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Heidelberger Familienblätter — 1878

DOI Kapitel:
No. 27 - No. 34 (3. April - 27. April)
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Beethoven's Bürgerrecht der Stadt Wien.

Es war im Jahr 1814 als Ludwig van Beethoven
am heiligen Chriſttage bei der für Wiener Bürgerſpitals-
zwecke abgehaltenen „Cantate“ „die Leitung des Ganzen
auf die edelmüthigſte Weiſe unentgeltlich übernahm und“
— wie ſich die Bürgerſpital⸗Wirthſchafts⸗Commiſſion
weiter ausdrückt — „auch die dritte Aufführung ſeines
mit allgemeinem Beifall gekrönten muſikaliſchen Kunſt-
werkes dieſer Anſtalt unentgeltlich überließ, wodurch der
Bürgerſpitals⸗Milden⸗Beitragskaſſe eine Einnahme ver-
ſchafft wurde, welche ſeit Abhaltung dieſer Cantaten noch
in keinem Jahre hereingebracht wurde.“ Aus dieſem
Grunde wendete ſich die Commiſſion mit einer Eingabe
an den Magiſtrat, in welcher um die Verleihung des

Bürgerrechtes für dieſen „talentvollen Künſtler und Bieder-

mann“ angeſucht wurde. Am 16. November 1815 erließ
der Magiſtrat folgendes Decret:
Von dem Magiſtrat der k. k. Haupt⸗ und Re-
ſidenzſtadt Wien wird dem Herrn Ludwig van Beethoven
über Einſchreiten der Bürgerſpital⸗Wirthſchafts⸗Commiſſion
und in Berückſichtigung, daß derſelbe im vorigen Jahre
die Aufführung ſeiner muſikaliſchen Inſtrumental⸗Compo-
ſition zum Beſten der in dem Hoſpitale zu St. Marx
befindlichen Bürger, Bürgerinnen und Bürgerskinder nicht
nur unentgeltlich überlaſſen, ſondern auch mit anſpruchs-
loſer Bereitwilligkeit hiebei die Leitung perſönlich über-
nommen und durch dieſe menſchenfreundliche Bemühung
dem Bürgerſpitals⸗Armenfonds eine ſo reichliche Einnahme
verſchafft hat, daß hierdurch den armen, von Alter und
Gebrechlichkeit gebeugten Bürgern, Bürgerinnen und
Bürgerskindern Erquickung und Linderung ihres Schick-
ſals verſchafft werden konnte, das Bürgerrecht dieſer
Haupt⸗ und Reſidenzſtadt als Beweis der Anerkennung
ſeiner Verdienſte und Werthſchätzung dieſer guten Ge-
ſinnungen taxfrei verliehen.
Wien, den 19. November 1815.

Die Original-Acten befinden ſich
Stabt Wien.

Kienaſt.
im Archive der

Verſchiedenes.

—* In Mariabrunn bei München iſt am 24.
März die ſogenannte Doctorbäuerin Amalie Hoheneſter
nach mehrtägigem Leiden verſtorben. Es dürfte ſich der
Mühe lohnen, ſchreibt man der Augsburger „Allg. Zig.“,
bei dem enropäiſchen Rufe, deſſen ſich dieſelbe in den
letzten Jahren erfreute, in kurzen Zügen ihren Lebenslauf
zu ſkizziren. Die im Volksmund auch „Wunderdoctorin“
genannte Perſönlichkeit ſtammt von der in der ober-
bayeriſchen Kriminalgeſchichte vielgenannten Familie Haberl,
vulgo Nonnenmacher. Der Urſprung der berüchtigten
Familie iſt in Dunkel gehüllt. Die Einen behaupten,
daß ſie von Zigeunern abſtamme, Andere, daß ſie im
vorigen Jahrhundert aus der Gegend von Mannheim
nach Bayern eingewandert ſei. Die Haberl brachten ihre
neue Heimath Deiſenhofen bei Holzkirchen bald in den
übelſten Ruf, und auf und ab die Iſar verbreiteten ſie
lange Zeit Furcht und Schrecken. Erſt vor ein paar
Jahrzehnten gelang es den Behörden, dem ſchimpflichen
Räuberunweſen ein Ende zu machen. Dieſe Verhältniſſe
mögen die Verſtorbene mit veranlaßt haben, kaum er-
wachſen, das elterliche Haus zu verlaſſen und ihr Glück
in der Ferne zu ſuchen. Sie begab ſich nach Hamburg

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und frequentirte dort fleißig den Jungfernſtieg. Ueber-
drüſſig dieſes Lebens, kehrte ſie aber nach etlichen Jahren
zu den Ihrigen zurück und verlegte ſich, eingeweiht in
die in ihrer Familie traditionell fortgepflanzte mediciniſche
Geheimlehre und Kräuterkunde, kühleren Blutes auf die
Behandlung jeglicher Art von Krankheit. Glückliche oder
doch vom Zufall begünſtigte Curen verſchafften ihr bald
Zulauf von allen Seiten. Die Conflikte, in die ſie als
Pfuſcherin damals wegen unbefugter Ausübung des ärzt-
lichen Gewerbes mit den Gerichten gerieth, die erbitterten
Kämpfe der Aerzte und Medieinalcollegien wider ſie,
zahlreiche Geldbußen und empfindliche Hafiſtrafen, die ihr
in raſcher Folge auferlegt wurden, woben ihr die Glorie
des Martyrthums. Bald wurde ihr Name weit über die
Grenzen Bayerns genannt, und die Zahl der vertrauens-
voll Zuſtrömenden aus allen Claſſen der Bevölkerung
wuchs mit jedem Tage. Die allmälig ſich glänzend ge-
ſtaltenden Vermögensverhältniſſe verliehen ihr gleichfalls
eine ſtets wachſende Freiheit des Handelns. Sie kaufte
das verwaiſte Bad Mariabrunn im Jahre 1866. Die
Wahl des Ortes war eine äußerſt günſtige. Die Ge-
brechlichkeit fand einen müheloſen, die Scheu vor der
Oeffentlichkeit einen verſteckten Zugang. Nach und nach
entſtanden einem Weltbad entſprechende Räumlichkeiten,
und vor einigen Jahren wurde ſogar ein eigenes „Fürſten-
haus“ hergerichtet, in dem abwechſelnd im Sommer Erz-
herzoginnen, Großfürſtinnen u. ſ. w. zur Cur weilten.
Die Cur beſtand aus Bädern, unterſchiedlichen Kräuter-
getränken und dem Genuſſe der ſehr ſtärkenden Waldluft.
In Haus und Hof regierte ſie mit deſpotiſcher Härte.
Oer ehemalige Regimentsarzt und Protégé der Lola
Montez, Dr. Curtius, hatte ſich dem Scheine nach als
„Bade⸗Arzt“ niedergelaſſen und auf dieſe Weiſe ſeine Ge-
bieterin von den Drangſalen der Pfuſcher-Strafen erlöſt.
Die neue Geſetzgebung bot alsdann überhaupt Einhalt
den ärztlichen Verfolgungen, und ſo konnte ſie auf eigene
Fauſt ihrem „ärztlichen Berufe“ nachhängen. Sie hat
es trefflich verſtanden, die Leichtgläubigkeit und Schwach-
heit ihrer Mitmenſchen zu ihrem Vortheil auszubeuten.

— (Vorbereitung zur Heirath.) Pfarrer
(zum Brautpaar): „Ihr wollt in den Stand der Ehe
treten, meine Lieben. Habt Ihr Euch auch ſchon genü-
gend vorbereitet auf dieſen wichtigen Schritt?“ —
Braut: „Freile, Herr Pfarrer. Mir hab'n a Sau
g'ſtoche und zwölf Hendeln, und Knödel und Küchel ſan
g'macht, daß 'n Tiſch biegt, das wird wohl g'nua ſein.“

— (Ein beſtraftes Extempore.) Bei dem
Räthſelſpiel in Offenbachs „Schöner Helene“ fragte der
Komiker Laska auf der Bühne in Laibach: „Was iſt
flüſſiger als Waſſer?“ und antwortete auch ſogleich:
„Der Papſt; denn der iſt überflüſſig!“ Das Gericht
fand aber den Papſt nicht überflüſſig und verurtheilte
den Schauſpieler zu 24 Stunden Arreſt mit Faſten.

Grabſchrift.
Ein 90jähriger Greis, von des Galenus Orden,
Ruht unter dieſem Leichenſtein.
Ach! wär' er nicht ſo alt geworden,
So würden Viele nicht ſo jung geſtorben ſein.

Druck und Verlag von Adalph Emmerling in Heidelberg.

Für die Redaction verantwortlich Ad. Emmerling.
 
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