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M 27. j Mittwoch, I. Februar !

Bestellungen für die Monate
Februar und März
auf das Heidelberger Tageblatt (General-Anzeiger)
(billigste Zeitung in ganz Baden), werden fortwährend von
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sowie von unseren hiesigen und den Trägern und Träge-
rinnen der nächsten Umgebung zum Preise von 50 Pfg.
monatlich entgegengenommen. Die Expedition.

Deutsches Reich.
Karlsruhe, 30. Jan. Die Zweite Kammer be-
schäftigte sich heute mit der anerkannt allzu hohen Be-
steuerung zahlreicher Vorschußvereine des Lan-
des, welche durch die Einkommen- und Gewerbesteuer bis
zu 44 Procent ihres Reingewinnes belastet werden. Die
Besteuerung dieser und ähnlicher Gesellschaften ist seiner
Zeit erst durch Amendirung der bezüglichlichen Vorlagen
Seitens der Stände veranlaßt worden und die Regierung
iü gern bereit, auf die beschlossene empfehlende Ueverwei-
sung der Gesammtpetition dieser Vereine einzugehen. Den
praktischen Weg hierfür zu finden, ist jedoch schwer und
namentlich lehnt es die Finanzverwaltung vorläufig ab,
auf eine grundsätzliche Herabsetzung der betreffenden Ge-
werbesteuercapitalien einzugehen, weil dies schwer zu über-
sehende Folgerungen nach sich ziehen müßte. — Ein Bitt-
gesuch der badischen Bezirksärztc um Gewährung
vonWohnungsgeldzuschüssen findet in der Commission
und in der Kammer günstige Aufnahme. — Die Gesuche
um Wiedererrichtung von Amtsgerichten zeigen
ein gedeihliches Wachsthum; nunmehr sind auch von den
Orten Jestetten und Meersburg bezw. Markdorf solche
eingcreicht. — Zum Berichterstatter für die Gesetzesvor-
lage betreffend die geschlossenen Hofgüker wurde
für die Zweite Kammer der Abgeordnete Oberamtsrichter
Lauck (clerical) gewählt. Ebenso für den Gesetzentwurf
betreffend die Ausstellung von Erbbeschcinigungen.
Berlin, 30. Jan. Der Reichstag setzte heute die
Bcrathung über das Socialistengesetz fort. Bebel ver-
mißt irgendwelche neue durchschlagende Gründe für die
Verschärfung. Der kleine Belagerungszustand und die
Ausweisungen nützen nichts, sondern verbitterten und ver-
größerten bloß die Agitation. Minister v Putt kam er-
legt dar, daß alle Behauptungen Bebels bezüglich angeb-
lich von der Regierung gebrauchte xrovooubsurs"
völlig unbewiesen seien. Der sächsische Bundesbcvoll-
mächtigte Held erklärt gleichfalls mehrere Behauptungen
Bebels für unrichtig, v. Kardorff spricht Namens der
Reichspartei für die Verlängerung und Verschärfung des

Gesetzes, hält aber die Expatriirung für unwirksam. Windt-
horst will die Socialdemokratie als wahre Pest auf Leben
und Tod bekämpft wissen, aber mit ethischen Mitteln. Er
wird in der Commission Milderungsanträge stellen. Bei
deren Ablehnung würde keiner seiner Freunde für eine
fünfjährige, nur ein Theil derselben für eine zweijährige
Verlängerung stimmen, ein anderer Theil die Aufhebung
des Gesetzes beantragen. Die Debatte wird geschlossen.
Das Haus verweist die Vorlage an eine besondere Com-
mission. Zur Denkschrift über die Ausführung des Socia-
listengesetzes nimmt nur Frohme zu Angriffen auf Re-
gierung und Polizei das Wort. Nächste Sitzung morgen.
Tagesordnung: Vorlage über Unterstützung von Reservisten-
familien und Fortsetzung der Etatsberathung.
Berlin, 30. Jan. Das Abgeordnetenhaus setzte
die Etatsberathung fort. Ohne große Eröterung wurden
die Etats der Domänenverwaltung und der landwirthschaft-
lichen Verwaltung angenommen.
Posen, 30. Jan. JmProcesse gegen die Socia-
listen Slawinski und Genossen wegenTheilnahme
an geheimen Verbindungen hat die zweite Strafkammer
des hiesigen Landgerichts auf Grund der Artikel 128, 129
und 73 des Strafgesetzbuches erkannt: gegen Slawinski
auf 2 Jahre und 9 Monate, Witkowski und Konopinski
je 2 Jahre und 6 Monate, Merkowski 1 Jahr und 9
Monat, Janischewski und Loraweski je 1 Jahr und 6
Monate Gefängniß. Von den übrigen 11 Angeklagten
wurden 7 zu 9 bis 4 Monaten Gefängniß verurtheilt;
4 Angeklagte wurden freigesprochen.
Leipzig, 30. Jan. Das Reichsgericht bestätigte
heute die Auflösung des hiesigen Vereins „Liederstern",
einer Fortsetzung des socialistischen Tischler-Fachvereins.
Schweiz.
Zürich, 30. Jan. Das schweizerische Arbeit er -
secretariat, welches mit einem Theil der Vorarbeiten
für die allgemeine Unfallversicherung betraut ist, hat an
die verschiedenen Kranken cassen und deren Sektionen
Fragenformulare und Zahlblättchen verschickt. Von Interesse
hierbei ist, daß sich bisher schon mehr als 1200 Kranken-
cassen in der kleinen Schweiz gefunden haben und daß
immerfort noch Anmeldungen für die statistischen Erhebungen
eingehen. Das Krankencassenwesen der Schweiz scheint
hiernach sehr ausgebreitct zu sein. — Wie in Genf so
war auch in Zürich eine allgemeine Studentendemon-
stration zu Gunsten der russischen Studenten und Uni-
versitäten in Aussicht genommen. Der Polytechnikerverein
hatte bereits eine Polytechnikerversammlung angesetzt, doch
wurde dieselbe wieder abgesagt, da die Anreger dieser
Demonstration ihre Anträge wieder zurückgezogen; wahr-
scheinlich wird man dieselben später wieder aufnehmen.

Hesterreich-Ilvgsrrr.
Wien, 30. Jan. Einem Briefe aus Konstantinopel
entnehme ich, daß Baron Hirsch und die hohe Pforte den
deutschen Botschafter v. Radowitz um einen Schiedsspruch
ersucht haben und daß von Berlin die Erlaubniß dazu cr-
theilt worden. Hiesige diplomatische Kreise bemerken dazu,
die Streitfrage werde, weil rein kaufmännischer Art, weniger
den deutschen Botschafter als den deutschen Generalkonsul
angehen; vermuthlich werde letzterer den Schiedsspruch
übernehmen. — Minister Stur dz a verbleibt noch einige
Tage in Wien. — Der „Pol. Corresp." zufolge stände in
russischen Regierungskreisen die abermalige Entsendung
eines diplomatischen Vertreters nach Rom behufs Wieder-
aufnahme unmittelbarer Beziehungen zum Vatican in ernster
Erwägung.
Pest, 30. Jan. In Folge des gestrigen Schnee-
sturmes ist auf verschiedenen ungarischen Bahnlinien der
gesammte Verkehr unterbrochen.
IravkveiH.
Paris, 30. Jan. lieber die durch einen türkischen
Polizeibeamten in Damaskus im französischen Consulats-
gebäude erfolgte Verhaftung eines französischen
Staatsangehörigen aus Algier meldet „Paris",
die Pforte habe eine strenge Untersuchung des Vorgangs
anbefohlen. Der Contreadmiral Obry, welcher die fran-
zösische Flottenabtheilung in den Gewässern bei Smyrna
befehligt, sei angewiesen, sich mit dem Panzerschiffe „Vau-
ban" und zwei Avisos sofort nach Beirut zu begeben, um
die französischen Staatsangehörigen bei etwaiger Erregt-
heit der muselmanischen Bevölkerung zu schützen. „France"
sagt, nach den durch den türkischen Minister des Aus-
wärtigen gegenüber dem französischen Botschafter Monte-
bello ausgedrückten Gesinnungen sei anzunehmen, daß die
Pforte nicht zögern werde, den Beamten zu bestrafen, so-
bald dessen Schuld sich Herausstellen sollte. — Eine Privat-
depesche der „Frkf. Ztg." meldet ferner: Der französische
Gesandte in Konstantinopel hat im Auftrage des franzö-
sischen Ministers des Auswärtigen, Flourens, die Pforte
um Aufklärung über die Asfaire von Damaskus er-
sucht. Sollte Frankreich sich dazu berechtigt halten, Satis-
faction zu fordern und die Pforte dieselbe verweigern, so
ist man entschlossen, einige Kriegsschiffe an die syrische
Küste zu senden.
Paris, 30. Jan. Laut der „Liberte" ließ die ita-
lienische Regierung durchblicken, daß sie in wenigen Tagen
den französischen Bevollmächtigten neueVorschlägebe-
züglich des Handelsvertrages zugehen lassen werde;
dieselben hätten einen durchaus versöhnlichen Charakter.— Bei
der im Departement der oberen Saone stattgehabten Nach-
wahl zur Deputirtenkammer wurde Mercier, Candidat

Entdeckte Kerzen.
Roman von Hugo v. Rittberg.
15) (Fortsetzung.)
Fest stand mein Entschluß, das Haus zu verlassen,
und ich überlegte, ob ich mein Glück in dieser Weise noch
weiter versuchen — oder in mein stilles Schloß zurück-
kehren sollte.
Als. ich das Gut erreicht hatte und mein Zimmer
öffnen wollte, sprang die Thür auf. Mit größtem Erstaunen
sah ich in der Mitte der Stube das Gutsfräulein stehen,
ein Mann kniete vor meinem Koffer, um diesen zu öffnen.
Kisten und Kasten waren geöffnet und durchwühlt.
„Was soll das heißen?" fuhr ich auf. „Wie können
Sie es wagen, in mein Zimmer zu dringen? Was wollen
Sie bei meinem Koffer?"
„Nicht diesen hohen Ton, mein Bester!" versetzte der
am Boden knieende Mann und erhob sich, seinen Blick fest
und forschend auf mich werfend. „Sie werden es gleich
erfahren."
Ich sah das Fräulein fragend an. Da dieses schwieg,
wendete ich mich wieder an den Unbekannten mit den
Worten:
„Wer sind Sie?"
„Ein Criminalbcamter!" erwiderte der Mann, selt-
sam lächelnd. „Vom Gericht, auf Verlangen des gnä-
digen Fräuleins, hierher beordert, um Ihr Zimmer zu
durchsuchen."
„Dazu hat Niemand ein Recht! Ich bin ein recht-
licher, unbescholtener Mann."
„Das dürfte zweifelhaft erscheinen", entgegnete der
Beamte mit großer Ruhe. „Sehen Sie hier dieses vor-
zügliche Zeugniß von Herrn Baron von Hohenberg. Es
gleicht die Schrift Ihrer Handschrift auffallend. Ich behaupte
das Zeugniß ist gefälscht ! Diese unleugbare Thatsache giebt
mir das Recht, hier einzuschreiten. Noch mehr! Ich

mache die auffallende Bemerkung, daß auch Ihr Paß ein
falscher ist. Hier steht: fünf Fuß zwei Zoll. Sie sind
mindestens drei Zoll größer. Augen: grau. Sie haben
braune Augen. Besondere Kennzeichen: keine. Sie haben
in der Nähe der Nase eine Warze. Glauben Sie, daß
ein Beamter so unverzeihlich kurzsichtig sein könnte, sich
so zu irren? Ich nicht! — Was haben Sie hierauf zu
erwidern?"
Der Beamte war in seinem Recht. Ich mußte wissen,
was weiter vorgefallen.
„Wessen beschuldigt man mich noch?" fragteichziem-
lich kleinlaut.
„Ein kostbares Armband ist dem gnädigen Fräulein
entwendet", erwiderte der Beamte mit seiner alten Ruhe.
„Unerhört!" rief ich entrüstet. „Ich soll der Dieb
sein? Und Sie, Fräulein, haben mich angeklagt? Sie
halten mich fähig zu solcher Schandthat?"
Die Gutsherrin schwieg, mich eiseskalt anblickend, der
Beamte jedoch sagte höhnisch:
„Sie erhitzen sich, mein Bester! Das läßt sich ja in
Ruhe abmachen. Sie wurden gestern Morgen zum Fräu-
lein v. Steinhaufen gerufen. Das Armband lag auf dem
Tische. Ganz genau erinnert sich das Fräulein dessen.
Gleich nachdem Sie hinausgegangen, war das Armband
verschwunden. Niemand außer Ihnen ist in dieser Zeit
im Zimmer gewesen. Ein kostbarer Schmuck ist verlockend,
man rechnet etwas leichtfertig auf die Zerstreutheit der
Besitzerin, darf sich aber schließlich nicht wundern, wenn
sich ein Beamter bei dem Betreffenden einfindet, um den
Schmuck möglichst bald wieder zu erlangen. Bitte, geben
Sie mir deßhalb den Schlüssel zu Ihrem Koffer, ich wäre
sonst gezwungen, diesen gewaltsam zu erbrechen, denn keiner
meiner Dietriche schließt. Es ist ein Meisterschloß mit
vorzüglicher Construction."
Das Oeffnen des Koffers brachte mich in neue Ver-
legenheit, denn in einem Kästchen befand sich eine ziemlich
große Summe Geld und werthvolle Schmucksachen, welche

von meinen Reisen her darin liegen geblieben waren. Es
war vorauszusehen, daß der Beamte diese Sachen finden
und hierüber Aufklärung verlangen würde. Ich mußte
mich zu erkennen geben.
„Sie erhalten den Schlüssel, sobald wir allein sind",
versetzte ich gefaßt.
Der Beamte warf dem Fräulein einen Blick zu.
Diese verstand denselben und verließ schweigend das Zimmer.
Die Nichtachtung, welche sie mir gezeigt, ließ deutlich er-
kennen, daß sie von meiner Schuld überzeugt war.
„Ehe Sie öffnen, bin ich gezwungen. Ihnen vorher
ein Geständniß zu machen, Herr Commissär," sagte ich
jetzt. „Ich bin nicht der, welcher ich zu sein scheine! Ein
närrischer Gedanke war die Veranlassung zu dieser Ver-
kleidung."
„Sehr gut gesagt! Nur lassen Sie mich nun nicht
länger auf den Schlüssel warten."
„Sie würden trotzdem einige Mühe haben, zu öffnen,"
erwiderte ich lächelnd und öffnete das künstliche Schloß.
Der Beamte hob den Deckel des Koffers und begann
zu suchen.
„Was ist in diesem Kasten?" fragte er.
„Eine Violine und einige Notenhefte. Hier sehen Sie!"
Der Commissär schüttelte mißtrauisch den Kopf.
„Alles so äußerst elegant. Ein Prachtkoffer! Und
der Kasten hier mit ächtem Sammt überzogen."
„Das Instrument verdient es. Die Violine kostet
zweitausend Thaler."
„Ich ersuche Sie, mich nicht zum besten zu halten!
— Ah! Hier unten ist noch ein Kästchen. Angenietet!
Kein Schloß zu finden! „Oeffnen Sie!"
Ich drückte an eine Feder. Das Kästchen sprang
auf — mein Geld und meine Schmucksachen zeigten sich.
Der Beamte sah mich mißtrauisch an.
„Merkwürdig!" rief er. „Sehr merkwürdig! Ein
schlichter Verwalter, und diese Summe Geld, diese
Kleinodien?"
 
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