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Heidelberger Familienblätter — 1878

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No. 79 - No. 87 (2. October - 30. October)
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von Nußbaumholz; dazu noch die Familienportraits, ihres
Urgroßvaters und ihrer Urgroßmutter; der Urgroßvater
in einer Allonge⸗Perrücke, die männliche Rechte auf einen
Marmortiſch ſtützend, und die Urgroßmutter in einem
Stuartskragen, eine Roſe in der Hand. Für das Ge-
ſinde⸗, ſpäter Kinderzimmer: einen Familientiſch, in dunk-
ler Vorahnung, für 12 Perſonen, einen großen Weißzeug-

oder Kleiderkaſten ꝛc. Für das Schlafzimmer zwei Betten

nebſt Zubehör und einen Waſchtiſch. — Ein luſtiger
Schalk von Hochzeitsgaſt hatte dem jungen Ehepaar eine
Wiege zum Hochzeitsgeſchenke gemacht und damit große
Heiterkeit erregt. Nachdem der erſte Sprößling aus der
Wiege herausgewachſen war, mußte nolens volens eine
weitere Bettſtelle angeſchafft werden, und die Wiege wurde
in Folge eines allgemeinen Familienbeſchluſſes, bei deſſen
Berathung die Schwiegermutter den Vorſitz führte, nach
dem höchſten Speicher verbannt. „Doch mit des Ge-
ſchickes Mächten iſt kein ew'ger Bund zu flechten!“ Kurz,
nach 2 Jahren trat ein Ereigniß ein, das es nothwendig
machte, die Wiege vom Speicher wieder herunter ſpazieren
zu laſſen. Fünf Mal mußte ſo die Wiege zur lebhaften
Befriedigung der Schwiegermutter ihre Speicherwohnung
beziehen und fünf Mal fand ſie, trotz der eniſchiedenen
Einſprache der Schwiegermama, den Weg wieder die
Stiege abwärts. Jetzt hat die Schwiegermutter noch
einen letzten Verſuch gemacht und die Wiege in den Keller
geſtellt; ſie hofft, das Treppenſteigen werde der Wiege
bei ihrem hohen Alter unmöglich werden.
Im Zerbrechen von Gläſern und Küchengeſchirr ent-
wickelt die Kathrine eine unglaubliche Geſchicklichleit, und
ach, nur zu häufig wird die Frau Kanzleirath durch das
geheimnißvolle Gerappel aufgeſchreckt, um mit einem
Angſtſchrei in die Küche zu ſtürzen und die neüeſten
Heldenthaten der Kathrine zu bejammern. Und dabei
richtet ſich ihr Zerſtörungsſinn vorzugsweiſe auf das
fein ere Geſchirr, namentlich wenn es noch keine Sprünge
hat, während die zerſprungenen Stücke von ihr ſtets auf
die achtungsvollſte Weiſe behandelt werden. Eine zer-
ſprungene Suppenſchüſſel kommt zum Aerger des Herrn
Kanzleirath ſeit vier Jahren täglich auf den Tiſch, — er
kann ſo etwas nicht leiden, — und Frau Thereſe weigert
ſich entſchieden, eine neue anzuſchaffen, ſo lange die alte
noch dienſtfähig ſei. Der Herr Kanzleirath geht deßhalb

mit dem finſteren Plane um, der Kathrine 5 Pfennige

zu ſchenken, ſie ſolle eines Tages die alte Schüſſel fallen
laſſen; er weiß nur nicht, wie er die fünf Pfennige ver-
rechnen ſoll. ö ö

Nachſchrift zu Rubrir 5.
Der Menſch entgeht ſeinem Schickſale nicht. Die
Kathrine hat kürzlich auf dem Wochenmarkte mehreren
ihrer Freundinnen unter dem Siegel der Verſchwiegenheit
erzählt, ihr Herr, der Herr Kanzleirath, ſei letzthin einen

ganzen halben Tag im Keller geweſen und habe ge-

ſchreinert, gezimmert und genagelt, daß es ein furchtbarer
Spektakel war. Es habe ſie Wunder genommen, was
denn da vorgegangen, ſie ſei ſpäter hinabgeſchlichen und
habe zu ihrem Erſtaunen geſehen, daß die Wiegé, welche
ſchon ſeit vier Jahren im innern Keller als Lager für
das Weinfäßchen gebraucht worden, nunmehr mit vier

neuen Beinen in dem Vorkeller ſtehe. Sie ſei darüber

furchtbar erſchrocken und wolle ſich jetzt auf Johanni um
einen andern Dienſt umſehen, denn das ſei jetzt zu arg,
jetzt könne ſie's nicht mehr aushalten. — — — —
Nun noch eine Extraauslage für einen ſilbernen
Löff l. Extra⸗ und Ehrenauslagen dieſer und anderer
Art kommen jedes Jahr vor. Man war im vergangenen

Jahre zum Tauſparhen gebeten worden und konnte die

Ehre nicht von der Hand weiſen. Man weiß ja, welch
eine Freude es iſt, Pathe zu werden. Es war dieſes
Vergnügen unſerm Kanzleirathe vordem ſchon ſechsmal
beſchieden, und obſchon er jedesmal einen ſilbernen Löffel
gegeben, ſo war dies doch⸗eine ganz andere Sache.
Er iſt nämlich der ſechsfache Pathe der ſechs Kinder
ſeines Schwagers, des Sekretärs, und ſein Schwager, der
Sekretär, iſt der ſechsfache Pathe ſeiner ſechs Kinder, und
ſo hat man denn, um Koſten zu ſparen und dem alten
Herkommen nicht untreu zu werden, auf gemeinſchaftliche
Koſten einen ſilbernen Löffel, einen Normal⸗Pathen⸗Löffel,
angeſchafft und dieſen gewiſſenhaft bei jedem Pathenfalle
dem Kinde in die Wiege geleggt.
Im Augenblicke war der Löffel im Beſitze des Kanzlei-
rathes, und dieſer ſchätzt ſich glücklich, daß die Reihe,
Pathe zu werden, an ihm und nicht an ſeinem Schwa-
ger iſt. — — — —

Alorentiniſche Runſt. )
Von Eduard Paulnns.
achdruck verboten. Bundesgeſeh vom 11. Juni 1870.)
Firenze das neue Athen. Groß iſt die Aehn-
lichkeit beider bedeutendſter Bildungsherde der Menſchheit

in ihren Thaten und Werken, ihren Kämpfen und Siegen,

im Glück und im Unglück; vor allem aber in dem Geiſte
der Milde und des Friedens, der von ihnen ausgeſtreut
wird; jener Geiſt reinſten, humanſten, edelſten Wollens
— und ſiehe, der Baum des Friedens, der ſchmalblättrige,
unverwüſtliche, blauſchimmernde Oelbaum, umkränzt noch
heute die beiden Städte als einen geweihten, für die
Götter auf immer heilig begrenzten Raum. —
Korinth unb Sparta, Delphi und Olympia, mit
ihren Marmortempeln, ſtrahlend von Weihgeſchenken, mit
ihren Schattenhainen und goldelfenbeinernen Koloſſal-
bildern der Götter, ſind rohe Schutthaufen, Athen iſt noch
immer das Auge von Hellas; — und ob auch mannig-
faltig zerſpellt und verwüſtet und ſchnöde geplündert, ſeine
Heiligthümer ſtehen noch aufrecht über Theſeus' uralter
Burg, die Himmliſchen ſchweben noch immer ſchützend
darüber, wohl eingedenk der göitlichen Weihgeſchenke des

Geiſtes, die hier ſchon dargebracht wurden.

Als Sulla der Römer nach langer Belagerung Athen
erobert und ihm die Klugheit räth, daſſelbe zu zerſtören,

verſchont er die Stadt um ihrer großen Todten willen;

und als in unſeren Tagen, im Jahre 1859, der Com-
mandant der Fortezaa di Belvedere zu Florenz. vom
letzten Großherzog von Toskana Befehl bekommt, die Staädt
Florenz zu bombardiren, gibt er zur Antwort: „Man
Puenz auf die ganze Welt, aber man ſchießt nicht auf
irenzem.
Freilich, in Athen iſt Alles zertrümmert im Vergleich
mit dem viel jüngeren Firenze, wo noch die ganze Ent-
wicklung der Kunſt durch vier große: Jahrhunderte hin-
durch klar ſich erhalten, einer Kunſt, welche die größten
Ingenien in ſich befaßt und die höchſten Gedanken der
modernen Menſchheit in ſich verarbeitet hat. Wohl könnte

an Pracht und Fülle der Kunſtwerke mit ihm wetteifern

*) Durch das Entgegenkommen der Verlagshandlung (J.

Engelhorn in Stuttgart) ſind wir in den Stand geſetzt, obige

kunſthiſtoriſche Skizze dem beliebten Prachtwerke „Italien,

Eine Wanderung von den Alpen bis zum Aetna“, das ſoeben

in zweiter Auflage (ca. 36 Lieferungen à Mark 1. 50) erſcheint,
zu entnehmen. Wir beſtätigen bei dieſer Gelegenheit gerne das
allgemeine Urtheil der Preſſe, wonach dieſes reich illuſtrirte
Prachtwerk ſowohl in künſtlicher als literariſcher Hinſicht das

böchſte Lob verdient.
 
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