor, daß die 2\oi/e7a damals (im 4. Jahrh. ) in Rom
wohlbekannt waren. Aus ungefähr derselben Zeit besitzen wir in einem
Veronenser Palimpsest eine sehr freie Ubersetzung oder Bearbeitung der
Bücher XI—XIII Euklids (in der Hs. merkmürdigerweise als XIV—XV
gezählt); sie ist aber sicher nie über das erhaltene Arbeitsexemplar des
Ubersetzers hinausgekommen.1 Eine wirkliche lateinische Ubersetzung der
2^Tor/8ta gab erst Boetius (gest. 525), der nach Cassiodorius (Var. I 45)
auch Ptolcmaeus astronomus, Nicomaclms arithmeticus und Archimedes meel\a-
nicus übersetzte und in seinen Schriften o-elegentlich mathematische Kennt -
nisse zeigt. Von diesen Ubersetzungen ist nur die Arithmetik (nach
Nikomachos) erhalten (ed. Friedlein, Leipzig 1867, mit der ebenfalls von
Cassiodorius erwähnten Übersetzung eines Werks über Musiktheorie, Pg-
thagoras musicus nach Cassiodorius). Es ist zwar auch unter Boetius Namen
eine Geometrie erhalten, die in verschiedenen Redaktionen vorliegt; aber
selbst in der nach den besten Hss. von Friedlein herausgegebenen Gestalt
kann sie unmöglich von ihm herrühren: sie wimmelt von Albernheiten
und ist von verschiedenartigen Bestandteilen zusammengeflickt.2 Auf die
Definitionen und Voraussetzungen von Euklid I—IV folgen die meisten
Sätze derselben Bücher ohne die Beweise, dann Elem. I 1—3 mit den
Beweisen, dann als geometricalis mensae traditio eines Architas3 wieder
einige Definitionen, eine Beschreibung des abacus [mensa Pgt/tagorica)
und seiner Anwendung auf Multiplikation und Division, endlich als Uber II
geometriae eine Sammlung von Messungen ebener Figuren nach der Art
Pseudoherons und der Agrimensoren.4 Beim Abacus werden als pytha-
goreisch die sog. Gobarziffern (ohne Null) angeführt, was zu abenteuer-
lichen Hypothesen über Kenntnisse der Neupythagoreer von den indischen
Zahlzeichen Anlaß gegeben hat, die jetzt als abgetan betrachtet werden
können,5 da es feststeht, daß die Geometrie ein mittelalterliches Mach-
werk ist; aber dessen Verfasser lag eine Ubersetzung von Elem. I—IV
aus dem Griechischen vor. vielleicht die des Boetius.

Heber die von Studemcnd gelesenen V IT—18.
Bruchstücke Euclidis Opp. V S. XCIX f. 4 Am Schluß ein rein agrimensoriscb.es

2 Weissenborn, AbhG-Math. II, 1879. Stück de montuom {dintensione), dann noch
S. 185 ff.; Piniol ogus XLIII S. 507 ff. ein Kapitel über (römische) Bruchrech-

3 Der wirkliche Pvthagoreer Archytas nung. die ebenfalls pythagoreisch sein soll,
ist angeführt Arithm. II 41. Musie. III 11, 5 Vgl. Tannery. MSc.Y S. 8 ff.

H.d. A. V. 1.2. 4
 
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