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M «. I Samstag, 7. Januar ----- ««"II.- 1888.

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Die Krpeditiorr.
Unschuldig verurtheilt.
Berlin, 5. Januar.
Ucbcr einen Fall von der Verurtheilung eines
durchaus Unschuldigen, der bereits 2^ Jahre im
Zuchthaus gesessen, berichtet die „ Staatsb.-Zeitung":
Am 5. Mai 1885 wurde der Schneidermeister Rudolph
Diemke durch Erkenntniß der zweiten Strafkammer des
Landgerichts I. wegen schwerer Urkundenfälschung zu vier
Jahren Zuchthaus verurtheilt, nachdem er seit dem 23.
Januar 1885 in Untersuchungshaft gesessen. Alle Ve-
rheuerungen seiner Unschuld halfen ihm nichts. Der Denun-
ciant und einzige Belastungszeuge, Kürschner David
Wolff, hatte die Schuld des Angeklagten beschworen, und
auf dieses eidliche Zeugniß hin erfolgte Diemkes Ver-
urtheiluug. Es handelte sich nämlich um vier Wechsel,
von denen Wolff behauptete, dieselben seien gefälscht,
während Diemke die Sache folgendermaßen darstellte:
Diemke hatte für Wolff gearbeitet, von diesem aber
nicht immer gleich Bezahlung erhalten, so daß im Jahre
1882 eine Summe von 75 Mk. restirte. Am 30. April
1882 kam Diemke, welcher soeben 300 Mk. eincassirt hatte,
an dem Geschäfte Wolffs, welches dieser auf einem Haus-
flur betrieb, vorüber und sprach mit bei ihm vor. Wolff
klagte sehr über ein schlechtes Geschäft und erzählte, daß
er Sachen habe versetzen müssen, welche am nächsten Tage
verfallen würden, da er sie nicht wieder einlösen könne.
Das erregte Diemkes Mitleid und schließlich gab dieser
Wolff die eben eincassirtcn 300 M/., damit Wolff die
Sachen einlösen könne; ja, er war so großmüthig, das
Geld ohne Schuldschein hinzugebcn, da Wolff erklärte, daß

er es nur auf ein Paar Tage gebrauche. Diese „Paar
Tage" waren aber zu vielen Tagen, ja zu zwei vollen
Jahren geworden und da Diemke unterdessen auch erfahren
hatte, daß Wolff gar keine Sache versetzt gehabt, kam ihm die
ganze Geschichte verdächtig vor und er drang energisch
darauf, daß Wolff ihm über die Schuld, welche mittler-
weile auf 401 Mk. angewachsen war, wenigstens Wechsel
ausstelle. Man einigte sich schließlich auch dahin, daß
Diemke vier Wechsel ausstellen solle; Wolff gab ihm zu
diesem Behuf vier Formulare mit, welche Diemke von
seiner Frau ausfüllen ließ, und zwar über 170, zweimal
78 und 75, zusammen 401 Mk. Diese Wechsel acceptirte
Wolfs nicht, selbst nicht, nachdem er beim Amtsgericht I
zur Zahlung verurtheilt worden war.
Statt dessen trat Wolff plötzlich in einer Denunciation
an die Staatsanwaltschaft mit der Behauptung hervor,
daß die von Diemke eingereichten Wechsel gefälscht seien.
Er, Wolff, habe nur drei Wechsel in Blanco acceptirt,
und zwar 200, 60 und 50 Mk., also nur 310 Mk., den
vierten Wechsel habe er Diemke nur „aus Versehen" mit-
gegeben. Wolff bestritt also gar nicht, Geld an Diemke
zu schulden, sondern bezweckte mit seiner Behauptung offenbar
nur, Zeit zu gewinnen. Trotzdem ging die Staatsanwalt-
schaft auf diese Denunciation ein, Diemke wurde am 23.
Januar 1885 verhaftet und am 5. Mai 1885, nachdem
Wolff seine obige Behauptung beschworen, zu 4 Jahren
Gefänguiß verurtheilt. Aber Diemke beruhigte sich nicht,
obwohl ihm nichts übrig blieb, als seine Strafe anzu-
treten. Zunächst beantragte er Wiederaufnahme des Ver-
fahrens, wurde aber mit diesem Anträge abgewiesen; dann
denuncirte er Wolff wegen Meineides; aber auch diese
Denunciation wurde zurückgewiesen. Endlich beschwerte er
sich beim Oberstaatsanwalt, welcher letztere die Eröffnung
der Untersuchung gegen Wolff wegen Meineids verfügte,
und diese führte zur Erhebung der Anklage gegen David
Wolff wegen fahrlässigen Meineides. Am 16. v. M. stand
vor der dritten Strafkammer in dieser Angelegenheit Ter-
min an; da aber der Gerichtshof die Ueberzeugung ge-
wann, daß Wolff die Wechsel acceptirt habe, mithin nicht
ein fahrlässiger, sondern ein wissentlicher Meineid vorliege,
so verwies er die Sache vor das Schwurgericht. Diemke
wurde sofort auf freien Fuß gesetzt.
Diemke ist also, wie gesagt, frei; aber er ist völlig
ruinirt, und da ihm gesetzliche Hilfe nicht werden kann,
so wendet er sich an das Mitleid seiner Mitmenschen und,
wie wir sicher annehmen, nicht umsonst. Dem Manne,
der das Opfer eines gemeinen Verbrechens geworden ist,
beizuspringen, dürfte für alle die, welche gern helfen und
helfen können, eine willkommene Gelegenheit sein, dort
ergänzend einzuspringen, wo Gesetz und Recht ein recht-

schaffenes Mitglied der menschlichen Gesellschaft verlassen
haben.
Deutsches Weich.
Karlsruhe, 4. Jan. Der Aufenthalt des erb groß-
herzoglichen Paares in Cannes dürfte mindestens
vier Monate dauern. Die Gesundheit des Erbgroßherzogs,
der ja einen Theil des Winters schon wieder in Freiburg
verbringen konnte, verlangt den Aufenthalt im Süden nicht;
dieser ist lediglich eine Maßnahme der Vorsicht und Vor-
beugung, wie man sie besonders bei überstandenem lang-
wierigem Gelenkrheumatismus und Pleuritis in Anwen-
dung bringt. Der Weg von Genua nach Cannes führt
über San Remo. — Die Budgetcommission ist gestern
wieder zusammengetreten, nachdem sie bis kurz vor Weih-
nachten ihre Sitzungen gehalten. Der Budgetpräsident,
Abg. Friderich, hält seine Mannen fest zusammen und
hat auch vom Standpunkte des Budgets aus das Be-
streben, mittelst rascher und fortgesetzter Vorbereitung der
Berichte den Gang der Verhandlungen thunlichst zu be-
schleunigen. Die beiden wichtigen Berichte über Eisen-
bahnbetrieb und Eiscnbahnbau werden von dm Abgg.
Winterer nnd Hofmann (Karlsruhe) erstattet. Die Bahn-
vorlage über die sogenannte Bergthalbahu wird als wahr-
scheinlich betrachtet. Auch auf Ueberlingen-Radolfzell macht
man sich noch Hoffnung. Ueberall ist dabei nicht von
neuen Staatsbahnen, sondern nur von Zuschüssen zum
Bahnbau die Rede. — In den politischen Kreisen ist der-
malen eine vielerörterte Frage, ob es in Ansehung der
Kirchenvorlage zu einem Vermittelungsvorschlage, welcher
die Zeitdauer der Ordensaushilfe begrenzt, wird kommen
können. Die principiellcn Gegner der Vorlage erklären
sich zum voraus schon scharf dagegen. — Das berufsge-
nossenschaftliche Schiedsgericht dahier, unter dem Vorsitze
des Geh. Regierungsrath v. Preen, sah im vergangenen
Jahre seine Arbeiten gegen das Vorjahr fast verdoppelt,
dabei aber die Zahl der Recurse an das Reichsversiche-
rungsamt stark vermindert. Ein gutes Zeichen, sowohl
für die Bedeutung der betr. Geschäfte, als auch für die
Art ihrer Erledigung.
Berlin, 4. Jan. Neuerdings verlautet, das So-
cialistengesetz habe im Bundesrathe Abänderungen
erfahren, in Folge dessen auch die Begründung einer Um-
arbeitung unterzogen werden müßte: der Gesetzentwurf
werde aber dem Reichstage bei seinem Wiederzusammen-
tritt zugehen. Von grundlegenden Veränderungen des
Entwurfs dürfte übrigens kaum die Rede sein. Die
andere Nachricht, socialdemokratische Führer hätten erklärt,
die socialdemokratische Partei würde sich, falls die Vater-
landsverwcisung zur Annahme gelangte, der Reichstags-

CharLotte MdensML.
Criminal- Novelle von A. Klock.
32) (Fortsetzung.)
„Johannes Bemühungen", fuhr Regina fort, „waren
vergebens; wenn ich auch nicht gut war, so war ich doch
auch nicht schlecht und mein Lebenswandel derartig, daß
er selbst das Auge des Feindes nicht zu fürchten brauchte.
Jahre vergingen; nachdem Johannes dreizehn Monate aus-
wärts studirt, mußte ihn der Vater wieder in die Heimath
zurückrufen, und je mehr sich mein Gatte und sein Sohn
verfeindeten, um so leidenschaftlicher wuchs des Jünglings
Haß gegen mich und wuchs immer mächtiger, ich fühlte es
obgleich er sich jetzt nicht mehr um sein Thun und Lassen
zu kümmern schien.
Da sah ich ihn seit einigen Wochen öfter in der Be-
gleitung eines schönen jungen Mannes nach Hause kommen
— und um die Ruhe meines Herzens, das noch niemals
in Liebe zu einem Manne geschlagen, war es geschehen!
Ich dachte immer nur an ihn, ich harrte seiner bis in die
dunkle Nacht am Fenster, und begab mich seufzend und
niedergedrückt zur Ruhe, wenn ich vergebens nach ihm aus-
geschaut. Zuweilen traf mich sein sonniger Blick, welcher
stets voll neugierigem Interesse auf mir haften blieb,
während er grüßend den Hut lüftete. Johannes mochte
ihm wohl unglaubliche Dinge von mir erzählt haben. Am
Abend vor dem Tage des schrecklichen Ereignisses hatte der
Femde wieder Deinen Bruder besucht; ich hörte sie beide
die Treppe herab kommen und im Gespräche auf dem
unteren Hausflur stille stehen; schnell eilte ich an die Thür
meines Zimmers, um vielleicht einige Worte des heimlich
Angebeteten zu verstehen."
„Und Sie wollen wirklich übermorgen schon Berlin
verlassen, bester Doktor?" sagte Dein Bruder. „Ja Herr
Oldenstätt", entgegnete der Andere, „ich darf nicht säumen,
meine Stellung anzutretcn, Sie wissen, welch ein Freund

k der Pünktlichkeit ich bin. Möglicherweise fahre ich schon
morgen mit dem Nachtzuge, aber verlassen Sie sich da-
rauf, und sollte es neun Uhr werden, ich komme her, um
Abschied zu nehmen. Schade, daß Ihr abscheulicher Husten
Sie hindert, mich zu begleiten und unserer letzten fröhlichen
Zusammenkunft beizuwohnen, da wir noch völlzählig sind,
aber ich als Arzt muß es Ihnen leider selbst verbieten.
Apropos, lieber Freund, mein Bruder Konrad läßt herzlich
grüßen, er ist mit dem heutigen Frühzuge wieder in seine
Garnison abgereist — also auf Wiedersehen, höchst wahr-
scheinlich morgen Abend."
Damit verließ er das Haus, während Johannes
langsamen Schrittes hinaufging.
Ich war außer mir — zum letzten Male sollte er
wieder kommen, und ich hatte bis jetzt keine Gelegenheit
gefunden, mich ihm zu nähern, so sehnsuchtsvoll ich auch
darnach schmachtete.
Da sollte mir der Zufall zu Hilfe kommen.
Am Vormittag des nächsten Tages fand zwischen Jo-
hannes und seinem Vater ein furchtbarer Austritt statt.
Dein Bruder, welcher schon längere Zeit unwohl war,
fühlte sich wohl in Folge dessen leidender, und nahm sich
vor, zeitig die Ruhe zu suchen, so wenigstens hatte er sich
zu unserm damaligen Mädchen geäußert. Dein Vater
verließ um sieben Uhr das Haus, keinesfalls würde er
vor elf oder zwölf Uhr aus seinem Club heimkehren. Alle
meine Fibern waren leidenschaftlich erregt, mein sonstiges
Phlegma verwandelte sich in zitternde Lebendigkeit —- heute
oder nie mußte ich den Heißgeliebten sprechen! Dem
Dienstmädchen, welches an heftigen Zahnschmerzen litt
und ruhelose Nächte verbrachte, bereitete ich ein starkes
geistiges Getränk und um auf alle Fälle vor ihr sicher
zu sein, mischte ich ihr ein Quantum von dem Schlaf-
pulver hinein, das der Geheimrath mir verschrieben. In
meiner Gegenwart mußte sie den Trank zu sich nehmen —
Diesmal schlief sie gewiß bis zum andern Morgen. Ich
dachte an alles, auch Deinem Bruder schüttete ich hinter

des Mädchens Rücken eine Portion des wirksamen Mittels
in seinen bestellten Abendthee.
Die Köchin war verreist, Niemand konnte mich be-
lauschen.
Endlich schien alles todtenstill im Hause geworden,
und ich blickte ungestüm pochenden Herzens aus dem
Fenster eines dunklen Zimmers auf die Straße — würde
er kommen? Sollte meine sehnsuchtsvolle Erwartung sich
erfüllen?"
Endlich, da war sein Schritt — ich stürzte hinaus
und öffnete die Hausthür, noch ehe er läuten konnte.
„Ach, wie zuvorkommend Sie sind, Frau Doktor",
sagte er mit artiger Verbeugung, dann fragte er, ob Jo-
hannes zu Hause wäre.
„Mein Sohn hatte leider mit seinem Vater einen
nothwendigen Ausgang", erwiderte ich keck, „aber wollen
Sie nicht ein wenig hier eintreten, um seine Rückkehr zu
erwarten? Er wird gewiß bald wieder hier sein!"
Seine möglichen Einwendungen abschneidend, führte
ich ihn schnell über die weichen Läufer in meine Zimmer.
Er stellte sich mir vor und in kurzer Zeit hatte ich
alles erfahren, was ich über seine Verhältnisse zu wissen
wünschte, um die schönsten Hoffnungen für meine Zukunft
daran zu knüpfen.
Meine Lage erschien mir plötzlich unerträglich, die
Zeit schien für mich in diesem Hause stille zu stehen —
ein Tag verging wie der andere — immer das gleiche
Einerlei. Er der geliebte Mann sollte mich davon erlösen,
in ihm würde ich das so heiß ersehnte Glück finden.
Meiner Leidenschaft, welche sich von Minute zu Minute
in seiner Nähe steigerte, entströmten meine Worte, ich
achtete kaum daraus, daß er, aus heiterer Gesellschaft
kommend, sich in angeregter Laune befand, es fiel mir da-
mals nicht auf, daß seine Blicke, während ich ihm klagte,
wie unglücklich ich mich fühle, stets den meinen mit sonder,
barem Lächeln begegneten. Er schien das alles sehr spaß-
haft zu finden, während ich nach dem Momente zitterte-
 
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