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Heidelberger Familienblätter — 1878

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No. 35 - No. 43 (1. Mai - 29. Mai)
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https://doi.org/10.11588/diglit.43708#0150

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— 142 —ö—

„Daß Sie wiederkehren würden, wußte ich wohl,
Heinrich,“ redete ſie ihn beſorgt an, „doch daß Sie ſo
früh kommen, ſagt mir nichts Gutes. Ich fürchte, Sie
haben in dieſer kurzen Zeit mehr Trübes erlebt, als ſelbſt
ich mit meinen unglücklichen Ahnungen vorausgeſehen.
Ihre Briefe ließen mich errathen, was geſchehen iſt, wenn
ſie auch jedesmal nur wenig Zeilen enthielten.“

Er nahm die dargebotene Hand und drückle ſie

freundſchaftlich. Dann ließ er ſich neben Luiſe nieder.
„Ja, liebe Freundin“, entgegnete er mit einiger Bitter-
keit; „ich habe abermals einen ſchweren Irrthum erkennen
gelernt. Ich habe gewähnt, daß es uns Männern ge-
lingen müſſe, das Glück an uns zu reißen, wenn unſer
Muth nur ſtark und unſer Wille feſt iſt. Allein zum
zweiten Male in dieſem Leben habe ich es fühlen muͤſſen,
daß es ſtärkere Gewalten gibt, als all unſer Wollen,
unſer Wünſchen und Hoffen. Das neidiſche Geſchick iſt
ſtets bei der Hand, uns unſere Ohnmacht empfinden zu
laſſen, wenn wir ſie jemals vergeſſen.“ ö
„Sind Sie, beſter Freund, nicht viel mehr den
Mächten in Ihrem eigenen Herzen gewichen, als dem
Schickſal?“
„uUnd wenn dem auch ſo iſt, warum bin ich ſo
weichherzig geartet? Das iſt mein Fluch und meine
Qual. Ich könnte nun glücklich ſein und im Beſitz wie
andere Menſchen. Statt deſſen irre ich abermals umher,
ein heimathloſer Fremdling, gleich wie ehedem
„O, ſchmälern Sie ſich ſelbſt die Freude nicht an
einer guten That, die — das erkenne ich wohl — Sie
mehr gekoſtet hat, als ich vermuthete. Das Glück iſt
relativ. Sie konnten nicht glücklich werden, wie andere
Menſchen, ſondern nur auf Ihre eigene Art.“ *
Er ſchwieg und ſie forderte ihn nicht auf, zu reden.

Sie wartete geduldig, bis ſein gepreßtes Herz ſich ſelbſt

in dem Geſtändniß Luft machte. Sie war ja nun ſein-

einziger Gefaͤhrte, die einzige Vertraute. Das empfand

ſie mit Genugthuung, doch kein anderer Gedanke nahte
ihrer reinen Seele, die von der Gluth des Schmerzes ge-
läutert worden war, wie das Gold im Feuer.
Gelaſſen hörte ſie ſeinen Bericht an.
„Sie haben Recht gethan und aus ſolcher Hand-
lungsweiſe muß auch für Sie einſt Gutes entſtehen; das
Schickſal iſt wohl unerbittlich, aber es begeht keine In-
konſequenzen. Laſſen Sie uns hoffen, das einſt noch alles
gut wird, Heinrichl“e 71711
„ Unwillig erhob er ſich, trat an ein Fenſter und
fdblickte gedankenvoll hinaus.
AIch kann nicht mehr hoffen, Luiſe; ich bin müde

und begehre nichts anderes, als die Tage vorüberziehen

zu ſehen, wie die Wolken dort; je ſchneller deſto beſſer.“
Sie war neben ihn getreten..
„ Warum ſo bitter, lieber Freund? Laſſen Sie uns
lieber verſuchen, was zwei gute Kameraden für einander
thun können, um den Reſt eines geſcheiterten Daſeins
erträglich zu geſtalten. Wir ſind ja einander zwei gute
Kameraden. Das gemeinſame Leid hat uns verbunden
und knüpft in wenig Wochen feſter, als Jahre des Glücks
und der Freude.“ — ö 11
Er ſchüttelte ungläubig den Kopf.
. . „Sie haben in der aufopfernden Krankenpflege Ihre
Kräfte überſchätzt, Beſter, und bedürfen ſelbſt der Pflege.

Doch ich will verſuchen, es Ihnen gleich zu thun — mit

mehr Vorſicht freilich.“
Ihre treue Freundſchaft übermannte ihn. Er ſah
ſie dankbar an, ergriff ihre Hand und küßte ſie.

AIch bleibe hier, Luiſe. In meine Heimath kann
ich jetzt nicht zurück. Verſuchen Sie es immerhin, aber

ſchelten Sie mich nicht, wenn Ihre Mühe.

ö Rur geringen
Lohn findet.“ —
„Sie wiſſen ja,“ entgegnete ſie, „daß ich den Lohn

niemals begehrt habe. P. Ich mache auch in Zukunft keinen

Anſpruch darauf.“

* E

Zwei Jahre danach ſchritten Mühlfeld und. Luiſe
Arm in Arm den Fahrweg hinauf, der von Eiſenach
durch das Marienthal zur Wartburg führt. Ein herr-

licher Sommermorgen lag über der entzückenden Land-

ſchaft und viele Spaziergänger wanderten mit ihnen.
Alle blickten ſich voll Bewunderung nach dem ſchönen
Paare um. Daß es Hochzeitsreiſende ſeien, ſah man den
unbekümmert frohen Mienen an, obſchon dieſe Beiden
weit ernſter dreinſchauten als junge Eheleute.
Auf einer Ruhebank ließen ſie ſich nieder.
„Wie ſchön iſt es hier“, nahm er das Wort, „und

wie Unrecht that ich, ſo oft achtlos hier vorüberzufahren,

nur, um in weite Ferne zu ſchweifen. Diesmal aber
wollen wir die Schonheit im eigenen Vaterlande recht
genießen. So ſoll dieſe Reiſe ein Bild für das Leben
meiner letzten Jahre ſein. Suchte ich doch auch in der
Ferne mein Glück und verſchmähte das Gute, das mir
ſo nahe lag, bis ich endlich ſeinen höheren Werth dennoch
erkannte.“ ö
Sie blickte ihn dankbar an. „Ich glaubte es ſelbſt
nicht, daß die Zeit ſolche Wunder bewirken könne.“
„Ja, ſie lehrt uns vergeſſen, aber auch, uns der
beſſeren Einſicht allmälig fügen, der wir uns eigenſinnig

verſchließen, wenn ſie plötzlich an uns herantritt.“

„„So iſt in deiner Heimath alles in Ordnung?“
„Alles! Reinhold hat das Gut aus des Barons
Händen übernommen und mit einer Frau zur Seite, wie
es Elſe iſt, wird er ſeiner Aufgabe gewachſen ſein.
Meines Vaters Tod hat mich in die Lage verſetzt, ſeine

Verhältniſſe zwar nicht leicht, aber doch ſicher zu ge-
ſtalten. Wenn er tüchtig wirken und ſchaffen muß, ſo

gibt mir das nur eine Bürgſchaft mehr für das Glück
meines — — Kindes.“ ö
Luiſe lächelte. „Wie haderten wir mit dem Schick-

ſal, und hätte es unſer Daſein wohl glücklicher geſtalten
können?“

„Freilich, doch wäre es auch nie dazu gekommen,
würde mich dieſe kleine Hand hier nicht ſanft und un-

merklich auf die rechten Wege geleitet haben.“ — Zärt-

lich ſtreichelte er ihre Rechte, die in der ſeinen lag.
„Du lieber Mann!“ flüſterte ſie beglückt.

ueber die Arbeitsräume des Reichskanzlers
in ſeinem neuen Palais erhält die „Nat.-Ztg.“ folgende

intereſſante Notizen: Betreten wir das Palais durch den
Eingang im Mittelbau, den ſpäter alle die wählen müſſen,

die geſchäftlich mit dem Reichskanzler zu verkehren haben

werden, ſo gelangen wir zunächſt in einen Vorraum, an

dem ſich rechts die Loge der zur Meldung verpflichteten

Boten befindet, und geradeaus in einen nach dem Garten

gelegenen Saal, deſſen Wände mit einer dunkelgrauen,
reich mit Gold verzierten Tapete bekleidet ſind. Zwei

Säulen tragen die Decken; Divans, mit perſiſchen Stoffen
überzogen, umgeben dieſelben. Rechts von dieſem Saal
gelangt man in das Miniſterconferenzzimmer, in dem ein
großer Tiſch mit ſeidenen Velour⸗Palerme überzogene

Polſterſtühle Platz finden werden. Die Tapete iſt der

des Saales ähnlich. An das Conferenzzimmer ſchließt
 
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